Voerde/Dinslaken. Nach langem Lockdown in Seniorenheimen sind Besuche unter Auflagen wieder möglich. Zwei Leiter aus Dinslaken und Voerde schildern die Situation.

Die Tür der Senioreneinrichtung Carpe Diem in Voerde geht erst nach einem Klingeln auf, als eine Mitarbeiterin herbeieilt und sie von innen öffnet. Dann dürfen Helen Carina Fuchs, Nicole Westig und Bernd Reuther eintreten – aber nicht einfach so.

Ehe es in den für das Gespräch vorbereiteten Nebenraum im Café-Restaurant „Vier Jahreszeiten“ geht, müssen sie erst ihre Hände desinfizieren, anschließend ein zweiseitiges Formular ausfüllen und dann außerdem noch ihre Temperatur messen lassen. So ist es coronabedingt nicht nur in der Einrichtung an der Bahnhofstraße 97 in Voerde derzeit Vorgabe.

Themen aus erster Hand erfahren

Bernd Reuther, der FDP-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Wesel, ist an diesem Tag gemeinsam mit Nicole Westig, der pflegepolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, und der FDP-Ortsverbandsvorsitzenden Helen Carina Fuchs in Voerde unterwegs. Bei der Caritas sind sie schon gewesen, nun machen sie Halt bei Carpe Diem.

Auch interessant

Hier wollen sie sich mit Einrichtungsleiter Carsten Wohlfarth über den vor ziemlich genau einem Jahr eröffneten Standort und das Unternehmen im Allgemeinen unterhalten, wollen sich – auch vor dem Hintergrund der Coronakrise – austauschen über gesundheitspolitische Themen. „Ich nutze die Sitzungspause gerne für solche Touren durch meinen Wahlkreis“, erklärt Reuther. „Denn ich möchte die Themen, die die Leute derzeit beschäftigen, aus erster Hand erfahren“, sagt er. Und deshalb habe er sich für den Besuch bei Carpe Diem auch Verstärkung von Nicole Westig, der pflegepolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, geholt.

„Ich hätte mir mehr erhofft“

Westig steigt auch direkt mit mehreren Fragen ein in das Gespräch, möchte von Wohlfarth unter anderem wissen, wie er die Schutzmaßnahmen-Unterstützung von Bund und Land in den vergangenen Monaten erlebt hat. „Am Höhepunkt der Krise“, antwortet dieser, „ist die Verteilung ganz gut gelaufen. Dennoch hätte ich mir von Bund und Land mehr erhofft.“ So habe er bereits zu Beginn der Krise beim Kreis Wesel nach Schutzmaterial gefragt, dort aber die Antwort bekommen, dass es das erst gebe, wenn es auch einen positiven Coronafall gebe. „Weil da also am Anfang nichts kam, waren wir wirklich froh, dass wir noch etwas im Bestand hatten“, sagt Wohlfarth.

Auch interessant

Darius Paterok, Einrichtungsleiter, und Birgit Rohde, soziale Betreuung, stehen vor einer Holzhütte, die vor einem Fenster am St.-Benedikt-Haus der Caritas in Dinslaken errichtet wird. Die Hütte soll Menschen einen kontaktlosen Besuch bei ihren Angehörigen in dem Seniorenheim ermöglichen.
Von Rita Meesters, Peter Neier und Susanne Zimmermann

Auch erzählt er beispielhaft von einer Mitarbeiterin, die zu Beginn des Osterwochenendes am 11. April positiv auf das Coronavirus getestet worden war (die NRZ berichtete): Obwohl das positive Testergebnis bereits am Samstagabend vorgelegen habe, seien die vier Bewohner, die durch die Pflegerin betreut wurden, erst am 16. April getestet worden. „Ich bin eigens über Ostern im Heim geblieben, weil ich dachte, das Gesundheitsamt schickt seine Mitarbeiter. Auf Nachfrage sagte man mir, es sei doch Ostern, da arbeite niemand.“ Er habe sich in der Situation schon allein gelassen gefühlt, so Carsten Wohlfarth.

Reihentestungen werden immer noch vermisst

Dass in Einrichtungen wie seiner bislang keine Reihentestungen durchgeführt wurden, „vermisse ich immer noch“, sagt Wohlfarth. „Bei uns weiß wirklich keiner, ob er das Virus schon gehabt hat oder nicht – weil einfach nicht getestet wurde.“ Und eine Gewissheit in diesem Punkt, die könne eigentlich zur Entlastung führen, erklärt Wohlfarth.

Der Einrichtungsleiter kann der Coronakrise aber auch Gutes abgewinnen. Diverse Aktionen – Live-Musik im Innenhof beispielsweise, Angehörige, die sich einen Klappstuhl nahmen, damit in den Innenhof setzten und so zumindest über die Balkone mit den Bewohnern sprechen konnten oder aber die Osterpost, die Voerder an die Bewohner des Seniorenparks geschickt haben (die NRZ berichtete), hätten auch während des harten Lockdowns, wo niemand ohne ärztliche Verordnung die Einrichtung besuchen durfte, für schöne Momente gesorgt. Auch mittels Videochat habe man den Bewohnern Kontakt zur Außenwelt vermittelt.

Eine Erkenntnis aus Corona wird für Carsten Wohlfarth auch über die Krise hinaus bleiben: „Ich werde in dieser Einrichtung nie mehr das Händeschütteln einführen“, sagt er. Denn: Man könne auch ohne Händedruck herzlich begrüßen.

Das schildert eine Einrichtungsleiterin aus Dinslaken

Hände desinfizieren, Kontaktbogen ausfüllen, Fieber messen lassen und erst dann von einem Mitarbeiter zu seinem Angehörigen gebracht werden, der auch nur dann gedrückt werden darf, wenn man einen Mund-Nasenschutz aufhat – auch im Awo-Seniorenzentrum Kurt-Schumacher-Haus in Hiesfeld gehört das derzeit zum Alltag. „Es gibt aktuell schon sehr strenge Regeln, die wir einhalten müssen“, sagt Einrichtungsleiterin Christiane Holstein. Diese bedeuteten auch Aufwand. „Dass wir jedem Besucher die Vorgaben anfangs erklären müssen, nimmt einiges an Zeit in Anspruch und wir können das personell ganz schlecht stemmen“, sagt sie.

Dennoch sei man natürlich froh über die stückweise Öffnung, denn: „Das war ja zeitweise schon irgendwie eine Festung“, sagt Holstein. Ziel während des harten Lockdowns sei deshalb gewesen, „die Lebensfreude zu erhalten“. Im Kurt-Schumacher-Haus hat man beispielsweise das Außengelände dafür genutzt: Hier spielten Musiker, hier gab es Gottesdienste mit Jörg Munkes von der Evangelischen Kirchengemeinde Hiesfeld. Unter anderem.

Während des Lockdowns gab es viele Fensterkontakte

„Und es gab auch ganz viele Fensterkontakte zwischen den Bewohnern und ihren Angehörigen“, erzählt Holstein. Rührige Szenen hätten sich so ein ums andere Mal abgespielt, beispielsweise zwischen Ehepaaren.

„Dann kam der Knall“, sagt Christiane Holstein. „Von jetzt auf gleich sagte die Landesregierung: am Muttertag sind wieder Besuche möglich. Und wir wussten von nichts.“ Trotzdem habe man erneut schnell reagieren können – habe Pavillons mit Spuckschutzen ans Haus gestellt, damit die Besucher zwar draußen aber geschützt bleiben und so zumindest in persönlichen Kontakt mit ihren Angehörigen kommen. „Ich denke da haben wir uns ganz gut was einfallen lassen“, sagt Holstein. Auch mittels Videotelefonie habe man den insgesamt 95 Bewohnern in der gesamten Zeit natürlich Kontakt nach draußen vermittelt. „Und wir haben die Angehörigen, sofern sie es sich gewünscht haben, jede Woche über die aktuelle Situation informiert.“

Trotz einiger Lockerung „ist die Situation derzeit noch sehr weit weg von der Normalität“, sagt Holstein. „Besonders schwierig ist das für die Menschen, die neu bei uns einziehen – sie kommen nur ganz schwer hier an.“ Denn sie müssten anfangs in Quarantäne, hätten da keine Kontakte zu den anderen Bewohnern und da es derzeit auch noch weniger gemeinsame Angebote gebe als vor der Krise, fiele auch diese Möglichkeit weg, um neue Kontakte zu knüpfen.