Moers/Krefeld. Die Zweitliga-Handballer der HSG Krefeld Niederrhein kooperieren mit dem Moerser SC und wollen fünf Heimspiele in Rheinkamp austragen.

Visionen sind in der Regel erster Antreiber für große Projekte. Auch deshalb fand sich am Mittwochmittag im Enni-Sportzentrum zu Rheinkamp eine illustre Fünfergruppe aus Machern zusammen. In Moers erwächst ein neues Sportprojekt: Spitzenhandball, zunächst für die Saison 2020/21 auf Probe. „Es steckt viel Euphorie drin. Und wir sind auch alle ein wenig verrückt“, gibt Thomas Wirtz zu, einer der treibenden Kräfte.

Der Bauunternehmer, in Personalunion Gesellschafter und Trikotsponsor der Krefelder HSG-Zweitliga-Handballer ist, wusste sich bei diesem Satz in bester Gesellschaft. Der Moerser Bürgermeister Christoph Fleischhauer, MSC-Vorstandsmitglied Simon Krivec, Volksbank-Niederrhein-Chef Guido Lohmann und Enni-Geschäftsführer Lutz Hormes verbalisierten bei einer Tasse Kaffee und penibel eingehaltenem Corona-Abstand von 1,50 Meter in der Enni-Park-Lounge ihre Vision: vier bis fünf Handballspiele der HSG in Rheinkamp statt in der Krefelder Glockenspitzhalle.

HSG Krefeld Niederrhein heißt das Projekt. 1. Vorsitzender wird Simon Krivec sein, der 32-jährige Sohn des Moerser Apothekers und Sportmäzens Günter Krivec. Der promovierte Chemiker ist bereits Gesellschafter der alten HSG Krefeld. Aus der Spielgemeinschaft löst sich der SC Bayer 05 Uerdingen. Weil die DJK Adler Königshof nicht allein die HSG fortführen kann, wurde ein Partner gesucht. Den stellt faktisch, aber nicht auf dem Papier, der Moerser SC. Die Spiellizenz liegt bei Königshof.

Die Schwarz-Gelben im Zweitliga-Einsatz: hier Josip Cutura (rechts) beim Auswärtsspiel gegen Bundesliga-Aufsteiger TuSEM Essen.
Die Schwarz-Gelben im Zweitliga-Einsatz: hier Josip Cutura (rechts) beim Auswärtsspiel gegen Bundesliga-Aufsteiger TuSEM Essen. © FUNKE Foto Services | Michael Gohl

„Das ist in dieser Situation eine einmalige Chance für Moers und den Niederrhein“, versichert Simon Krivec. Sein Gesellschafter-Kollege Wirtz denkt weiter: „Bei den Bergischen Löwen mit Wuppertal und Solingen in der Bundesliga klappt so etwas doch auch. Ich denke jedenfalls daran, dass wir uns in der Zweiten Liga etablieren und vielleicht sogar darüber hinausgehen.“

Zweite Liga eine Nummer zu groß

Dazu müsste die HSG aber erst einmal im Bundesliga-Unterhaus mitspielen dürfen. Das ist keineswegs sicher. Der abgeschlagene Tabellenletzte hatte keinen Lizenzantrag bis zum Stichtag gestellt, weil der Abstieg unaufhaltsam schien. „Die Liga war noch eine Nummer zu groß für uns“, sagt Geschäftsführer André Schicks. „Dann kam Corona und änderte alle Parameter“, so der ehemalige Eishockey-Sprecher der Krefeld Pinguine.

Die HSG bemühte sich doch noch um eine Lizenz, wurde von der HBL aber erst einmal abgewiesen. Krefeld holte sich Rechtsbeistand und lässt den Fall nun vom HBL-Sportgericht überprüfen. In der ersten Juni-Woche soll eine Entscheidung darüber fallen, ob die HSG als 20. Mannschaft in der Zweiten Liga weitermachen darf.

Natürlich wären Spiele hier attraktiver für neutrale niederrheinische Zuschauer als in der Dritten Liga West. Mit Gummersbach, Nettelstedt, Hamburg, Dormagen, Schwartau, Eisenach oder auch Hüttenberg tummeln sich hier zahlreiche namhafte Ex-Erstligisten.

Ein schwarz-Gelber Adler ziert das Logo der HSG Krefeld.
Ein schwarz-Gelber Adler ziert das Logo der HSG Krefeld.

Einen Fan hat das Team schon – egal, in welcher Liga gespielt wird. „Ich bin hellauf begeistert“, versichert Christoph Fleischhauer. Der oberste Moerser Bürger ist Handball-Experte, lenkte er doch vor einigen Jahren die nur semi-erfolgreiche und nicht mehr existente Moerser Adler HSG. Deren Platz in der Verbandsliga hat der TV Kapellen längst wieder eingenommen.

Bürgermeister will auch niederrheinisch denken

Fleischhauer stört es im übrigen keineswegs, dass Moers im neuen Krefelder Klubnamen keine Rolle spielt: „Das Know-how bringen die Krefelder ein, dazu denken wir niederrheinisch. Hier gibt es viele handball-begeisterte Menschen.“

Vielleicht ja auch Sponsoren. Um in der Zweiten Liga irgendwie sportlich überleben zu können, müsste der Etat bei rund 700.000 Euro liegen. Nicht wenig Geld in einer Stadt wie Krefeld, wo es den KFC Uerdingen, die Eishockey-Pinguine und die blau-weißen Tennis-Bundesliga-Männer aus dem Stadtwald als starke Konkurrenten gibt.

Die HSG setzt also auch auf die Niederrhein-Karte. Dass Vorstandschef Guido Lohmann mit seiner Volksbank im Boot ist, versteht sich aus Moerser Sicht fast von selbst. Das Unternehmen setzt sich auch für die Zweitliga-Volleyballer des Moerser SC monetär ein.

Das ist die HSG Krefeld

Seit Frühjahr 2013 gibt es nun die Handballspielgemeinschaft Krefeld. Die Eagles wurden nach der Saison 2012/13 aus DJK SV Adler Königshof und dem SC Bayer 05 Uerdingen gebildet, die in der 3. Liga West spielten.

Nach sechs Spielzeiten in der Drittklassigkeit gelang den Schwarz-Gelben im vergangenen Mai der Sprung in die eingleisige 2. Bundesliga. In der Relegation wurde der HC Empor Rostock hauchdünn in zwei Spielen geschlagen.

Die Saison in der zweithöchsten Spielklasse entwickelte sich zum Rohrkrepierer. Bis Saison-Abbruch schaffte die HSG in 24 Spielen nur einen Sieg – 30:26 über Bayer Dormagen.

In der Glockenspitzhalle werden die Punktspiele ausgetragen. Der Zuschauerschnitt lag bei knapp 800 Fans: nur Platz 18 in der Zweiten Liga.