Kamp-Lintfort/Rees. Die 20-jährige Reeserin Jule Samplonius hat sich beim Handball-Zweitligisten TuS Lintfort zu einer festen Größe im Rückraum entwickelt.
Die Frage nach einem passenden Weihnachtsgeschenk beantwortet Jule Samplonius pragmatisch nüchtern. Ein neuer Ellbogenschoner für den an mancher Stelle etwas empfindlichen rechten Wurfarm wäre hilfreich, so bemerkt die Zweitliga-Handballerin des TuS Lintfort: „Ich spiele derzeit mit dem Schoner von Jana Willing, das sollte ich vielleicht mal ändern.“ Wird für 2022 wohl klappen.
In ihrem zweiten Jahr beim TuS hat sich die 20-jährige Rückraumwerferin sportlich voll etabliert, steht gemeinsam mit der neuen niederländischen Spielmacherin Maxime Drent auf Platz drei der internen Torjägerinnenliste: 37 Treffer in zwölf Meisterschaftspartien, davon 13 Siebenmeter. Nur Ex-Bundesliga-Spielerin Prudence Kinlend (51/8) und die 21-jährige Lisa Kunert (40/9) spielten erfolgreicher.
Vor Handball waren schon Reiten, Tanzen und Volleyball
Mit ihrer Handballkarriere ist Jule Samplonius aktuell überaus zufrieden: „Wenn man sich Videos von vor drei Jahren und jetzt anschaut, dann habe ich eine Superentwicklung gemacht und eine ganze Menge gelernt.“ Die Reeserin, die sich in jungen Jahren auch auf dem Pferderücken, als Tänzerin und am Volleyballnetz probiert hatte, dann aber doch die Familientradition Handball fortschreiben wollte, hat sich nach ihrem Wechsel vom TV Aldekerk im Sommer 2020 beim TuS zu einem gewichtigen Faktor entwickelt. Gerade auch nach dem Abgang von Lintforts Toptorschützin Naina Klein, die bei Bundesligist Bayer 04 Leverkusen bekanntlich sehr gut eingeschlagen ist.
Eigene Ambitionen in Richtung höchste Spielklasse hegt Jule Samplonius derzeit nicht. Auch wenn sie vermutlich das Zeug dazu hätte mit Durchschlagskraft und einem starken Wurfarm. Es gibt andere Prioritäten, die auf ein Leben nach dem aktiven Handball hinzielen.
Die dreijährige Ausbildung zur Notfallsanitäterin bei der Stadt Bocholt fordert eine Menge Arbeit und Zeit ab: Schulblöcke in Präsenz und mit viel Eigenleistung, Praxistage, Praktika, Einsätze in der Pflege, in der Notaufnahme, auf der Intensivstation. „Wenn man Menschen helfen will und es auch kann, dann hat man im Leben viel richtig gemacht“, sagt Jule Samplonius. Zu ihren Stärken zählt eindeutig die Empathie.
Jule Samplonius als sichere Siebenmeterschützin
Nach dem Abitur hatte Samplonius erst eine Ausbildung bei der Polizei im Visier. Ihre Mutter ist dort beschäftigt. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr im Rettungsdienst wurde das Vorhaben aber revidiert.
Ob sich jene Nervenstärke, die Rettungshelfer tagtäglich brauchen, auch auf den Sport übertragen lässt? Jule Samplonius gilt als recht sichere Siebenmeterschützin, mag aber eine Schlussfolgerung aus dem Beruf zum Handball ungern ziehen: „Auf dem Spielfeld mache ich mir weit weniger Gedanken als im Beruf. Bei wirklich gravierenden Notfällen nimmt man schon viele Gedanken mit nach Hause: Was ist mit einem Patient passiert, wie geht es ihm jetzt? Von solchen Fragen kann sich niemand freimachen, der in diesem Bereich arbeitet.“
TuS Lintfort: Eigentlich besser als nur Tabellenplatz neun
Den Handballsport versteht Samplonius deshalb auch ein wenig als psychologischen Ausgleich: „Wenn ich meine Schuhe geschnürt habe, dann fällt der Stress des Tages und die Anspannung erst einmal ab.“ Das gilt für dreimal Training in der Woche wie für die Zweitliga-Spiele.
Dass es für die Lintforterinnen bisher noch nicht so gut läuft wie im Vorjahr, als das Team auf einem sensationellen vierten Rang abschloss, hat Gründe. „Wir sind sicher klar besser als nur Platz neun. Deshalb gucke ich immer nach oben und nicht auf den Abstiegskampf. Unsere Mannschaft ist allerdings sehr jung und hat in den Spielen immer wieder gedankliche Hänger von fünf bis zehn Minuten, die dann auch ein Spiel kosten können. Vielleicht fehlt bei uns noch jemand, der in einer Tiefphase alle mitziehen kann“, sagt Jule Samplonius.
Spätestens mit dem ersten Heimspiel im neuen Jahr, am 8. Januar kommt Werder Bremen in die Eyller Sporthalle, wird an den Defiziten gemeinsam mit Trainerin Bettina Grenz-Klein weiter gearbeitet. Jule Samplonius ist dann auf einer der beiden Halbpositionen im Rückraum wieder aktiv.
Jule Samplonius: schlimmes halbes Jahr wegen Verletzung
Ein Glücksbringer darf auf dem Spielfeld übrigens nicht fehlen. Am rechten Schuh klebt per Tapeverband stets eine kleine Cent-Münze. „Mein Vater hat mir den Glücksbringer geschenkt, als ich für die Junioren-Niederrheinauswahl im Länderpokal nominiert war und vorher einen nervösen Eindruck gemacht habe. Seit dieser Zeit trage ich den Cent am Schuh.“
Die sportlichen Ziele für das neue Jahr lesen sich ebenso bescheiden wie der Weihnachtswunsch. „Wenn alle verletzungsfrei durch die Saison kommen, dann wäre das klasse“, sagt Jule Samplonius – für die der Klassenverbleib kein ernsthaftes Diskussionsthema ist.
Beim TV Aldekerk: Rückennummer 79 statt der 7
Was es allerdings heißt, verletzt und damit tatenlos zu sein, hat die Handballerin einmal in der Aldekerker Juniorinnenzeit erfahren müssen. „Ich bin auf dem Fuß einer Gegenspielerin weggeknickt und habe mir einen Syndesmosebandabriss zugezogen. Zum Glück bin ich ohne Operation davon gekommen. Das halbe Jahr Pause war trotzdem für mich eine schlimme Zeit“, erinnert sich Jule Samplonius äußerst ungern.
Übrigens: Eine Familientradition im Handball-Hause Samplonius ist die Rückennummer 7. „Alle haben mit dieser Nummer gespielt“, betont Jule Samplonius, „da war es natürlich etwas blöd, dass ich in Aldekerk plötzlich die 79 hatte.“ Wie es dazu kam? „Es war schlicht ein Fehldruck auf dem Trikot. Da konnte man nichts machen. In Lintfort habe ich ja wieder die richtige Nummer bekommen.“