Voerde. Die drei Visionen für die Nachnutzung des brach liegenden 60 Hektar großen Industriegeländes in Möllen stießen bei Bürgerversammlung auf Kritik.
Wenn’s doch so einfach wäre, wie der Stadtplaner es an diesem Abend im Gasthaus Möllen per Power-Point-Präsentation zeigt: Mit nur einem Klick lässt er den ausgedienten Industrieriesen von der Bildfläche verschwinden und vom Rheinufer aus eröffnet sich der Blick auf ein freigeräumtes Gelände, auf dem Neues entstehen kann. Dass vor Erreichen dieses Ziels noch viel Wasser den Fluss hinab fließt, wurde bei der gut besuchten Bürgerinfoveranstaltung zur Nachnutzung des Ende März 2017 stillgelegten Kraftwerksgeländes deutlich. Vorgestellt wurden die Ergebnisse der ersten Phase der Machbarkeitsstudie zur Weiterentwicklung der rund 60 Hektar großen Industriebrache.
Drei für die Partner Steag, RWE und Stadt denkbare Modelle
Stadtplaner Marc Lucas Schulten vom Planungsbüro Schulten Stadt- und Raumentwicklung zeigte die drei Nutzungsvisionen für das Gelände auf, die sich alle drei Partner – Steag und RWE als Eigentümer der Fläche sowie die Stadt – vorstellen könnten: Der „RheinCampus Möllen“ würde die Ansiedlung eines Gewerbe- und Wissenschaftsparks beinhalten, wobei ein Gesundheitscampus „mit hochmoderner Protonenklinik“, ein Gewerbe- und Technologiepark, ein Businesspark „mit modernster Büro- und Dateninfrastruktur“ sowie Hotel-, Freizeit- und Wellnessangebote prägende Nutzungen wären.
Die zweite Vision, der „SmartEnergyHub“, sähe die Weiterentwicklung des früheren Kraftwerksgeländes zum „größten Innovationsstandort“ rund um neue Energieproduktion, Energieverbrauch und Energiespeicherung vor. Wie dieses Modell enthält auch das dritte, das „SilkPort Möllen“, ein „emissionsarmer Logistikhub“, keine Angebote im Tourismus- oder Freizeitbereich. Bei dieser Variante würden an dem Standort Rohwaren veredelt, Industriebauteile gedruckt und neue Rohstoffe durch Recycling gewonnen. Führt man Bestandteile der drei Visionen zusammen, mündet dies in dem Prüfmodell „EnLog Möllen“. Prägende Nutzungen wären etwa die Energieproduktion und -wandlung durch ein Gaskraftwerk, Photovoltaik, Kälte, Wärme etc., Energiespeicherung, aber auch Klinik, Hotel und Wellness.
Die Reaktionen der Zuhörer auf die vorgestellten Visionen waren insgesamt eher kritisch: Henning Kapp, wie er selbst sagt, Möllener, der heute in Holthausen lebt, äußerte sich „einigermaßen entsetzt“ über das, was da präsentiert wurde. Alle seien interessiert daran, an dem Standort „Wohnen“ umzusetzen, doch außer temporärem Wohnen (Stichwort Hotel) sei dazu in den Modellen nichts zu finden. Mit der Kritik stand Kapp, der bei der Stadt den Fachbereich Bürgerservice, Allgemeine Ordnung leitet, nicht allein. Dieter Spelleken, Vorsitzender des BSV Möllen, forderte, „das Thema Wohnen in einem größeren Maße zwingend mit einzubringen“.
Mit Hinweis auf eine hohe Zahl an Auspendlern erinnerte Bürgermeister Dirk Haarmann an den auch zu erfüllenden Auftrag, in Voerde für Beschäftigung zu sorgen. Man wolle in verschiedenen Bereichen Wohnen ermöglichen. Allerdings gibt es da Haarmann zufolge angesichts der in den vergangenen Jahren rückläufigen Bevölkerungsentwicklung Grenzen, was die Schaffung neuen Wohnraums in sehr großem Ausmaß betrifft. Dies wiederum gehe nur mit der Schaffung von Arbeitsplätzen, durch die es dann zu Zuzügen in höherer Zahl kommen könnte.
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Stadtplaner Schulten erinnerte daran, dass das alte Kraftwerksareal als Kooperationsstandort für große Gewerbe- und Industrieansiedlungen angemeldet wurde. Als solcher steht das Grundstück mit 23 weiteren im Entwurf zum neuen Regionalplan, dessen Verfahren sich, wie berichtet, um mehrere Jahre verzögert. Die Kooperationsstandorte sollen vor Inkrafttreten des neuen Regionalplans vorab planungsrechtlich gesichert werden, schlägt der Regionalverband Ruhr vor. Insofern hofft Bürgermeister Haarmann, dass bei der Kraftwerksnachnutzung weiter geplant werden kann.
Rückbau der Industrieanlagen durch Investor als Option
Auch der Rückbau der Industrieanlagen kam zur Sprache: Dr. Thomas Becker, Geschäftsführer der Steag-Kraftwerks-Grundstücksgesellschaft, erklärte, das Unternehmen habe beim ebenfalls stillgelegten Kraftwerkstandort in Lünen die Erfahrung gemacht, dass es Interessenten gibt, die bereit wären, das Areal komplett zu übernehmen, die Bauten abzureißen, die Fläche zu erschließen und zu entwickeln. „Wir könnten uns vorstellen, dass das in Voerde ähnlich läuft.“ Dafür aber, betonte er die Notwendigkeit, denkbare Nutzungen aufzuzeigen, „brauchen wir Leitplanken“. Es gelte, sich nicht zu verzetteln. Der Prozess ließe sich beschleunigen, je eher öffentlicher Konsens erzielt sei und man mit einem Konzept losmarschiere.