Dinslaken. Dinslaken will an den alten jüdischen Friedhof erinnern. Er war an der Stelle des Kreisverkehrs am Rathaus. Es gibt dazu zwei Vorschläge.

Die Inschriften auf den Grabsteinen sind kaum noch zu entziffern. Der Regen hat die eingemeißelten Buchstaben ausgewaschen. Die Grabsteine, die heute auf dem jüdischen Friedhof auf dem Parkfriedhof stehen, sind über hundert, manche mehrere hundert Jahre alt. Sie stammen vom alten jüdischen Friedhof, der ursprünglich an der Stelle des heutigen Kreisverkehrs, dem „Doel“ oder „Doelen“, am Rathaus lag. Die Erinnerung an den alten Friedhof soll lebendig gehalten werden. In welcher Form das geschehen soll, darüber diskutiert der Kultur- und Partnerschaftsausschuss in seiner nächsten Sitzung. Zur Wahl stehen eine Bronzeplastik von Alfred Grimm – oder ein schlichtes Hinweisschild.

Darum wurden die Gräber verlegt

Der Vorschlag geht auf einen Antrag der CDU aus dem vergangenen Jahr zurück: Die Erinnerung an den ursprünglichen Friedhof sei „wichtig, weil damit einmal mehr auf das jüdische Leben in unserer Stadt hingewiesen wird“, hieß es zur Begründung. Der alte Friedhof wurde 1722 eingerichtet. Weil er zu klein wurde und der kleine Hügel dem Verkehr und der Straßenbahn im Weg war, wurde er nach und nach aufgegeben.

Trauernde haben auf dem aktuellen jüdischen Gräberfeld auf dem Parkfriedhof an der B8 Steine auf die Grabsteine gelegt.
Trauernde haben auf dem aktuellen jüdischen Gräberfeld auf dem Parkfriedhof an der B8 Steine auf die Grabsteine gelegt. © NRZ | aha

1927 wurde der kleinere Teil mit Zustimmung der jüdischen Gemeinde an die Stadt Dinslaken verkauft. 1938/39, nach der Reichspogromnacht, wurde der zweite, größere Teil „scheinbar ‘rechtmäßig’ ebenfalls an die Stadt veräußert“, wie eine Informationstafel am Eingang des heutigen Friedhofs erinnert.

Das ist der neue Friedhof

Der neue Friedhof am aktuellen Standort auf dem Parkfriedhof an der B8 wurde 1907 von der Synagogengemeinde eröffnet. Die Verstorbenen wurden vom alten Friedhof am „Doel“ auf den Parkfriedhof umgebettet. Ganz hinten auf dem Gräberfeld finden sich noch heute 60 historische Grabsteine. Einige sind von Moos bedeckt, manche Inschriften erinnern an Menschen, die um 1895 verstorben sind. Dass das Gedenken an die Verstorbenen auch noch lebendig ist, belegen die Steinchen, die Besucher und Angehörige nach traditionellem Brauch auf die Grabsteine gelegt haben. Auch auf die ganz alten.

Insgesamt 138 Grabsteine stehen laut Stadt auf dem kleinen, abgegrenzten Gräberfeld. Sie „erzählen von vier bis fünf Generationen jüdischer Familien in unserer Stadt“, so die Tafel vor dem Eingang. Bekannte Familiennamen stehen auf den Steinen: Angehörige der Cohens, Salmons, Isaacsons haben hier ihre letzte Ruhe gefunden. Bis Ende 1938. Am 13. November 1938 wurde der letzte Verstorbene vor dem Krieg beigesetzt. Kurz nach dem Novemberpogrom, bei dem auch die kleine Leichenhalle auf dem Friedhof abgebrannt wurde. Ihre Grundmauern sind heute noch zu sehen. Die Belegung des Friedhofs endete „mit dem Ende allen jüdischen Lebens in Dinslaken durch Emigration und Deportation“, so die Infotafel. Nur 1957 kam noch ein einzelnes Grab hinzu.

Die alten Grabsteine wurden vom „Doel“ auf den Friedhof an der B8 umgesetzt.
Die alten Grabsteine wurden vom „Doel“ auf den Friedhof an der B8 umgesetzt. © NRZ | aha

Das sind die Varianten

Der Friedhof am „Doel“ lag zum Teil auf dem heutigen Stadtpark-Gelände. Die kleine Rasenfläche neben der Tiefgaragen-Einfahrt gehörte dazu. Wenige Meter weiter mahnt der ebenfalls von Alfred Grimm gestaltete Leiterwagen an die Vertreibung der Kinder des jüdischen Waisenhauses während der Pogrome. Alfred Grimms Entwurf der Bronzeplastik ist ähnlich aufgebaut, wie die vier Mahnsteine (nicht die Stolpersteine, s. Box), die im Stadtgebiet an jüdische Familien erinnern: Auf einem Sockel ist eine Bronzeskulptur verankert, eine Informationstafel ist integriert. Sitzsteine sollen Gelegenheit bieten, sich auszuruhen und die Tafel und Plastik zu studieren. Die Kosten lägen bei etwa 9700 Euro.

Die Alternative ist eine schlichte Gedenktafel, die etwa 1300 Euro kosten würde. Beide Varianten könnten mit einem QR-Code versehen werden, über den weitere Informationen abrufbar sind.

Die Stadt Dinslaken spricht sich für die Künstler-Variante aus. Die endgültige Entscheidung der Politik fällt im Stadtrat am 31. März.

>>Hintergrund

Der Kultur- und Partnerschaftsausschuss tagt am Dienstag, 25. Februar, 17 Uhr, im Ratssaal (Rathaus).

Neben den vier Mahnsteinen von Alfred Grimm erinnern vor allem mehr als 110 Stolpersteine an das Schicksal der Juden in Dinslaken. Ihre Geschichten hat Anne Prior im Buch „Wo die Juden geblieben sind, ist (...) nicht bekannt“ aufgearbeitet. Infos auch auf stolpersteine-dinslaken-ev.de .