Essen. Rot-Weiss Essen trifft heute im dritten Testspiel auf einen alten Bekannten. Es geht gegen Vincent Wagners TSG Hoffenheim II. Ein Interview.
Insgeheim hatte sich Vincent Wagner (38) einen schöneren Rahmen für ein Wiedersehen mit seinem Ex-Klub Rot-Weiss Essen gewünscht. Der Trainer der U23 des Bundesligisten TSG Hoffenheim klopfte mit seiner Mannschaft in der vergangenen Regionalliga-Saison lange ans Tor zur 3. Liga. Im Saisonendspurt musste Wagner aber die Stuttgarter Kickers und den späteren Aufsteiger VfB Stuttgart II vorbeiziehen lassen. Nichtsdestotrotz wurde der Vertrag des langjährigen RWE-Spielers (2007 bis 2014) und späteren U19-Trainers in Sinsheim um zwei weitere Jahre verlängert.
+++ Liveticker: RWE trifft im Testspiel auf Aufstiegstrainer Wagner +++
An diesem Sonntag gibt es kein Pflichtspiel in der 3. Liga, sondern ein freundschaftliches Wiedersehen mit seinem Herzensklub, dem er im Saisonendspurt der Spielzeit 2021/22 als Co-Trainer zum Aufstieg in die 3. Liga verholfen hatte. Im Bottroper Jahnstadion stehen sich Drittligist RWE und Wagners TSG-Talente ab 13 Uhr gegenüber. Gespielt werden viermal 25 Minuten. Im Interview mit dieser Redaktion sprach Wagner über das Wiedersehen, seine Zeit in Hoffenheim, die Entwicklung von Rot-Weiss Essen und über Ziele als Trainer.
Vincent Wagner, erstmals seit dem Aufstieg in die 3. Liga kehren Sie als Trainer eines anderen Klubs ins Ruhrgebiet zu einem Spiel gegen RWE zurück. Was geht Ihnen dabei vor der Begegnung am Sonntag durch den Kopf?
Da wir in Bottrop spielen und es „nur“ ein Freundschaftsspiel sein wird, sind die Gefühle überschaubar. Ich freue mich auf jeden Fall, nach zwei Jahren mal wieder ins Ruhrgebiet und nach Essen zurückzukommen.
Sie gehen in Ihre dritte Saison als U23-Trainer der TSG Hoffenheim. Welches Fazit der ersten beiden Jahre ziehen Sie privat und beruflich?
Nach 15 Jahren Ruhrgebiet und Leben in der Stadt Essen war es für meine Mädels und mich schon eine ordentliche Umstellung. Hier im Kraichgau gibt es viel Natur, die Umgebung ist zum Aufwachsen der Kinder natürlich super und bietet viel Lebensqualität. Nichtsdestotrotz lieben meine Frau und ich nach wie vor das Ruhrgebiet, vor allem meine Frau zieht es in regelmäßigen Abständen dahin zurück, um ihre beste Freundin in Essen zu besuchen. Mir fehlt für solche Ausflüge leider die Zeit. Beruflich hat es sich für mich persönlich außergewöhnlich gut entwickelt. Wir haben uns in den vergangenen beiden Jahren als absolutes Spitzenteam in der Liga positioniert, ohne dabei auch nur ein bisschen an Talentförderung einzubüßen.
Ex-RWE-Spieler Vincent Wagner bildet Hoffenheim-Talente aus
In der vergangenen Saison hat Ihre Mannschaft lange um den Aufstieg mitgespielt. Warum hat es nicht gereicht?
Nicht nur in der vergangenen Saison, sondern auch in der Saison zuvor, als nach neun Siegen in Folge am vorletzten Spieltag leider unsere Serie gerissen ist, haben wir den Aufstieg knapp verpasst. Als Verein steht bei uns das Thema Talentförderung an erster Stelle. Das hatte gegen Ende der Saison zur Folge, dass uns in der U23 etwas die Spieler ausgegangen sind. Wir waren mit lediglich 14 Feldspielern am letzten Spieltag in Stuttgart. Zur Winterpause hatten wir die beste Verteidigung, sind es im Saisonverlauf sogar geblieben, aber von unseren drei Stamm-Innenverteidigern der Hinrunde stand im weiteren Saisonverlauf kein einziger mehr zur Verfügung. In zwei Fällen war das aus Vereinssicht sogar erfreulich, denn Tim Drexler wurde fest zu den Profis hochgezogen und Joshua Quarshie ist auf Leihbasis nach Düsseldorf gewechselt und entwickelt sich dort gut, hat mit der Fortuna sogar das Halbfinale im DFB-Pokal erreicht. Auch unsere Toptalente wie Bambasé Conté und Tom Bischof kamen gegen Saisonende wieder vermehrt bei den Profis zum Einsatz, uns haben sie im Umkehrschluss gefehlt. Es kamen einfach viele Dinge zusammen, die wir am Ende nicht mehr kompensieren konnten.
Ein Jahr zuvor hat der SSV Ulm 1846 in Ihrer Gruppe das Rennen gemacht und ist danach durch die 3. Liga marschiert. Davor gelang dieses Kunststück der SV Elversberg. War das Zufall oder ist die Qualität in der Regionalliga Südwest höher als in den anderen Regionalligen?
Als ich in den Südwesten kam, war ich mir sicher, dass die Regionalliga West die mit Abstand stärkste Staffel ist. Ich wurde dann schnell eines Besseren belehrt. Hier kann jeder jeden schlagen, und es gibt kaum Mannschaften, die leistungstechnisch abfallen. Grundsätzlich sehe ich die Regionalligen Südwest, West und Nordost ungefähr auf Augenhöhe, der Südwest-Staffel könnte aber auch aufgrund der letzten beiden Jahre aktuell tatsächlich die stärkste sein. Die Regionalliga Nord und Bayern fallen strukturell bedingt leistungsmäßig etwas ab.
Rot-Weiss Essen am zweiten Spieltag gegen Hannover II: „Ein Vorteil“
Rot-Weiss Essen trifft am zweiten Spieltag auf Hannover II. Eine U23. Was kommt auf RWE zu?
Da wird „Dabro“ schon genau wissen, was er zu tun hat, er hat ja eine Hannoveraner Vergangenheit und sollte den Trainer von Hannover II auch gut genug kennen. Ich denke, es ist ein Vorteil, wenn man früh in der Saison gegen zweite Mannschaften spielt. Da haben sich die Reserveteams meistens noch nicht gefunden und sind noch richtig „grün“ hinter den Ohren. Bei uns sind es dieses Jahr auf dem Papier 17 Zugänge, denen 13 Abgänge gegenüberstehen. Und da sind die Toptalente, die bereits offiziell zum Profikader zählten, aber noch oft bei uns mitgespielt haben, noch nicht mal mit eingerechnet. Bis sich die neue Gruppe dann findet, dauert es meistens eine Weile. Bei Hannover bin ich gespannt, wie sie sich präsentieren. Sie haben in der vergangenen Saison in den Relegationsspielen die Regularien maximal ausgereizt und waren schon sehr alt für eine U23. Da waren nicht viele richtig junge Spieler zu finden. Aber sie haben das Maximum rausgeholt und es sehr gut gemacht.
Reden wir nun über Sie. Ihr Vertrag als U23-Trainer der TSG Hoffenheim wurde im April um zwei weitere Jahre verlängert. Welche Ziele verfolgen Sie mittel- und langfristig als Trainer?
Erstmal freut es einen natürlich, wenn die Sport-Verantwortlichen im Verein mit der eigenen Arbeit sehr zufrieden sind, die Spiel- und Ausbildungsidee der TSG mit sehr jungen Talenten aufgeht und wir auch im Männerbereich mit meiner schon etwas speziellen eigenen Spielidee erfolgreich sind. Sowohl für den einzelnen Spieler als auch für die Mannschaft insgesamt geht es mit viel Fleiß und Elan voran. Bei meinen mittel- und langfristigen Zielen bin ich entspannt. Ich gebe einfach jeden Tag mit Freude am Spiel und der Arbeit mit den Jungs richtig Gas, und dann schauen wir mal, was die Zukunft bringt. Wichtig ist mir, dass ich Spaß bei der Arbeit mit den Jungs habe, auch wenn es mal knallt, und dass es meiner Familie gut geht, meine Frau und Kinder sich wohlfühlen und wir zusammen sind.
„RWE ist auf einem ordentlichen Weg, auch wenn die Konkurrenz groß ist, vor allem finanzieller Natur“
Wie ist denn der Stand bei Ihrem Ziel Fußballlehrer: Wann dürfen Sie es angehen?
Offiziell darf ich mich jetzt bewerben, was ich auch tun werde. Nach der Reform dürfen aber nur noch 16 Trainer pro Jahr daran teilnehmen. Es wird also ein spannender Bewerbungsprozess.
Haben Sie die Entwicklung ihres Ex-Klubs Rot-Weiss Essen zuletzt verfolgt? Wie bewerten Sie diese?
RWE werde ich mein ganzes Leben verfolgen. Der erste Blick am Wochenende geht nach wie vor zum Essener Ergebnis, um zu schauen, wie die Jungs abgeschnitten haben. Ich denke, RWE ist auf einem ordentlichen Weg, auch wenn die Konkurrenz groß ist, vor allem finanzieller Natur. Aber der Etat in Münster und in Ulm war in der 3. Liga sicherlich auch nicht unter den Top fünf anzusiedeln.
Vincent Wagner sieht Rot-Weiss Essen für die Zukunft gerüstet
In dieser Sommerpause gab es einige Veränderungen bei RWE. Es gibt einen neuen Vorstand, die Mannschaft hat viele Leistungsträger verloren. Sehen Sie den Klub für die nächste Saison gerüstet?
Die Führung wurde teilweise erneuert und es gab einen ordentlichen Umbruch im Kader. Das wird eine Herausforderung sein, aber ich denke, Markus, Christian und „Dabro“ werden sie meistern, wenn die Fans wieder etwas Geduld mitbringen. Es wird auch diese Saison wieder den „Verl-Moment“ geben, und dann geht man entweder zusammen da drüber, oder man verliert intern und extern die Nerven, dann wird es ein Gewürge bis zum Ende der Saison. Ich hoffe, dass RWE die Leistung der Vorsaison bestätigen kann und eine stressfreie Runde spielt. Ich glaube, damit könnte man nach den etwas größeren Umbrüchen im Sommer zufrieden sein.
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Der Wechsel von Ahmed Etri aus Essen nach Hoffenheim hatte für etwas Wirbel gesorgt. Welchen frischen Eindruck haben Sie von ihm?
Wirbel ist gut. Grundsätzlich wird neuerdings bei jedem Spieler, der aus dem Pott kommt, erst mal medial rausgehauen, dass wir als TSG an ihm interessiert sind. Das ist aber meistens nicht der Fall. Manchmal ist es sinnvoll, nicht alles zu glauben, was man liest. Im Fall von Ahmed war es tatsächlich so, dass wir ihn spannend fanden und es einige Anfragen für ihn gab, dann hat er sich aus seinen Anfragen glücklicherweise für uns entschieden. Ahmed ist ein spannender und talentierter Spieler, der sich an das Niveau im Männerfußball gewöhnen muss, wie so viele andere Jungs aus der Jugend ebenfalls. Je schneller ihm das gelingt, desto schneller wird er seinen Weg machen. Solange Christian oder „Waldi“ immer noch ans Telefon gehen, wenn ich anrufe, scheint ja alles in einem professionellen Rahmen abgelaufen zu sein.
Abschließende Frage: Wird es für Sie am Wochenende noch Zeit für ein paar private Termine in Essen geben?
Dafür fehlt leider die Zeit. Wir werden am Samstagabend sehr spät anreisen und fahren im Anschluss an das Spiel direkt wieder in die Heimat. Aber ich freue mich, einige alte Weggefährten zumindest kurz wiederzusehen.