Moers. Beim SV Scherpenberg ist Salih Altin einer von zwei ehemaligen Fußballprofis. Der 33-Jährige plant seine Zeit nach dem Fußball. Ein Interview.
Zuletzt beim 4:1-Testsieg in Friedrichsfeld fand sich Salih Altin auf der Position des Innenverteidigers wieder. Eigentlich nicht das Ding des ehemaligen Profis, der seit Sommer 2020 für den SV Scherpenberg in der Regel im defensiven Mittelfeld mit technischer Klasse und Umsicht das Geschehen mitgestaltet. Trainer Ralf Gemmer blieb mangels Personal allerdings keine andere Wahl. Gemmer und Altin, der auf Schalke schon mit den späteren Weltmeistern Manuel Neuer, Mesut Özil und Benedikt Höwedes zusammenspielte, verbindet eine besondere Beziehung – seit dem Sommer 2013. „Ralf war damals beim FSV Duisburg in der Landesliga mein erster Trainer im Amateurfußball. Auch wegen ihm als starker Trainer, als Typ und als Kollege bin ich zu Scherpenberg gewechselt“, bekräftigt Salih Altin, der Samstag seinen 34. Geburtstag feiert.
Herr Altin, wie viel Spaß macht es eigentlich, als ehemaliger Profi nun auf der Scherpenberger Asche zu trainieren und zu spielen?
Salih Altin: Ich bin mit Fußball auf Asche bei Rot-Weiß Oberhausen und der SG Wattenscheid 09 groß geworden. Auf Asche werde ich wohl auch meine Karriere beenden.
Wird Scherpenberg also Ihre letzte Station sein?
Das weiß ich nicht. So lange meine Knie noch mitmachen, werde ich spielen. Auch wenn ich meiner Frau jedes Jahr aufs Neue sage, ich würde aufhören. Fußball ist nun einmal ein großer Teil meines Lebens. Das Spiel macht mir dazu auch den Kopf frei.
Neues Standbein: Restaurant in Recklinghausen
Was ja psychologisch auch sehr wertvoll ist.
In der Tat. Derzeit arbeite ich noch bei Mannesmann, mache mich aber mit einem Partner, der Eventdesigner ist, demnächst selbstständig. Es wird ein ganz neues berufliches Standbein für mich werden.
In welcher Form?
Wir eröffnen in Recklinghausen ein Tapas-Restaurant, das Monrive heißen wird. Der Clou dabei: Alles, was man im Restaurant sieht, kann man auch kaufen – bis auf die Kellner. Dazu ist meine Frau im siebten Monat schwanger. Wir erwarten unser erstes Kind. In meinem Leben gibt es also gravierende Veränderungen.
Wie viel Zeit bleibt da noch übrig für den SV Scherpenberg und die Fußball-Landesliga?
Wie gesagt: Der Fußball macht meinen Kopf frei. Ich spiele also auf jeden Fall weiter. Wir werden wegen des Restaurants einen Zweitwohnsitz in Recklinghausen haben, ich bleibe aber auch in Duisburg am Innenhafen wohnen. Training und Spieleinsätze sollten so kein Zeitproblem für mich werden.
„Es wird sicher Stress geben“
Wie schätzen Sie die sportliche Situation für Scherpenberg ein nach acht Monaten Zwangspause wegen Corona?
In den beiden Testspielen bisher hat man schon gesehen, dass wir noch in Schwung kommen müssen. Wir besitzen eine gute Mischung aus Kämpfern und starken Fußballern. Der Konkurrenzkampf ist angesichts des großen Kaders aber immens. Es wird sicher an der einen oder anderen Stelle Stress geben.
Trauen Sie Scherpenberg einen Sprung in die Oberliga zu?
Auf jeden Fall. Wir haben das Zeug dazu, unter die besten Drei in der Landesliga zu kommen. Das ist vor allem eine Frage der Einstellung. Das sieht man an Nico Klotz, der beim MSV Duisburg ja auch Profi in der Zweiten Liga war. Er hängt sich voll rein, so muss es sein. Der Charakter zählt, egal ob Bundesliga oder Kreisliga C. Von mir wird es nie Hochnäsigkeit geben, nur weil ich mal in der 3. Liga gespielt habe.
Über Schalke 04 und Wuppertaler SV zum VfB Lübeck
Sie waren ja auch eine ganze Weile auf Tuchfühlung mit später ganz großen deutschen Fußballern.
Stimmt, und es war eine Zeit, auf die ich heute stolz bin – auch wenn es für mich zum großen Wurf nicht gereicht hat. Ich bin in der A-Jugend von Schalke 04 mit Manuel Neuer, Mesut Özil und auch Benedikt Höwedes aufgelaufen, habe noch heute Kontakt zu Trainer Norbert Elgert. Wir sind erst DFB-Pokalsieger geworden, dann Deutscher Meister. Auch die Zeit beim Wuppertaler SV oder in Lübeck, bis heute übrigens meine Lieblingsstadt, möchte ich nicht missen.
Grübeln Sie manchmal darüber nach, warum 2010 Ihr Engagement beim türkischen Erstligisten Eskisehirspor trotz eines Dreijahresvertrages nicht geklappt hat?
Mir ist das immer noch ein Rätsel. Mit dem Vertrag hätte ich in drei Jahren sogar Millionär sein können. Vielleicht bin ich unter falschen Voraussetzungen verpflichtet worden, dazu hatte ich aus Deutschland kommend natürlich auch keinen großen Namen. Der Klub jedenfalls hatte den ausgemachten Vertrag nicht beim Verband gemeldet, womit der dann nichtig war. Da konnte ich letztlich nichts machen. Sie wollten mich dann zu einem Zweitligisten ausleihen, der mir wiederum im Testspiel keine Einsatzchance gegeben und mich ebenfalls weggeschickt hat. Dabei hatte ich einen Berater, der sich gut im türkischen Fußball auskennt. Trotzdem bin ich nach nur wenigen Monaten wieder zurück nach Deutschland.
Traum vom Profidasein nach Türkei-Rätsel aufgegeben
Welchen Rat würden Sie jungen Spielern geben, die in die Türkei wechseln wollten?
Zumindest den, dass man vor Ort jemanden braucht in einem Verein, der stark hinter einem steht. Sonst sind Versprechungen und selbst Verträge schnell nicht viel wert.
Nach der Rückkehr nach Deutschland haben Sie sich dann vom Profi-Traum verabschiedet.
Es ging nicht anders. Als der VfB Lübeck nach dem Regionalliga-Abstieg 2012 in die Insolvenz gegangen ist, musste ich einen Entschluss fassen: Schluss mit der Träumerei, rein ins Arbeitsleben. Ich hatte keine Ausbildung, musste trotzdem an meine Zukunft denken. Das war natürlich eine sehr schwierige Situation. Ich habe aber die richtige Entscheidung getroffen.
Können Sie sich vorstellen, dem Fußball als Trainer verbunden zu bleiben?
Zutrauen würde ich es mir schon. Mit dem Aufbau meiner Selbstständigkeit würde aber vermutlich die nötige Zeit fehlen, um ernsthaft und verantwortlich Trainer zu sein.
Das ist Salih Altin
Der gebürtige Mülheimer hat in der Jugend bei Rot-Weiß Oberhausen und bei der SG Wattenscheid 09 gespielt, ehe es 2003 in die Knappenschmiede des FC Schalke 04 ging.
Erste Seniorenstation im Sommer 2006 war der damalige Drittligist Wuppertaler SV, der Altin zwischenzeitlich an den VfB Lübeck auslieh. Nach vier Jahren am Wuppertaler Zoo versuchte Altin sein Profiglück in der Türkei, bekam dort aber trotz Dreijahresvertrags keine echte Chance.
Zurück in Deutschland lief Altin ab Februar 2011 für NRW-Ligist VfB Speldorf auf, ging erneut für ein halbes Jahr nach Lübeck. Dann waren die Profiambitionen Geschichte.
Über den FSV Duisburg (2013 bis 2017) und den SV Genc Osmann Duisburg (2017 bis 2020) wechselte Altin im Sommer 2020 zum SV Scherpenberg ins Moerser Wäldchen.