Dinslaken. Händler in Dinslaken haben sich mehrheitlich gegen After-Christmas-Shopping am Sonntag ausgesprochen. Darum schlägt die Stadt es trotzdem vor.

In der Händlerschaft in Dinslaken regt sich Widerstand gegen den geplanten verkaufsoffenen Sonntag nach Weihnachten im kommenden Jahr. Die Stadtverwaltung hat im Sommer eine Umfrage unter den Händlern in der Innenstadt durchgeführt. Ergebnis: Die Mehrheit der befragten Geschäfte lehnten den After-Christmas-Shopping-Termin am Sonntag, 27. Dezember 2020, direkt nach dem zweiten Weihnachtsfeiertag ab. Trotzdem hat die Verwaltung der Politik diesen verkaufsoffenen Sonntag nun vorgeschlagen.

Das besagt die Umfrage

Der After Christmas-Shopping- Termin zähle „mit einer sehr hohen Nachfrage zu den auch wirtschaftlich stärksten verkaufsoffenen Sonntagen in Dinslaken“, schrieb die Stadtverwaltung einleitend zu der Umfrage unter den Händlern. Der Termin trage daher „zur Bewahrung und Stärkung der gewachsenen Einzelhandelsstruktur“ bei, außerdem fördere er die Belebung der Innenstadt und leiste „somit einen Beitrag zur langfristigen Positionierung der Dinslakener Innenstadt.“

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58 Händler aus der Innenstadt und der Neutor-Galerie haben sich an der Umfrage beteiligt, 54 Prozent lehnten den verkaufsoffenen Sonntag nach Weihnachten ab. Dennoch hat dieser verkaufsoffene Sonntag Eingang in die Beschlussvorlage für die Politik gefunden. „Nach Auskunft der ansässigen Einzelhändler“ stelle dieser verkaufsoffene Sonntag „den frequenz- und umsatzstärksten Termin im Jahr dar“, heißt es in der Vorlage. „Vor dem Hintergrund der angespannten wirtschaftlichen Lage vieler stationärer Einzelhändler“ sei die erneute Durchführung des After-Christmas-Shoppings „eine große Chance für die lokalen Geschäftsleute“.

Das steht im offenen Brief

Eine der Geschäftsfrauen wandte sich nun in einem offenen Brief an die Dinslakener Parteien. Laura Böninger, die vor drei Jahren das Dekogeschäft „La Chambre Belle“ in der Innenstadt eröffnet hat, bezieht sich in dem Schreiben auf die Ergebnisse der Umfrage. Dass der verkaufsoffene Sonntag nun doch eingeplant werde, „stößt daher bei vielen Geschäftsleuten und mir auf Unverständnis“.

Die verkaufsoffenen Sonntage stellen „nur eine zeitliche Verschiebung des Kaufverhaltens dar. Die Sonntage generieren keine zusätzlichen Umsätze, sondern im Gegenteil sind sogar aus ökonomischer Sicht gewinnmindernd, da die Personalkosten an diesen Tagen höher sind“, so Laura Böninger. Zudem würden die Kunden an verkaufsoffenen Sonntagen spezielle Angebote und Rabatte verlangen.

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Der After Christmas-Termin „lohnt sich für viele Geschäftsleute nicht“, so Laura Böninger. Nach Weihnachten sei die Hauptverkaufszeit vorbei und es werde großteils nur Ware umgetauscht oder Gutscheine eingelöst. „Dies stellt aber keinen Umsatz und erst recht keinen Gewinn dar.“ Viele Menschen kämen an diesem Tag nur zum Bummeln in die Innenstadt oder aber zum Essen und Trinken, „aber nicht um einzukaufen.“ Insofern gewinne man die Internetkäufer mit diesen Tagen nicht – eine Position, die die Werbegemeinschaft und auch die städtische Wirtschaftsförderung vertreten.

Unterschiedliche Ansichten in der Händlerschaft

Überhaupt offenbart der Brief Differenzen innerhalb der Händlerschaft als auch zwischen Händlern und Stadtverwaltung. Vor zwei Jahren haben zehn Händler der Neustraße eine eigene Projektgruppe gegründet. „Wir mussten leider die Erfahrung machen, dass die Stadt Dinslaken sich nur bedingt um die Probleme und Bedürfnisse der Einzelhändler kümmert und viele strukturelle Probleme ignoriert“, so Laura Böninger. Mindestens beim Thema verkaufsoffene Sonntage liegen die Meinungen der Projektgruppe und der anderen Händler auseinander. „Trotz Beteiligung der Neutorgalerie und der Werbegemeinschaft, die für den Termin gestimmt haben, wurde eine Mehrheit gegen den Termin erzielt“ so Laura Böninger.

Sie führt zudem den Gesundheitsschutz für Händler und Mitarbeiter an. Im kommenden Jahr werde den Geschäftsleiten und Angestellten an durch verkaufsoffene Sonntage an zwei Terminen – 4. Oktober (Apfelfest) und 27. Dezember – „die Chance auf ein langes Wochenende beziehungsweise normale Weihnachten genommen.“ Die Beschäftigen im Einzelhandel würden vor allem von Feiertagen, die auf Samstage fallen, profitieren, weil sie dann einmal zwei Tage am Stück frei hätten. „Die mangelnde Bereitschaft diese Sonntage zu opfern hat nichts mit Faulheit zu tun, sondern mit Selbstschutz und dienen der eigenen Regeneration“, so Laura Böninger. Sie bittet daher die Politik, sich noch einmal mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Das sagt die Stadtverwaltung

Die Entscheidung für den verkaufsoffenen Sonntag nach Weihnachten habe die AG Einzelhandel in ihrer Oktober-Sitzung getroffen, so die Stadt. In der AG sind auch der Einzelhandelsverband, der Stadtmarketing-Verein, die Werbegemeinschaft sowie Einzelhändlern von Neutor, Neustraße, Altstadt und Neutor-Galerie vertreten. An der Umfrage hätte sich etwa ein Drittel der Geschäfte beteiligt. Die AG habe sich „in Anbetracht des knappen Umfrageergebnisses entschieden, dass der Sonntag nach statt vor Weihnachten der verkaufsoffene Sonntag sein soll, weil er das frequenz- und umsatzstärkste Potenzial bietet“, so Stadtsprecher Marcel Sturm auf Nachfrage der NRZ.

In der Vorweihnachtszeit sei der Umsatz „ohnehin stark erhöht und es werden mit verlängerten Öffnungszeiten an den Adventssamstagen zudem erweiterte Einkaufsmöglichkeiten in der Innenstadt angeboten.“ Durch viele verkaufsoffene Sonntagen in der Region sei in der Vorweihnachtszeit „ein starker Wettbewerb vorhanden“. Der Termin nach Weihnachten stelle einen Wettbewerbsvorteil dar und komme „dem veränderten Kundenverhalten entgegen, Geldgeschenke und Gutscheine direkt nach Weihnachten einzulösen“. Zudem hätten viele Kunden Urlaub und somit Zeit für einen Stadtbummel in der Stadt.

Deswegen habe sich die AG „für den wirtschaftlich stärkeren Termin ausgesprochen, um für eine Belebung der Innenstadt und für eine Stärkung der Geschäfte in der Innenstadt einzutreten.“

Das sagt die Politik

Die SPD hatte im vergangenen Jahr gegen einen solchen verkaufsoffenen Sonntag nach dem diesjährigen Weihnachtsfest gestimmt weil bereits am 15. Dezember die Läden öffnen. Weil dieser Adventstermin für 2020 gestrichen wurde, wollen die Sozialdemokraten nun zustimmen.

So sah die Neustraße beim After-Christmas-Shopping 2018 aus.
So sah die Neustraße beim After-Christmas-Shopping 2018 aus. © FFS FUNKE Foto Services | Gerd Hermann

Die CDU hat die Frage noch nicht intern diskutiert. Gemeinhin stimmen die Fraktionsmitglieder beim Thema offene Sonntage nach persönlichem Gewissen und ohne Fraktionsvorgaben ab, weil einige kirchlich oder gewerkschaftlich eingebunden seien, so Fraktionsvorsitzender Heinz Wansing. Speziell für die Neutor-Galerie sei der Sonntag nach Weihnachten der umsatzstärkste Tag des Jahres gewesen, entsprechende Zahlen seien ihm vorgelegt worden. „Diese Chance möchte ich den Händlern nicht nehmen“, so seine persönliche Einstellung. Die Umfrageergebnisse seien zudem nicht so eindeutig, dass man von einer überwiegenden Mehrheit sprechen könne, die dagegen sei. „Und es wird ja auch niemand gezwungen, zu öffnen,“ so Wansing. Ketten würden sich ja häufig auch nicht beteiligen.

Die UBV ist „mehr als erstaunt“ über die Vorgehensweise der Verwaltung, „die in Absprache nur mit der CDU und SPD das Ergebnis der Umfrage ignorierte und grünes Licht für diesen verkaufsoffenen Sonntag gab“. Die übrigen, kleinen Ratsfraktionen seien nicht beteiligt worden. Im Gespräch mit Laura Böninger habe die UBV erfahren, dass „das beste Umsatzergebnis durch einen verkaufsoffenen Sonntag in der Adventszeit zu erzielen“ sei: „Die Menschen schauen nach Weihnachtsgeschenken und haben an diesem Tag auch Zeit und Muße dazu.“ Die UBV trage zwar verkaufsoffene Sonntage, die „in Abstimmung mit allen Betroffenen stattfinden“ mit, die Sonntage am 4. Oktober und 27. Dezember 2020 aber nicht, weil „das Verkaufspersonal um ein verlängertes Wochenende betrogen wird.“

Die Linke ist generell gegen verkaufsoffene Sonntage – nicht nur nach Weihnachten. „Der Sonntag gehört der Familie,“ begründet Linke-Fraktionsvorsitzender Gerd Baßfeld. Seine Partei setze sich dabei für die Arbeitnehmerbelange ein, die verkaufsoffenen Sonntage träfen zudem häufig Frauen. Außerdem bezweifelt Baßfeld, dass am Sonntag nach Weihnachten tatsächlich so große Umsätze gemacht würden – viele würden nur Gutscheine einlösen oder umtauschen. Dem Internethandel tue das keinen Abbruch, so Baßfeld