Oberhausen. Doppelweltmeister Lukas Reuschenbach vom TC 69 spricht mit der Sportredaktion über die Olympia-Verschiebung, sein Heimtraining und die Zukunft.
Normalerweise ist Lukas Reuschenbach nicht so leicht ans Telefon zu bekommen. Von morgens bis nachmittags ist der Kanute vom TC Sterkrade 69 schließlich in sein tägliches Training vertieft und am Baldeneysee oder am heimischen Rhein-Herne-Kanal mit dem Paddeln beschäftigt. Doch spätestens seitdem in Deutschland wegen der Corona-Krise die Kontaktsperre in Kraft getreten ist, hat sich auch für den Oberhausener Leistungssportler vieles verändert. „An ein normales Training ist derzeit nicht zu denken. Wenn man es mit Humor nimmt, könnte man fast von Urlaub sprechen“, sagt Reuschenbach.
Es ist eine Ausnahmesituation, nicht nur für Leistungssportler. Die Kanuabteilung des TC 69 hatte zuletzt reagiert und auf ihrer Facebook-Seite auch die „beratungsresistenten Mitglieder“ noch einmal daran erinnert: „Lasst die Boote auf dem Trockenen liegen!“ Und auch der zweimalige K4-Weltmeister über die 1000 Meter hält sich an diese Anweisung. Wenn auch notgedrungen. „Natürlich möchte ich zurück aufs Wasser. Aber da kann ich mich nicht rausnehmen und sagen,: Für mich zählt das nicht. Egoismus ist jetzt keine Option mehr. Für niemanden.“
„So kann man halbwegs die Form bewahren“
So hält sich der 26-Jährige auf andere Weise fit. „Ich bin viel mit dem Fahrrad unterwegs, jogge täglich und mache Kraftübungen zu Hause. So kann man halbwegs die Form bewahren.“ Dass dieses Sportprogramm die normale Vorbereitung nicht ersetzen kann, ist Reuschenbach zwar klar. Doch: „Etwas anderes ist eben nicht möglich.“
Mittlerweile kommt aber ein weiteres großes Problem hinzu. Schließlich reiht sich auch im Kanu-Sport eine Absage an die nächste. „Die nationale Rangliste ist abgesagt, die Weltcups mit der Olympia-Qualifikation ebenfalls. Das zerrt schon an der Motivation, keine Frage.“ Apropos Olympische Spiele 2020. Die hat das Internationale Olympische Komitee zuletzt nach wochenlangem Hin und Her verschoben. Nun wird erst 2021 in Tokio das olympische Feuer entfacht werden. Für Reuschenbach eine nachvollziehbare, wenn auch zu spät getroffene Entscheidung. „Es weiter hinauszuzögern, das hätte keinerlei Sinn gemacht. Ich verstehe auch nicht, warum das IOC nicht schon früher klare Kante gezeigt hat, obwohl ja alle nur noch darauf gewartet haben.“
„Das ist unglaublich emotional“
Für die Sportler besteht zwar nun Gewissheit. Doch in die Erleichterung mischt sich bei vielen auch Enttäuschung und Wut mit rein. „Absolut verständlich“, sagt Reuschenbach, für den zwar selbst das olympische Ticket nur sehr schwer zu erreichen gewesen wäre. Doch die Bedeutung, die die Olympischen Spiele ausstrahlen, sei mit Worten kaum zu beschreiben. „Für viele platzt ein Lebenstraum. Die vergangenen vier Jahre waren sportlich, privat, aber auch beruflich auf dieses Event ausgerichtet. Das ist unglaublich emotional.“
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Dabei denkt Reuschenbach auch an die Sportler, für die es wohl die letzten Olympischen Spiele gewesen wären. „Ein Max Hoff wäre sicher dabei gewesen, ein absoluter Medaillenkandidat. Jetzt diese Chance zum Karriereende möglicherweise zu verpassen, wäre unglaublich hart.“ Aber auch für sich selbst hatte der Doppelweltmeister eigentlich anderes im Sinn. Schließlich sollte 2020 sein letztes Wettkampfjahr werden, bevor er im Oktober ein duales Studium beginnt. „Momentan muss man eigentlich davon ausgehen, dass kein Rennen mehr in diesem Jahr stattfindet. Das hätte natürlich schon einen bitteren Beigeschmack, auch weil ich mich in einer sehr guten Form befunden hatte.“
Viel Zeit mit der Familie und Freundin verbringen
Ob er nun möglicherweise noch ein weiteres Jahr dranhängen würde, um einen anderen, versöhnlicheren Abschluss zu haben, lässt Reuschenbach offen. „Ob das Auswirkungen auf meine Pläne hat, kann ich momentan nicht sagen, da einfach noch zu viele Fragen unbeantwortet sind.“ Um die neu gewonnene Freizeit zu nutzen, verbringt der Oberhausener viel Zeit mit seiner Familie und seiner Freundin. „Wir sind gerade dabei zu renovieren, so dass man schon reichlich beschäftigt ist.“
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Und auch sonst kommt Lukas Reuschenbach zu Aktivitäten, für die er früher kaum Zeit gehabt hätte. „Sonst stand nach dem Training oft das Essen schon fertig auf dem Tisch. Jetzt genieße ich es auch mal, selbst für meine Freundin zu kochen. Mal schauen, ob es ihr auch schmeckt.“
Leistungssport aktuell zweitrangig
Manchmal sind es eben auch die kleinen Dinge, die in der Corona-Krise für etwas Abwechslung, aber auch für ein Lächeln im Gesicht sorgen. Denn abschließend will Lukas Reuschenbach trotz allem sportlichen Ehrgeiz festhalten: „Mein Beruf als Leistungssportler ist in diesem Moment das aller unwichtigste. Da haben so viele Dinge mehr Priorität. Wenn das öffentliche Leben wieder halbwegs normal läuft, dann kann man sich Gedanken machen, wie es mit dem Sport weitergeht. Bis dahin müssen wir alle jetzt hinten anstehen.“