Moers. Almir Sogolj spielt mit 36 Jahren noch Fußball - beim Landesligisten SV Scherpenberg. Im Interview verrät der Torjäger, was zum Profi gefehlt hat.
Ach, die Asche. Almir Sogolj seufzt. Es klingt aber nicht klagend, wenn der 36-jährige Torjäger an das wegen des Coronavirus verwaiste Spielfeld im Scherpenberger Wäldchen denkt. „Wir sind die Nummer eins im Moerser Fußball – und haben den schlechtesten Platz“, stellt der Routinier fest, „doch man gewöhnt sich dran.“ Schließlich ist der ehrgeizige Angreifer auf Asche groß geworden. Selbst beim MSV Duisburg an der Westender Straße wurde auf dem roten, zumeist etwas holprigen Untergrund trainiert. Sogolj mittendrin. Vor über 20 Jahren.
Herr Sogolj, Sie sind nun 36 und immer noch auf Asche unterwegs. Wie lange machen Ihre Beine das noch mit?
Almir Sogolj: So lange sie mich tragen. Es ist noch zu früh, um aufzuhören – gerade in der jetzigen Situation. Es ist wirklich schmerzhaft, nach zuletzt fünf Siegen am Stück eine Zwangspause einzulegen. Lässt sich aber nicht ändern.
Sie waren zuletzt beim SV Scherpenberg eher der Häuptling auf der Bank. Als überaus ehrgeiziger Fußballer kann Ihnen die Rolle sicher nicht gefallen, oder?
Mir fehlt derzeit noch ein wenig die Fitness. In der Hinrunde war ich komplett raus, weil ich unter dem alten Trainer nicht spielen und trainieren wollte. Da hat nicht viel gepasst zwischen uns.
Welchen Einfluss hat der neue Trainer Ralf Gemmer auf die Erfolgsserie vor der Corona-Krise?
Einen riesengroßen. Der Trainer ist Freund, Kollege, Kumpel, ein geiler Typ. Alle haben richtig Bock auf Training. Alle haben richtig Bock, auf dem Platz zu gewinnen. Als Trainer muss man auf seine Spieler eingehen können. Das kann nicht jeder.
Gemmer kann genau das?
Auf jeden Fall. Unsere Erfolge vor der Zwangspause waren jedenfalls kein Zufall. Dass ich erst einmal nur in der zweiten Reihe stehe bei den Spielen, ist nicht wichtig. Hauptsache, ich bin überhaupt wieder dabei und habe Spaß.
Sogolj: Keine Feierei, keine Frauen – nur Fußball, nur Training
Ihnen sagt man ja nach, Sie hätten das Zeug zum Profi gehabt. Wenn Sie die Zeit 20 Jahre zurückdrehen könnten, was würden Sie anders machen?
Ganz einfach: Keine Feierei, keine Frauen – nur Fußball, nur Training. Also eine ziemlich große Portion Disziplin.
So einfach?
Wenn man es nicht so macht, ist die Chance jedenfalls verdammt klein. Heutzutage ist es auch wahrscheinlicher, von einem Scout entdeckt zu werden als noch vor 20 oder 25 Jahren. Die Zeit damals war anders. Ich hatte aber auch kein Vitamin B.
Ärgert es Sie, dass Sie diese Erkenntnisse etwas zu spät gewonnen haben?
Erfahrung macht einen meist schlauer. Aber ärgern? Ich hätte es ja anders machen können. Mehr Disziplin, weniger Hitzkopf. Ändern kann ich es jetzt nicht mehr.
Sind Sie immer noch der Hitzkopf von einst auf dem Spielfeld?
Ich bin emotional, will die Jungs pushen, wenn wir spielen. Da kann ich nicht anders. Wenn ich spiele, will ich gewinnen. Da würde ich dann selbst meinen Bruder Amar (24, spielt beim SV Sarajevo Oberhausen, d. Red.) nicht kennen, bis der Schiedsrichter das Spiel abpfeift. Mit der Erfahrung wird man in manchen Dingen aber auch etwas großzügiger. Wenn ich mit dem Schiedsrichter diskutiere, dann sachlich und nie dumm. Meine letzte Rote Karte ist schon ewig her (Saison 2014/15 beim VfB Homberg, d. Red.). Früher war ich allerdings schon manchmal ein Psycho.
Inwiefern Psycho?
Wenn wir verloren haben, habe ich Schränke eingetreten.
„Für meine Mannschaft sterbe ich zur Not auf dem Platz“
Mussten Sie zahlen?
Meist hat es der Verein dann übernommen – zum Glück. Der Vorstand wusste ja, was ich für einer bin. (lacht) Aber die Leistung hat meist gestimmt. Für meine Mannschaft laufe ich 30 Kilometer und sterbe zur Not auf dem Platz.
Welcher Moment im Fußball war Ihr schönster?
Ich hatte den schönsten und den vermeintlich schlimmsten in einem Spiel zusammen.
Welche Partie?
Aufstiegsspiel zur Oberliga im Juni 2016. Nach sieben Jahren beim VfB Homberg kehre ich mit dem FSV Duisburg in mein Wohnzimmer zurück. 3000 Zuschauer sind da. Viele rufen meinen Namen beim Einlaufen. Das ist für einen Amateurfußballer außergewöhnlich. Viel mehr Respekt von der Tribüne kannst du nicht kriegen. Da wusste ich, was ich für den VfB all die Jahre geleistet hatte.
Und dann geht das Aufstiegsspiel mit 3:4 verloren.
Wir haben 18 Minuten vor Schluss noch 3:2 geführt. Einige im Team waren am Ende leider im Kopf nicht fit. Mir liefen hinterher bittere Tränen. Ich hatte alles gegeben, war gelaufen wie ein Pferd und hatte doch verloren. Ich kam eine ganze Woche nicht klar, konnte schlecht schlafen. Selbst meine Eltern konnten mich nicht trösten.
Gut, dass es im Fußball immer wieder eine neue Saison und eine neue Chance gibt.
Das stimmt.
Sogoj und das Tor aus 45 Metern in Fischeln
Sie haben für Homberg beim VfR Fischeln mal ein Tor aus 45 Metern Entfernung erzielt. Ist das auch ein Moment für die persönliche Ewigkeit?
Es war zumindest ein geiles Ding. Und ein typisches Almir-Tor. Wir haben einen 3-1-Konter gelaufen. Ich hatte gesehen, dass der Torwart zu weit vor dem Gehäuse stand und einfach mal draufgehalten. Wenn das Ding danebengegangen wäre, hätten mich die Kollegen sicher gelyncht. (grinst)
Sie hatten oft den Mut, etwas Unerwartetes zu machen, oder?
So lange man damit auch Erfolg hat, ist das natürlich geil. Aber genau solche Dinge, wie eben das 45-Meter-Tor, zeichnen doch Typen aus. Typen braucht eine jede Fußballmannschaft. Ohne Typen, ohne Reißer auf dem Platz wird niemand Erfolg haben. Und ein ganzes Stück langweiliger wäre es doch auch. (lacht)