Dinslaken/Voerde/Hünxe. Digitalisierung sei noch nicht genug fortgeschritten, Schüler könnten abgehängt werden. Diese „Homeschooling“-Erfahrungen haben Schulen gemacht.
„Homeschooling“, also der Schulunterricht von zu Hause aus, hat laut Aussagen von Schulleitern, Schülern und Eltern in Dinslaken, Voerde und Hünxe in den drei Wochen vor den Osterferien größtenteils gut funktioniert (die NRZ berichtete).
Dennoch warnt Hans-Ulrich Wangerin davor, die positiven Erfahrungsberichte als für alle Schüler und Eltern gültig zu sehen und sich darauf auszuruhen. „Es gibt Familien, die völlig abgehängt sind“, berichtet der Schulleiter der Ernst-Barlach-Gesamtschule (EBGS) in Dinslaken von seinen Erfahrungen. „Wir haben ein digitales Prekariat, das nicht vergessen werden darf! Unsere Digitalisierung ist immer noch schlecht aufgestellt, obwohl wir das seit mittlerweile acht Jahren thematisieren“, sagt EBGS-Leiter Wangerin. „Und das rächt sich jetzt.“
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Zwar sei es seinen Kollegen an der EBGS in der zuletzt „sehr hektischen Zeit aus dem Stand heraus gelungen, eine Plattform zu öffnen“, diese habe aber natürlich nur von Schülern genutzt werden können, die zuhause auch über die entsprechende digitale Ausstattung verfügten. „Ich habe von Familien gehört, die eine gute Betreuung gewährleisten konnten und die erforderliche technische Ausstattung haben, um ihren Kindern helfen zu können“, erzählt Wangerin. „Aber eben auch von vielen anderen, dass sie im Grunde die Rolle des Hilfslehrers nicht wahrnehmen und ihr Kind nicht gut unterstützen konnten“, sagt er.
Erkenntnisse aus Homeschooling sollten in politische Diskussionen fließen
Deshalb hofft der EBGS-Leiter nun, dass die Erkenntnisse aus dem coronabedingten Homeschooling schnell Einzug in politische Diskussionen halten. So könne diese Krise auch als Chance begriffen werden, „für eine Arbeit, die viel zu lange liegen geblieben ist“. Übergeordnet wolle der Arbeitskreis der Dinslakener Schulleiter sich bald auf Standards einigen, damit die Digitalisierung nicht zum Standortnachteil für einzelne Schulen werde.
Innerschulisch würden die Arbeitsgemeinschaften für Digitales derzeit „in den aktiven Dialog“ mit Lehrern, Eltern und Schülern treten, um so „die Prozesse gründlich zu reflektieren“ und zu schauen, welche Hard- und Softwares erforderlich seien. „Doch wer wird diese Hard- und Software dann pflegen?“, fragt Wangerin und betont, „dass da viele Stellen dranhängen und auch immense Kosten“.
Aus diesem Grund müsse der Digitalpakt verstetigt werden. Nur mit Unterstützung von Land und Bund könnten die Kommunen und somit auch die Schulen finanzielle Ressourcen für das Einrichten der Hard- und Software vorhalten. Schlussendlich müsse die „Lehr- und Lernmittelfreiheit eigentlich auf digitale Unterrichtsmittel ausgeweitet werden“, fordert Wangerin.
Positive Erfahrungen mit digitalem Lernen
Daniel Tiszay, Schulleiter am Gustav-Heinemann-Gymnasium , hat anders als EBGS-Leiter Wangerin „absolut positive Erkenntnisse“ aus dem „Homeschooling“ gewinnen können. „Ich habe nicht davon gehört, dass es Probleme gab, an die Aufgaben zu kommen. Bei uns scheint die reine Infrastruktur also gegeben zu sein“, sagt er. Vereinzelt hätten Schüler wohl Probleme mit dem Ausdrucken gehabt, das aber habe sich lösen lassen.
„Mein Lichtblick in dieser Krise war, dass ich mich damit auseinandergesetzt habe, Lernvideos für meine Schüler zu erstellen“, erklärt Tiszay. Zuvor habe er es immer vor sich hergeschoben, die Präsentationen mit einer Stimmaufnahme („Voice Over“) zu versehen. „Ich bin also wie von selber zur Digitalisierung getrieben worden“, sagt Tiszay und zieht ein positives Fazit, da „das gut funktioniert hat“.
„Von einer Vielzahl an digitalen Angeboten überrollt worden“
Auch Heike Tuda, Schulleiterin der Realschule im Gustav-Heinemann-Schulzentrum , hat vereinzelte Probleme beim Ausdrucken der Materialien mitbekommen. „Wir haben die Aufgaben dann ausgedruckt in der Schule hinterlegt“, erklärt sie. Einige Schwierigkeiten habe Schülern auch das Bestellen von Büchern bereitet, da der stationäre Handel ja geschlossen und Bestellungen nur auf digitalem Wege möglich gewesen seien.
Tuda berichtet, mit Beginn der Krise „von einer Vielzahl an digitalen Angeboten überrollt worden“ zu sein. Dennoch habe sich die Realschule dagegen entschieden, eines einzukaufen. „Das sind zu weitreichende Kosten, bei denen nicht kurzentschlossen gehandelt werden sollte“, erklärt sie. Man habe stattdessen vor allem über E-Mail und Homepage mit Eltern und Schülern kommuniziert.
Beim Homeschooling am Gymnasium Voerde (GV) haben die Lehrer laut Schulleiter Gerd Kube vor allem über „intensiven Mailaustausch“ und teilweise auch bei Videokonferenzen unterrichtet. Das GV hat seine Erfahrungen bereits etwas ausgewertet. „Herausgekommen ist unter anderem, dass gerade die Oberstufenschüler mit wirklicher Begeisterung an die Aufgaben herangegangen sind“, erzählt Kube. Diese Erfahrung habe das GV so „beflügelt“, dass man die „durchaus legitime Vision“ entwickelt habe, „einige Aufgaben grundsätzlich im Homeoffice bearbeiten zu lassen“, sagt er. „Dafür allerdings sind natürlich die rechtlichen Voraussetzungen überhaupt nicht gegeben.“
Auch Klaus Ginter, Leiter der Gesamtschule Hünxe, bezeichnet das digitale Lernen als „ein Versuchsfeld, das wir definitiv aufgreifen“. Dennoch betont er: „Es wird immer nur eine Ergänzung zum Unterrichtsgespräch sein können.“