Bochum. Ein Debüt, ein Comeback, ein Sieg - der VfL Bochum hat beim 3:1 gegen RW Essen Licht und Schatten gezeigt. Trainer Zeidler war erleichtert - fünf Aspekte zum Test.
Als Philipp Hofmann den Ball in der 64. Minute versenkte zum 2:1 für den VfL Bochum, ballte der gewohnt aktive Peter Zeidler die Fäuste, jubelte laut, drehte sich um sich, als suche er jemand zum Abklatschen in seiner sonnigen Coaching Zone. Dem Trainer des VfL war die Erleichterung anzumerken, dass sich der Bundesligist nicht blamierte gegen den Drittligisten RW Essen. Dass er nach drei Pflichtspielniederlagen in Folge ohne eigenen Treffer ein - wenn auch kleines - Erfolgserlebnis feierte mit dem 3:1-Erfolg.
„Wir wollten unbedingt gewinnen“, sagte Zeidler auf dem Rasen des weitgehend leeren Ruhrstadions - Fans waren ja aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen - hinterher im kleinen Journalistenkreis. Er schränkte aber auch ein: „Es war ein sehr interessantes Testspiel, aber es war jetzt nicht grandios. Der Sieg freut uns, wir haben das gebraucht. Aber es gibt noch viel zu verbessern.“
Viele Stammspieler bei Bochum und Essen zu Beginn
Dabei setzte der VfL-Coach ebenso wie RW Essens Trainer Christoph Dabrowski, einst Kapitän des VfL, weitgehend auf den verfügbaren Stamm in der Startelf. Essen wechselte zur Pause zehn Spieler, Bochum dann im Verlauf des Spiels sogar alle elf Spieler aus. Ein Testspiel eben. Und: „Wir kommen aus dem vollen Training, das war sehr intensiv, da haben wir keine Rücksicht auf das Spiel genommen“, erklärte Zeidler - wohl sehend, dass dem einen oder anderen Etablierten die Frische fehlte. Den Außenverteidigern Maxi Wittek und Felix Passlack etwa, die bisher immer durchspielten, die beide einen eher gebrauchten Tag erwischten. Dennoch brachte die Partie einige Erkenntnisse.
1: Das Pressing funktioniert nur phasenweise
RWE verstand es in der ersten Halbzeit zu Beginn und am Ende blendend, die erste Linie des im ersten Durchgang in der Raute formierten VfL zu überspielen - und kam zu mehreren Chancen und zum 1:1 durch Mehmet Arslan. Der VfL bot viele Räume, stand nicht kompakt, war zu weit weg von den Gegenspielern. „Wir mussten ein paar Mal hinterherlaufen“, sagte Zeidler und sah das sowohl selbstkritisch als auch als Lob für die Spielart von RWE.
Umgekehrt gilt: In der stärksten VfL-Phase, etwa zwischen Minute zehn und 30, „haben wir uns durch das intensive Pressing vier hochkarätige Chancen erarbeitet“, so Zeidler. Passlack, Dani de Wit, die erneut schwachen Moritz Broschinski und Lukas Daschner vergaben sie.
Sonderlob von Bochums Zeidler für de Wit
Wichtig sei, dass man es immer wieder versuche, nicht an sich zweifle, betonte der Trainer. Wie Dani de Wit. „Chapeau“, so der Coach, dass der Niederländer auch „nach fünf gescheiterten Anläufen den sechsten“ nimmt. De Wit feuerte seine Kollegen auch immer wieder lautstark zum Pressing an und zeigte erneut, dass er bereits jetzt ein absoluter Führungsspieler des VfL ist.
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Erst ab der 60. Minute hatte der VfL letztlich die klare Dominanz eines Zweiklassen-Unterschieds gewonnen. Von Essen kam gar keine Entlastung mehr. „Da haben wir es gut gemacht“, meinte Zeidler, wollte die Phase aber angesichts des nun deutlich schwächeren, auch müderen Gegners auf keinen Fall „überbewerten“.
2: Stürmerfrage und Abschluss: VfL vergibt viele Chancen
Mindestens ein Dutzend guter Möglichkeiten gab es für den VfL - der Abschluss bleibt ein Problem. Andererseits „bin ich froh, dass wir uns anders als gegen Mönchengladbach viele Chancen herausgespielt haben“, meinte der Trainer. Auch Torschütze Philipp Hofmann vergab noch mehrere Möglichkeiten. Hofmann spielte im zweiten Durchgang als Stoßstürmer im 4-3-3, tankte mit seinem Treffer Selbstvertrauen.
Die Doppelspitze im A-Team bildeten Moritz Broschinski und Myron Boadu - von seiner Form der Vorbereitung war Broschinski erneut weit entfernt. Boadu sammelte Spielpraxis, traf sehenswert zum 1:0, hatte einige gute Antritte und Dribbling, aber auch weniger gute Aktionen - auch defensiv. Nach rund 60 Minuten war der Akku leer. „Er kann den Untershied machen. Wir werden ihn Schritt für Schritt an den höheren Rhythmus gewöhnen, dass er länger spielen kann“, meinte Zeidler - in Freiburg womöglich mit Hofmann an seiner Seite.
3: Debütant Miyoshi kann die Offensive beleben
Der von Birmingham City auf den letzten Transferdrücker geholte Koji Miyoshi, der erst seit Montag mit der Mannschaft trainiert, wirkte belebend für die Offensive des VfL. Er spielte direkt und sicher, schickte als Achter im linken Mittelfeld gerne Myron Boadu in die Tiefe, scheiterte selbst allerdings im Abschluss kurz vor der Pause. Und hatte einen Ballverlust, der fast zum 1:2 geführt hätte. „Er hat zwei, drei Mal den Ball leicht verloren, aber sein Können ein paar Mal aufblitzen lassen“, sagte Zeidler und erwähnte seinen „knallharten Pass und dass er in die Tiefe spielen kann.“
Dass ihm der Ball am Fuß klebe, so Zeidler in Siegerlaune, erinnere „ein bisschen an Dariusz Wosz“. 60 Minuten spielte der Japaner, eine weitere Trainingswoche werde ihm guttun. Möglich, dass er bereits in Freiburg kommende Woche Samstag zum Kader des VfL zählt - oder sogar zur Startelf.
4: Das Comeback: „Riesenschritt“ für Kwarteng
Moritz-Broni Kwarteng lachte viel nach dem Schlusspfiff, schüttelte Hände, entschuldigte sich beim Journalisten dafür, dass er (noch) kein Interview geben wolle. Zu lange fehlte er, sechs Monate hat er kein Spiel bestritten nach seiner komplizierten Verletzung. Er will erst Leistung zeigen, dann öffentlich sprechen.
Kwarteng kam als linker Flügelspieler in die Partie und in seiner halben Stunde von Minute zu Minute besser rein. Der gefühlte Neuzugang setzte mit einem starken Pass nach außen und einem 17-Meter-Kracher an die Latte Zeichen, hatte allerdings auch noch einige Fehlpässe im Repertoire. Mit seinem ersten Spiel, sagte Zeidler, habe Kwarteng nun „einen Riesenschritt gemacht“. Er sei auch einer der „Künstler“ im Team, wovon der VfL einige hat. Aliou Balde etwa zählt auch dazu, der derzeit auf Länderspielreise ist. Und Samuel Bamba.
5: Samuel Bamba ist gegen RWE der Matchwinner
Der Ex-Dortmuner machte letztlich den Unterschied. Auf der linken Seite im 4-3-3, das Zeidler im zweiten Durchgang spielen ließ, wirbelte er immer wieder Essens Eric Voufack und seine Kollegen durcheinander, überzeugte mit selbstbewussten Dribblings, hatte Abschlüsse - und bereitete beide Treffer vor. Der 20-Jährige hat nach schleppendem Vorbereitungsstart aufgeholt, empfahl sich für mehr Spielzeit.
Was einmal mehr auch für Mats Pannewig galt, einem weiteren Gewinner des Tests. Gemeinsam mit Bamba aufs Feld gekommen, erzielte der 19-Jährige das 3:1 und spielte sowohl zentral wie am Ende auch als Innenverteidiger äußerst souverän und ballsicher.
Zeidler betont: Alle Spieler haben individuelles Trainingsprogramm
Das nächste Training ist nun am Montag, am Samstag darauf geht es in Freiburg um Ligapunkte. Seine Spieler sollen einmal durchatmen, Kraft schöpfen bei ihren Familien, viele reisen in ihre Heimatländer wie Ibrahima Sissoko, wie Dani de Wit. „Das ist wichtig für den Kopf“, so der Trainer. Allerdings, das betonte Zeidler mehrmals, haben die Profis keine drei Tage frei: Alle Spieler, so Zeidler, haben für Freitag und Samstag ein individuelles Kraft- und Laufprogramm mit auf den Weg bekommen. Zeidler: „Heute kann man das wunderbar kontrollieren.“
Die Fakten: So spielte der VfL gegen RW Essen
Drewes (46. Horn) – Passlack (46. Gamboa), Masovic (70. Jahn), Medic (46. Loosli), Wittek (70. Holtmann) – Sissoko (46. Losilla) – de Wit (79. Koerdt), Miyoshi (60. Pannewig) – Daschner (46. Kwarteng) – Boadu (60. Bamba), Broschinski (46. Hofmann)
Tore: 1:0 Boadu (21.), 1:1 Arslan (35.), 2:1 Hofmann (64.), 3:1 Pannewig (69.)
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