Voerde. Hans Gutjahr hat für seinen Gastronomiebetrieb in Folge der Pandemie einen Insolvenzantrag gestellt. Ob er nochmal starten wird, ist fraglich.

Die Rollläden an den Fenstern des Saals im Gasthaus Möllen sind runtergezogen, drinnen stehen Stühle umgedreht mit der Sitzfläche auf den Tischen und Hocker auf der Theke. Seit drei Monaten hat Pächter Hans Gutjahr nun schon in Folge der Corona-Pandemie die Türen zu seinem Gastronomiebetrieb geschlossen. Und ob er es sein wird, unter dessen Regie es, einen möglichen Neustart geben wird, ist fraglich. Der 59-Jährige hat angesichts der seiner Aussage nach bis Jahresende zu erwartenden enormen Verluste in unterer sechsstelliger Höhe „die Notbremse“ gezogen und Insolvenz beantragt. Die Prüfung dazu laufe gerade.

Trotz der seit einigen Wochen geltenden Lockerungen auch im Bereich der Gastronomie sieht Hans Gutjahr für seinen Betrieb nach wie vor keine Perspektive. Die seit dem 11. Mai nach fast zwei Monaten coronabedingter Zwangspause eingeräumte Möglichkeit, wieder zu öffnen, hatte der Pächter des Gasthauses Möllen seinerzeit nicht genutzt, weil er seinem Kerngeschäft zu dem Zeitpunkt nicht nachgehen konnte. Und das liegt nicht im Betrieb eines Restaurants, sondern in der Veranstaltungsgastronomie.

Festsaal ist das Herzstück des Gastronomiebetriebs

Der 500 Quadratmeter große Festsaal ist Gutjahrs „Herzstück“ mit Platz für bis zu 250 Gäste bei Familienfestivitäten wie Geburtstagen oder Hochzeiten, Firmenfeiern und mehr. Als zum 11. Mai die erste Lockerung im Gastronomiebereich griff, konnten diese noch nicht stattfinden. Nur den vorderen Teil seines Betriebes mit dem Bereich, wo die Theke steht, zu nutzen, kam für ihn nicht in Frage. Um die geforderten Mindestabstände einhalten zu können, hätte er dort nur insgesamt sieben Tische aufstellen können – der Umsatz hätte den Aufwand nicht gerechtfertigt, argumentierte Gutjahr. Erschwerend kommt hinzu, dass er aufgrund der Lage des Gasthauses „nicht von Laufkundschaft“ lebt.

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Zwar sind inzwischen wieder Feste wie Jubiläen, Hochzeiten, Taufen oder Geburtstage mit höchstens 50 Teilnehmern unter Auflagen – Einhaltung der Hygieneregeln und Erfassung der Personalien der Gäste – wieder erlaubt, doch damit sind für Gutjahr die Probleme ganz und gar nicht gelöst. Der 59-Jährige, der damit weit unter der maximal mögliche Gästezahl im großen Festsaal bliebe, zeigt auf sein fast leeres Auftragsbuch. Vor kurzem erst wurden eine für Ende August und eine für September geplante Hochzeitsfeier abgesagt – ganz zu schweigen von den geplanten Veranstaltungen im März, April und Mai, die damals alle nicht stattfinden durften. Aktuell hat Gutjahr noch eine Buchung im Kalender stehen, eine weitere für eine Geburtstagsfeier, die nachgeholt werden soll, stünde in Aussicht. Doch damit allein lässt sich der Betrieb im weiteren Verlauf des Jahres nicht aufrecht erhalten, wie er deutlicht macht.

Pächter: Andere Branchen haben eine „viel bessere Lobby als die Gastronomie“

Selbst wenn größere Familienfeste unter den vorgeschriebenen Regeln nun wieder möglich sind, müsse es Gäste geben, „die so feiern wollen“, sagt Gutjahr. Er berichtet von der Aussage eines Einladenden, der keine Lust habe, dass seine Gäste beim Verlassen des Tisches Mundschutz tragen müssen. „Solange es keinen adäquaten Impfstoff gegen das Corona-Virus gibt, glaube ich an keine große Zukunft der Event- und Veranstaltungsgastronomie“, konstatiert Hans Gutjahr. Seine Kritik: Andere Zweige wie etwa die Flugbranche hätten „eine viel bessere Lobby als die Gastronomie“.

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Von Michael Turek

Die getroffene Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, sagt Hans Gutjahr. Wenn es allein die Monate März, April, Mai gewesen wären, hätte er es noch einmal versucht – „aber wenn man überhaupt kein Ende sieht...“. Ob und wie es weitergeht, ist offen. Es bleibe abzuwarten, wie die vorläufige Insolvenzverwalterin über den Antrag entscheidet. Er persönlich sehe keine großen Möglichkeiten, stellt Gutjahr mit Hinweis auf die aktuelle Auftragslage fest, die sich seiner Einschätzung nach ohne vorhandenen Impfstoff in naher Zukunft nicht ändern wird. Der Verpächter, mit dem er sämtliche Schritte besprochen habe, werde versuchen, wieder Leben in das Gasthaus zu bekommen.

>> Gastronom über Antwort von NRW-Regierungschef Armin Laschet enttäuscht

Keine Hoffnung kann Gasthaus-Möllen-Pächter Hans Gutjahr auch aus der Antwort von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ziehen, den er gemeinsam mit Martin Mettlach, Betreiber des „Hinz & Kunz“ in Dinslaken, Anfang Mai angeschrieben hatte mit der Frage, wie es für die Eventgastronomie weiter gehen soll. Im Gegenteil: Gutjahr ist von der Reaktion des NRW-Regierungschefs auf den offenen Brief, den er und Mettlach auch an Kanzlerin Angela Merkel gerichtet hatten, enttäuscht. Laschet stellt in seiner Antwort, die nicht einmal zwei Wochen später erfolgte, fest, dass die bisherigen Eindämmungserfolge gegen das Coronavirus es erlaubten, schrittweise von einer Phase der Verbote in ein Stadium der Eigenverantwortung übergehen zu können.

Verantwortungsvolle Normalität schließe für ihn vor diesem Hintergrund ausdrücklich mit ein, Unternehmen in die Lage zu versetzen, „selbst wieder zu wirtschaften, statt auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein“. Diese Aussage lässt Gutjahr ernüchtert zurück. Er sei im Moment aus den besagten Gründen nicht in der Lage, selbst zu wirtschaften. Da kann ihn auch nicht Laschets Hinweis aufbauen, dass der Wirtschafts- und der Finanzminister weiterhin alle Hebel in Bewegung setzen würden, auch seine Branche bestmöglich durch die Corona-Krise zu manövrieren – etwa durch zinslose Steuerstundungen oder die Herabsetzung von Vorauszahlungen.