Dinslaken/Voerde. 1920 gründete sich die Siedlungsgesellschaft für den Kreis Dinslaken - aus der dann die Wohnbau entstand. Die ersten Jahre waren wechselhaft.

Als sich am 11. November 1920 die Siedlungsgesellschaft für den Kreis Dinslaken gegründet hat, konnte wohl niemand ahnen, das sich das Modell als Erfolgsgeschichte im Laufe seiner 100-jährigen Geschichte herausstellen sollte. Denn gerade die ersten 75 Jahre des Bestehens waren sehr wechselhaft und oftmals auch tragisch, überschattet von Flüchtlingsströmen nach dem Ersten Weltkrieg, den bürgerkriegsähnlichen Geschehnissen der 1920er Jahre, dem Einmarsch französischer und belgischer Truppen 1923, der Weltwirtschaftskrise und den Jahren des Nationalsozialismus nebst Zweitem Weltkrieg und der Zerstörung der Kommunen in den letzten Kriegstagen 1945.

Die anfänglich Aufgabe war, Not zu lindern

Und auch in den vergangenen Jahren sei die Wohnbau Dinslaken, wie das Unternehmen heute heißt, einem immerwährenden Wandel unterzogen gewesen, so Geschäftsführer Wilhelm Krechter im Hinblick auf das 100-jährige Jubiläum. „Wir haben uns immer fragen müssen, ob unsere Visionen, die wir in der Vergangenheit hatten, wirklich Einzug gehalten haben, sich wirklich erfüllt haben.“

Das Foto zeigt das ehemalige Offizierskasino in Friedrichsfeld, später war hier das Verwaltungsgebäude der Siedlungsgesellschaft untergebracht. 
Das Foto zeigt das ehemalige Offizierskasino in Friedrichsfeld, später war hier das Verwaltungsgebäude der Siedlungsgesellschaft untergebracht.  © Foto: Wohnbau Dinslaken

War früher, zu Beginn 1920 und auch in den 50er Jahren des Wiederaufbaus, die Qualität des Wohnens nicht so ausschlaggebend, habe sich die Ansicht im Laufe der vergangenen Jahre stark gewandelt. Wohnen bedeute heute mehr, als nur ein Dach über dem Kopf zu haben. Zudem habe sich die Wohnbau von der reinen Mietvergabe bis zur Wohnungsbewirtschaftung mit gezielten Ansprechpartnern für bestehende Bereiche gewandelt, erklärt Prokurist Guido Matzken. War es einst die Aufgabe, Not zu lindern, wandelte sich das Unternehmen, handelte marktorientiert. Und diese Entwicklung sei keinesfalls abgeschlossen, da sind sich Geschäftsführer Wilhelm Krechter sowie seine Prokuristen Guido Matzken und Roland Schmette sicher.

Auf einem 914 Hektar großen Gelände enstand das heutige Friedrichsfeld

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Doch blicken wir erst einmal zurück in die Anfänge der Geschichte der Wohnungsbaugesellschaft, die der frühere NRZ-Redakteur Heinz Ingensiep eindrucksvoll in der Chronik der Wohnbau beschreibt.

Der erste Weltkrieg lag gerade zwei Jahre zück, Flüchtlingsströme aus ehemals deutschen Gebieten verstärkten die ohnehin angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt. Ein extremer Mangel an Wohnraum herrschte im Kreis Dinslaken, auf der anderen Seite gab es genügend Grünfläche, gab es auch das Barackenlager rund um den früheren Truppenübungsplatz Friedrichsfeld.

So kam es, dass gerade dieses Gebiet ins Auge stach, als Übungsplatz war es fürs Militär uninteressant geworden, als Zwangsarbeiter- und Gefangenenlager aufgelöst, einer zivilen Nutzung stand also nichts mehr im Wege. Und für den Bau von Mietwohnungen, Eigenheimen und Handwerksbetrieben bot sich das 914 Hektar große Gelände geradezu an – das heutige Friedrichsfeld entstand.

Ein Darlehen muss aufgenommen werden

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Ganz einfach sollte es allerdings nicht werden, das Stammkapital der Gesellschaft betrug gerade mal 30.000 Mark. Durch die Aufnahme weiterer Gesellschafter wie die Gemeinden Spellen und Bucholtwelmen sowie der Gewerkschaft Friedrich Thyssen konnte es schließlich auf 158.000 Mark aufgestockt werden. Immer noch zu wenig, 4,6 Millionen Mark musste laut Vertrag von 1921 für den Erwerb des Geländes, des Lagers mit all seinen Baracken und Nebengebäuden gezahlt werden. Ein Darlehen wurde aufgenommen. Die Arbeit konnte beginnen.

Laut Satzung war die Aufgabe der Siedlungsgesellschaft „die Errichtung, Vergrößerung, Verwaltung und Vergebung von Wohn- und Wirtschaftsheimstätten im Kreis Dinslaken für Arbeiter, Handwerker, Kleinbauern, untere und mittlere Beamte sowie Angehörige der diesen gleichgestehenden Berufsstände, insbesondere auch Kriegsbeschädigte, Kriegerwitwen und Kriegsteilnehmer“.

An der Spellener Straße entstanden die ersten Häuser

Bis Ende 1925 entstanden so 85 Siedlerstellen in Friedrichsfeld, bis 1927 folgten weitere Mietwohnungen und sogar bereits erste Reiheneigenheime. Die ersten Wohnhäuser entstanden an der heutigen Spellener Straße in Voerde. Doch die Weltwirtschaftskrise sollte dem Bauboom 1929 ein Ende setzen. Die letzten Friedrichsfelder Bauvorhaben wurden im Herbst 1935 abgeschlossen. Es handelte sich hierbei um zwölf kleine Siedlungshäuser für kinderreiche Familien an der damaligen Kanalstraße. Von den Nachbarn wurde die Siedlung liebevoll spöttisch „Micky-Maus-Siedlung“ genannt.

Die finanziellen Mittel der Siedlungsgesellschaft waren nun gänzlich aufgezehrt. Hinzu kam, dass die Nationalsozialisten eine etwas andre Auffassung und Vision verfolgten, als das Wohnbauunternehmen. Der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Klein sowie die damaligen Geschäftsführer Dr. Heinrich Selberg und Fritz Füller wurden abgesetzt und durch den Nazis genehme Leute ersetzt. 1939 drohte endgültig die Insolvenz, freie Flächen wurden an den Kreis abgetreten. Die letzten beiden Projekte in Dinslaken an der Luisenstraße und am Krähenbrink waren vollendet, danach wurde die Bautätigkeit eingestellt. Man konzentrierte sich nun auf die Verwaltung des Bestandes.

Der umfasste bis Kriegsende 159 Häuser mit 410 Wohnungen und 15 Ladenlokalen im Raum Friedrichsfeld, zudem hatte die Gesellschaft 175 Siedlerstellen geschaffen.

(Weitere Berichte über die Geschichte der Wohnbau Dinslaken folgen.)