Am Niederrhein. Vergleiche mit der Oberliga West aus den 50ern wurden angestellt, doch die Fußball-NRW-Liga erwies sich als Flop. Es gab sie nur vier Jahre.

Fehleinschätzungen gehören im Fußball zum Tagesgeschäft. Gerade auch von Funktionären. Doch was im Februar vor mittlerweile zwölf Jahren für ein utopisches Hirngespinst bei einer Tagung zur neu zu schaffenden NRW-Liga durch die Räumlichkeiten der Sportschule Duisburg-Wedau geisterte, dies verschlug vielen teilnehmenden Vereinsvertretern die Sprache. Versammlungsleiter Alfred Vianden vom Fußball-Verband Mittelrhein verglich die neue Klasse tatsächlich mit der Oberliga West aus den 1950er-Jahren.

Statt Borussia Dortmund, Schalke 04, Fortuna Düsseldorf und dem 1. FC Köln – um nur einige zu nennen – tummelten sich ab 2008/09 in der NRW-Liga aber Germania Dattenfeld, SF Oestrich-Iserlohn, Delbrücker SC oder SSVg. Velbert in der fünfthöchsten deutschen Liga. Diese von vielen von vornherein als Totgeburt angesehene Klasse hielt bis zu ihrem Aus auch nur vier Spielzeiten durch.

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Als einer von acht Vereinen gehörte der SV Schermbeck ununterbrochen dieser neuen Klasse an. Damals hatte Martin Stroetzel als Trainer das Sagen am Schermbecker Waldsportplatz – mit dem Flair einer Bezirkssportanlage.

Der heute 54-Jährige war einer der Garanten für den Höhenflug des Vereins aus dem Kreis Wesel, der aber aufgrund der Lage der Anlage dem westfälischen Verbandsgebiet zugeschrieben wurde. In der Saison 1998/99 hatte er den SVS übernommen, bereits in der Spielzeit 2002/03 kickte er mit seiner Truppe in der Oberliga Westfalen. Auch der Sprung in die NRW-Liga gelang dem Verein aus der etwa 13.500 Einwohner zählenden Gemeinde.

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Dabei ist der Begriff „Sprung“ eigentlich irreführend. Denn vor der Einführung der NRW-Liga war die Oberliga Westfalen die vierthöchste Klasse in Deutschland – nach der 1. und 2. Bundesliga sowie der Regionalliga. Doch die neue 3. Liga, ebenfalls ab der Saison 2008/09, machte aus den NRW-Ligisten nur noch fünftklassige Teams. „Letztlich war die NRW-Liga ein Schuss nach hinten für den Amateursport, die Attraktivität ist dabei auf der Strecke geblieben“, sagt Martin Stroetzel. Der heutige Coach des Landesligisten SV Dorsten-Hardt trauert im Rückblick der alten Oberliga Westfalen nach. „Die war noch wirklich interessant.“

SV Schermbeck investiert 450.000 Euro in die Anlage

Allerdings war an der Einführung der NRW-Liga nichts zu rütteln. „Dieser Plan lag in der Schublade, das wurde durchgezogen“, so Stroetzel. Und als einer von ganz wenigen Vereinen setzten die Verantwortlichen des SVS auch die Auflagen um. Rund 450.000 Euro steckten die Verantwortlichen um den Vorsitzenden Johannes Brilo, dies ist er übrigens immer noch, in den Waldsportplatz. Aus einer Bezirkssportanlage wurde ein kleines Stadion. „Im Endeffekt haben wir die Summe finanziert, aber es war auch viel Eigenleistung dabei“, erinnert sich der heute 58-Jährige. Rund 140.000 Euro Verbindlichkeiten sind noch zu tilgen.

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Am Waldsportplatz entstanden getrennte Eingänge für Heim- und Gäste-Fans, ebenso ein „Hochsicherheitstrakt“ im Stehplatzbereich und eine Tribüne, die den Namen auch verdiente. Aus dem km Sommer 2002 abgerissenen alten Rheinstadion in Düsseldorf hatte sich Trainer Martin Stroetzel rund 250 Sitzplatzschalen gesichert und in einer Scheune auf seinem Hof zwischengelagert, die nun zum Einsatz kamen.

Auch wenn Johannes Brilo bei der Sitzung der Vereinsvertreter mit den Verbandsfunktionären bei den Auflagen immer wieder der Begriff „unsinnig“ durch den Kopf schwirrte, er ließ vieles davon Wirklichkeit werden. „Solche Aufgaben haben wir beim SV Schermbeck immer als Herausforderung gesehen“, erzählt der Vorsitzende. Außerdem sei es letztlich eine „nachhaltige Investition“ in die Anlage gewesen. „Sicherlich hatte ich auch das Privileg, dass ich als Architekt mehr Möglichkeiten hatte.“

Der Block für gegnerische Fans in Schermbeck nach dem Umbau: Zum Spiel gegen RW Essen kommen mehr als 3000 Zuschauer.
Der Block für gegnerische Fans in Schermbeck nach dem Umbau: Zum Spiel gegen RW Essen kommen mehr als 3000 Zuschauer. © ranz Meinert/FFS

Die finanziellen Möglichkeiten des „Bauernvereins“ (Brilo) ließen nach der Investition in Steine keine großen Investitionen in Beine zu. Trotzdem reichte es in allen Spielzeiten zum Klassenerhalt. Jeweils unter der Leitung von Martin Stroetzel, der erst im Januar 2013 dem SV Schermbeck den Rücken kehrte. „Ohne Wenn und Aber, das war die schönste Zeit und der Wahnsinn, was wir hier auf die Beine gestellt haben. So etwas erlebt man als Trainer nur einmal“, sagt der Coach.

Bei seinen Erinnerungen an die NRW-Liga spielt vor allen Dingen eine Begegnung eine besondere Rolle. Im Februar der vorletzten Saison in der NRW-Liga-Geschichte (2010/11) bestand der neue Waldsportplatz seine erste und im Prinzip auch einzige Bewährungsprobe: Mehr als 3000 Fans sahen das 1:2 des SVS gegen RW Essen. „Das war ein absolutes Highlight“, so Stroetzel. Doch ein wenig Atmosphäre wie in der legendären Oberliga West – aber nur für 90 Minuten.