Gais/Südtirol. Die Klubchefs des VfL Bochum, Villis und Tigges, äußern sich über Kaenzig und Lettau, das enge Budget, den Transferstand und ob ein Investor nötig ist.
Doppel-Interview mit der Doppel-Spitze: Das Präsidium des VfL Bochum hat beim Tainingslager in Gais Weichen für die Zukunft gestellt. Hans-Peter Villis ist seit 2012 Vereinschef, Uwe Tigges seit 2014 im Aufsichtsrat. Seit der Ausgliederung der Profiabteilung ist Villis Vorsitzender des Präsidiums im Verein und Aufsichtsratschef der Kapitalgesellschaft auf Aktien (KGaA), Tigges ist sein Stellvertreter. Die VfL-Spitze äußert sich im Interview zur neuen Struktur, zu Kaenzig und Lettau, Kaderbudget und Investoren.
Alle sechs Mitglieder des Präsidiums waren mehrere Tage gemeinsam in Gais, es gab etliche Sitzungen. Wo brennt es denn?
Hans-Peter Villis: Gar nicht, im Gegenteil. Die Fans, viele Sponsoren, die Mitarbeiter, die Mannschaft sind hier, deswegen kombinieren wir das Angenehme mit dem Nützlichen, um hier viele Dinge zu diskutieren. Wir haben sehr viele Themen zu bearbeiten, hatten intensive lange Gespräche. In so einer schönen Umgebung wie hier in Südtirol macht es natürlich umso mehr Spaß.
Uwe Tigges: Man muss eine Trennung machen zwischen der Kapitalgesellschaft für den Profifußball, in dem wir Aufsichtsrat sind, und dem eingetragenen Verein. Im Verein sind wir Vorstand und Präsidium. Das Nachwuchsleistungszentrum, die U21, die Stadion-Modernisierung, der NLZ-Umbau, die Frauenabteilung – das sind alles Bereiche mit Themen, die wir im e.V. vorantreiben müssen, auch wenn die Themen dann in den Händen von Geschäftsführer Ilja Kaenzig und seinem Team mit den Direktoren landen. Wir hatten daher zum einen Sitzungen als Vereinsvorstand und zum anderen als Aufsichtsrat mit Geschäftsführer Ilja Kaenzig.
VfL Bochums Kaenzig ist der „Garant“ für die Weiterentwicklung
Sie haben die Struktur geändert: Ilja Kaenzig (51) war seit 2018 Geschäftsführer mit Schwerpunkt Finanzen beim VfL, jetzt ist er alleiniger Geschäftsführer und damit auch für den Sportbereich verantwortlich, nachdem Patrick Fabian als Geschäftsführer Sport zurückgetreten ist. Sein neuer Vertrag gilt bis 2029. Ein klares Bekenntnis.
Tigges: Da gab es keine zwei Meinungen. Er ist unser Garant, dass wir dauerhaft eine Weiterentwicklung im Verein haben. Das hat er bewiesen, und das unabhängig der Schwankungen im Sport, die es immer wieder gab und immer wieder geben wird. Das ist uns wichtig.
Villis: Er macht einen guten Job! Er strahlt stets Ruhe aus, auch wenn es hektisch wird wie am Ende der vergangenen Saison. Alle Mitarbeiter merken das. Er hat den Verein federführend super weiterentwickelt, und er hat eben auch noch eine Expertise im Bereich Sport.
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Keine Silo-Mentalität beim VfL Bochum - Direktoren gestärkt
Kann er das alles allein schaffen?
Villis: Ilja ist jetzt der Primus inter pares. Aber wir haben darunter eine breit aufgestellte Geschäftsleitung, das ist ein Team. Wir wollen keine Mentalität, in Silos zu denken – das ist die Botschaft.
Tigges: Deshalb ist geplant, die Ebene unter Ilja Kaenzig mit den Geschäftsleitern und Direktoren wie bisher etwa für Marketing, Sport, Organisation oder Finanzen zu erweitern und deren Kompetenzen deutlich zu stärken. Wir glauben, dass unser Verein anders geführt wird als viele andere Profivereine. Wir tun gut daran, wenn alle Einheiten im Verein sehr eng zusammen sind, es ein starkes Miteinander gibt. Wir sind überzeugt, dass wir das mit ihm und den gestärkten Ebenen darunter hinbekommen.
Aber Kaenzig ist der Boss mit viel Macht. Birgt das auch eine Gefahr für den VfL Bochum?
Villis: Nein. Es geht immer ums Team. Die Expertise liegt bei allen Direktoren und ihren Mitarbeitern in den jeweiligen Abteilungen. Dazu muss es eine koordinierende Stelle geben, die alles führt und lenkt, an den die Berichte gehen – und das ist Ilja Kaenzig.
Präsidium teilt Arbeit in Gruppen für Projekte in Gruppen auf
Gibt es noch eine Unterstützung für Marc Lettau im Bereich Sport, etwa einen technischen Direktor an seiner Seite?
Villis: Nein. Wir haben das diskutiert. Aber wir arbeiten so weiter. Wir sind überzeugt, dass Ilja Kaenzig und Marc Lettau das in dieser Konstellation schaffen. Wir werden es aber genau beobachten. Das ist unsere Aufgabe.
Welchen Einfluss hat das Präsidium in der neuen Struktur?
Villis: Den gleichen wie früher. Wir kommunizieren vielleicht noch ein bisschen intensiver – mit der Geschäftsführung, aber auch den Mitgliedern. Wir verteilen unter uns im Präsidium Aufgaben je nach Kompetenz. Wir haben drei Paten für die Entwicklung des Frauenfußballs, vier für die Stadion-Modernisierung, Leute für den NLZ-Umbau oder die Investorensuche, die Ilja und unsere Direktoren in diesen Bereichen unterstützen.
VfL-Vorstand Tigges zum Budget: „Machen nichts Verrücktes“
Tigges: Und In der Kapitalgesellschaft sind wir eben Aufsichtsrat, also Aufsicht und Rat. Es gibt einen Berührungspunkt im Lizenzspielerbereich. Da haben wir schon vor zwei Jahren eine Transferkommission gebildet mit Hans-Peter Villis, Martin Volpers, Jupp Tenhagen und mir. Das Geschäft ist heutzutage so schnelllebig, dass nicht jeder Zwischenbericht vom Sportdirektor und Ilja an das gesamte Gremium gehen kann. Bei einer Entscheidung muss dann aber natürlich das ganze Präsidium zustimmen.
Villis: In der KGaA gibt es für den Aufsichtsrat weiterhin zustimmungspflichtige Geschäfte, da gibt es klare Linien. Damit sind wir immer sehr gut gefahren.
Tigges: Wir geben das Budget. Und dabei müssen wir immer weiterdenken an die Folgejahre. Deshalb ist für uns ganz klar: Wir machen nichts Verrücktes.
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Gesamtbudget wird nicht erhöht - Transfererlöse fließen in Kader
Der Kader ist längst nicht komplett, viele Fans machen sich Sorgen. Geht der VfL doch noch etwas ins Risiko, erhöht das Budget? Das liegt bei rund 41 Millionen Euro auf Vorjahresniveau, einige Mittel stehen aber de facto nicht zur Verfügung, weil etwa der sportlich aussortierte Manuel Riemann und Ex-Trainer Thomas Letsch weiterbezahlt werden müssen.
Villis: Nein, wir haben das Gesamtbudget klar definiert. Dennoch gibt es Möglichkeiten. Wenn es Transfererlöse gibt oder durch Leihen Gehälter eingespart werden, wie jetzt bei Niclas Thiede, legen wir das Geld nicht beiseite, sondern reinvestieren es sofort in den Kader.
Tigges: Im Vorjahr sind wir bereits ins Risiko gegangen, das können wir nicht noch einmal machen. Wir wissen zum Beispiel nicht, wieviel TV-Geld es ab 2025/26 künftig gibt.
Villis: In der vergangenen Saison haben wir ein negatives Ergebnis erzielt, da sind wir all-in gegangen. Wir müssen aufpassen, dass das Eigenkapital nicht aufgefressen wird. Ich habe eine Zeit miterlebt, als Punktabzüge drohten, wenn wir das Eigenkapital nicht verbessern. Das schwingt zumindest in meinem Kopf mit.
Tigges: Das Gremium ist gut beraten, nicht nur eine Saison weiterzudenken.
Villis stärkt Sportdirektor Lettau: Macht guten Job
Wenn der VfL also keine Transfererlöse erzielt oder Gehälter durch Leihen einspart, steigt das Transferbudget definitiv nicht?
Villis: Nein. Aber wir haben noch Platz.
Wieviel?
Tigges: Wie gesagt: Es steht mehr Geld für Zugänge zur Verfügung, wenn wir Spieler abgeben oder auch die erste Pokalrunde überstehen.
Tigges: Jetzt kommen Spieler auf den Markt, die Bochum helfen
Das heißt, dass die Kaderplanung bis zum letzten Transfertag am 30. August fluide bleibt?
Villis: Ein paar Entscheidungen werden möglichst schnell umgesetzt, in beide Richtungen. Wie jetzt nach dem Abgang von Thiede mit der Verpflichtung von Timo Horn. Marc Lettau macht einen guten Job, hat gute Kontakte, kennt das Geschäft. Er sagt auch immer, wir müssen Ruhe bewahren. Wir unterstützen ihn dabei.
Tigges: Jetzt kommen erst die Spieler auf den Markt, die bei den ganz großen Klubs im Trainingslager mitkriegen, dass sie nicht zum Stammpersonal gehören werden. Das sind aber Spieler, die uns sofort weiterhelfen können. Solche Spieler suchen wir. Aber damit sind wir leider nicht allein auf dem Markt, bei vielen Klubs ist bisher wenig Bewegung drin gewesen. Ich sehe bei uns viele gute Talente, die uns aber vielleicht in dieser Saison noch nicht direkt weiterhelfen. Deshalb ist es möglich, dass noch Spieler ausgeliehen werden.
Villis: Die Entscheidung liegt bei der sportlichen Führung. Aber jeder Spieler muss in unser Budget und zu unserer Spielphilosophie passen.
Villis: Werden bundesligataugliche Mannchaft zusammenstellen
Marc Lettau kriegt viel Kritik ab in den sozialen Medien – vom Verein aber 100 Prozent Unterstützung?
Villis: Wie gesagt: Er macht einen guten Job. Wir sind vollumfänglich informiert. Immer und laufend. Wir haben keinen Zweifel daran, dass wir es hinbekommen, eine bundesligataugliche Mannschaft zusammenzustellen.
Tigges: Zudem gibt es mit dem jetzigen Trainerteam eine gute Kommunikation und Abstimmung. Das stimmt uns optimistisch. Der VfL lebt vom Kaderwert-Management. Wenn wir in den nächsten Jahren keine Transfererlöse erzielen, wird es schwierig. Es bringt uns perspektivisch nichts, jetzt fünf Leihen zu machen oder fünf U30-Spieler zu holen. Wir müssen immer einen guten Mix finden.
Gilt der Kaderplan 18 + 6 sowie drei Torhüter noch, also 18 Spieler mit Stammplatzpotenzial und sechs Perspektivspieler?
Villis: Darauf lassen wir uns nicht mehr festnageln. Wir haben gesagt, dass wir am Kader noch etwas tun müssen, uns weiter aus dem Fenster lehnen. Das kriegen wir auch hin.
Investoren-Einstieg beim VfL Bochum? „Wir wachsen organisch“
Mehr Geld würde ein Investor bringen. Der wird seit Jahren gesucht.
Villis: Wir haben ganz klar definiert, welche Art von Investor wir suchen. Wir sind immer noch in intensiven Gesprächen, aber wir haben leider bis dato noch nicht den richtigen Investor gefunden, der uns Geld gibt, ohne dass wir erdrückt werden und der Investor einen größeren Einfluss hat. Aber auch hier sind wir guter Dinge, noch den richtigen zu finden.
Der VfL wächst in vielen Bereichen, von den Mitgliedern bis zum Trikotverkauf gibt es immer wieder Rekordzahlen. Ist das der Schlüssel für eine längerfristig gesicherte Zukunft?
Villis: Wir wachsen von innen heraus. Wir verfolgen unsere 100-plus-Initiative konsequent weiter. Wir haben uns jetzt im operativen Bereich, nicht fremdfinanziert von außen, weiter gesteigert. Wir wachsen organisch. Das hilft uns, ruhig zu bleiben. Wir müssen nicht unbedingt 40 oder 50 Millionen auf einmal einsammeln. Alle Initiativen, die 100plus unterstützen, die funktionieren. Im Merchandising, bei den Sponsoren - 95 Prozent sind an Bord geblieben – bei der Vermarktung, bei der Reichweite, überall sind wir besser geworden. Wir werden noch zusätzliche VIP-Plätze generieren, indem wir den Bereich extern erweitern. Wir stehen bei den Zuschauerzahlen der Live-Übertragungen im TV im guten Mittelfeld. Die weitere Entwicklung sieht absolut positiv aus. Wir wollen lieber organisch wachsen, als einen Investor an Bord zu holen, der nicht zu uns passt. Was im negativen Fall passieren kann, hat man gerade in Bordeaux gesehen.
Tigges: Jede 500.000 Euro oder Millionen, die wir jetzt mehr einnehmen, sind dauerhaft, die werden wir auch kommende Saison erwirtschaften. Ein Investor kommt nur einmal. Wenn es passt, machen wir es. Dann müssen wir aber ganz intelligent sein, müssen diese Millionen in den Kader investieren, mit dem wir einen Mehrwert schaffen.
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