Voerde. Thomas Kempe ist einer der bekanntesten Sportler in der 100-jährigen Geschichte des TV Voerde. Er schaffte es in die Fußball-Bundesliga.
Wenn die Fußballer des TV Voerde ihre Heimspiele an der Rönskenstraße austragen, dann sind die Zuschauerzahlen nur selten im dreistelligen Bereich, es gab aber auch Zeiten, in denen die Anhänger sich dicht Schulter an Schulter um den Platz tummelten. So zum Beispiel am 5. Juni des Jahres 1977. Damals spielten die A-Junioren des TV Voerde im Finale des Westdeutschen Fußballpokals vor heimischer Kulisse gegen den FC Schalke 04. Ungefähr 3500 Zuschauer verfolgten das Spiel auf der Platzanlage des TVV gegen den Favoriten aus Gelsenkirchen. Die „Königsblauen“ wurden ihrer Rolle beim 6:1-Sieg am Ende gerecht und verteidigten ihren Titel aus dem Vorjahr.
Friedhelm Vos lockte Thomas Kempe zum MSV Duisburg
Im Kader des FC Schalke war damals zum Beispiel Michael Tönnies, der es später noch in die Bundesliga schaffen sollte. Aber auch beim TVV lauerte ein großes Talent auf den Sprung ins Profi-Geschäft. Der damals 17-jährige Thomas Kempe bereitete nicht nur das einziger Voerder Tor vor, sondern machte auch durch seine technischen Fähigkeiten auf sich aufmerksam. Friedhelm Vos, selbst ehemaliger Spieler des MSV Duisburg, pflegte immer noch guten Kontakt zu seinem Verein und versuchte den jungen Kempe aus Voerde nach Meiderich zu locken.
Erst die Lehre beendet, dann zum MSV Duisburg
Seine Bemühungen zahlten sich zwei Jahre später dann auch aus, als Kempe im Alter von 19 Jahren zum MSV Duisburg in die Fußball-Bundesliga wechselte. „Ich habe damals“, erklärt Kempe den Zeitpunkt seines Wechsels, „in Voerde meine Lehre noch gemacht, ehe ich dann zum MSV gegangen bin“.
Im Oberhaus des Fußballs angekommen, dauerte es nur 50 Minuten, ehe Kempe, der anfangs im Mittelfeld spielte und dann zu einem der besten Liberos der Liga wurde, seinen ersten Treffer markierte. Der MSV trennte sich damals 1:1 unentschieden vom Vize-Meister VfB Stuttgart, für den Kempe in seiner weiteren Laufbahn auch noch auflaufen würde.
Doppelpack gegen den HSV
Der Saisonstart in Kempes erster Bundesligaspielzeit ist in der Retrospektive wie aus dem Bilderbuch. Nach einer Niederlage (0:2) in Braunschweig am zweiten Spieltag folgten Siege gegen Leverkusen (5:0), Schalke (2:1) und den HSV (3:0), welcher zu diesem Zeitpunkt Tabellenführer war. An die Partie gegen die Hamburger erinnert sich Thomas Kempe noch heute bestens: „Auf dieses Spiel werde ich immer wieder angesprochen, weil ich beim 3:0-Erfolg auch zwei Tore geschossen habe. Ich weiß es aber auch noch ganz genau. Es war ein Freitagabend im Wedaustadion und wir haben ein überragendes Spiel gemacht.“ Die Hamburger Mannschaft zählte damals zu den Besten der Liga und hatte mit Spielern wie Felix Magath, Rudi Kargus, Manfred Kaltz, Horst Hrubesch oder Kevin Keegan ein echtes Star-Ensemble aufgeboten. „Dem Keegan habe ich damals schön einen Ball durch die Beine geschoben“, erinnert sich Kempe an das Duell mit „Mighty Mouse“, wie der gebürtige Engländer gerufen wurde.
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Nach drei erfolgreichen Jahren beim MSV Duisburg zog es Kempe dann in den Südwesten Deutschlands zum VfB Stuttgart. Dort angekommen wurde „Kempes“, wie der gebürtiger Voerder in Anlehnung an die argentinische Fußball-Legende Mario Kempes gerufen wurde, gleich Dritter mit dem VfB und qualifizierte sich so auch für das internationale Geschäft. „Mario oder Kempes sagen einige Leute heute noch zu mir“, erklärt Kempe die Herkunft seines Spitznamen mit einem Lachen. In Stuttgart erlebte Kempe zumindest sportlich den Höhepunkt seiner Karriere und feierte 1984 die Deutsche Meisterschaft. Ein Jahr später ging es für den Libero dann zurück ins Ruhrgebiet zum VfL Bochum. Dort erhielt er mit „Bruder Leichtfuß“ einen weiteren Spitznamen, der bis heute bekannt ist.
Intertoto-Cup statt Istanbul
Dass der VfL auch gleichzeitig seine letzte Station im Profifußball werden würde, ahnte der damals 25-Jährige noch nicht. Kempe war beim VfL als Führungsspieler in der Verantwortung – immerhin war er bereits Deutscher Meister geworden und für die U21 und die B-Nationalmannschaft des DFB aufgelaufen. In Bochum wurde Kempe Kapitän und prägte eine Ära, ehe seine Karriere im Jahr 1993 plötzlich und unerwartet endete.
Am 26. Juni 1993 lief Kempe ein letztes Mal als aktiver Profi auf. Im Intertoto-Cup stand ein Heimspiel gegen Slovan Bratislava auf dem Programm. Kempe wollte tags darauf eigentlich zu Vertragsverhandlungen nach Istanbul reisen und den VfL, der aus der Bundesliga abgestiegen war, verlassen. „Ich hatte schon gesagt, dass ich am nächsten Tag in die Türkei fliege, aber wie man dann so ist, spielt man natürlich nochmal mit, und zack war das Kreuzband durch.“ Ein Wechsel zum türkischen Erstligisten Fenerbahce Istanbul, der zu dieser Zeit übrigens von seinem ehemaligen Trainer in Bochum, Holger Osieck, trainiert wurde, kam dann nicht mehr zustande und Kempe beendete seine Laufbahn.
Gegen Franz Beckenbauer und Diego Maradona
Nichtsdestotrotz kann Kempe, der vor kurzem seinen 60. Geburtstag feierte, auf eine überaus erfolgreiche Laufbahn zurückblicken. Auch im Endspiel des DFB-Pokals stand Kempe mit seinem VfL 1988, doch dieses ging mit 0:1 gegen Eintracht Frankfurt verloren. In seinen unzähligen Spielen hatte es der Libero immer wieder mit den Besten der Welt zu tun. Die Liste der Großen, gegen die Kempe auf dem Platz stand, ist lang. Besonders zu erwähnen sind aber Franz Beckenbauer und Diego Maradona. Während er gegen Beckenbauer, der damals für den HSV kickte, in der Liga spielte, traf er auf Maradona in einem Testspiel. „Damals waren wir mit dem VfB Stuttgart in Bordeaux und haben auf einem Turnier gegen den FC Nantes, den FC Girondins Bordeaux und den FC Barcelona gespielt. Da war Diego dann mein Gegenspieler.“
Guter Antritt, technisch stark
In der heutigen Zeit gibt es den Libero als solchen nicht mehr. Auch wenn Mats Hummels bereits einige Male als „moderner Libero“ bezeichnet wurde, so gleicht er der Spielweise von Kempe nicht wirklich. „Ich wüsste da keinen Spieler, mit dem ich meine Spielweise vergleichen würde, aber das muss ich auch nicht“, antwortet Kempe auf die Frage nach einem vergleichbaren Akteur. Und damit ist er im Recht – 391 Bundesligaspiele sprechen für sich. Einen kleinen Einblick in den Spielertypen Thomas Kempe kann er dennoch geben. „Ich war technisch sehr gut und hatte einen guten Antritt. Zumindest auf den ersten Metern war ich schnell“, beschreibt er den jungen Thomas Kempe und fügt mit einem Lachen hinzu: „Wenn ich heute sehe, dass einige Spieler da zwölf Kilometer im Spiel laufen, dann muss ich sagen, so weit bin ich damals nicht gelaufen.“
Einen wirklichen Lieblingsverein möchte Kempe bei seinen Stationen nicht ausmachen und beantwortet die Frage diplomatisch: „Für meine Karriere war jeder der Vereine unheimlich wichtig und ich schätze alle nach wie vor. Beim VfB Stuttgart habe ich zum 60. sogar ein paar Zeilen im Fan-Magazin bekommen.“ Auch mit den anderen Vereinen ist Kempe immer noch eng verbunden. Beim VfL spielt er beispielsweise in der Traditionsmannschaft und beim MSV ist sein jüngster Sohn Fabrice aktiv.
Erste Trainerstation beim VfB Lohberg
Einige Zeit nach seiner Karriere als Aktiver versuchte sich Kempe dann auch an der Seitenlinie. Seine erste Station war der VfB Lohberg, damals noch in der Bezirksliga. Kempe hatte auf Anhieb Erfolg und feierte im Jahr 2005 die Vize-Meisterschaft. Ein Jahr später zog es den Ex-Profi dann nach Panama zum Tauro FC. Ja, richtig, Panama. Der Staat in Mittelamerika, der nicht unbedingt für Fußball bekannt ist. Für Thomas Kempe war die Aufgabe damals dennoch reizvoll. „Ich bin da rübergeflogen und habe das Angebot angenommen, auch weil ich dachte, wenn ich dort erfolgreich bin, bekomme ich vielleicht interessante Angebote aus Europa. Allerdings habe ich vorher auch schon gezögert, weil mein jüngster Sohn damals erst ein Jahr alt war“, erinnert sich Kempe und führt weiter aus: „Das Heimweh war aber so groß, dass ich nicht die komplette Saison dort geblieben bin. Meine Verbundenheit nach Panama ist aber nach wie vor groß. Erst kürzlich war ich dort, um meinen 60. Geburtstag zu feiern, musste dann aber aufgrund der Corona-Pandemie frühzeitig abreisen.“
Traditionsmannschaft kommt nicht
Seine Verbundenheit zum TV Voerde ist auch nach all den Jahren groß. Thomas Kempe wohnt immer noch in Voerde und wollte im Zuge der Festwoche zum 100-jährigen Bestehen des Vereins mit der Traditionsmannschaft des VfL Bochum zum TVV kommen, doch auch dieses Event ist mittlerweile abgesagt worden. „Ich kenne Norbert Litschko (3. Vorsitzender, d.Red.) sehr gut und wir tauschen uns auch regelmäßig aus. Ich hätte zwar nicht selber mitspielen können, weil ich etwas Probleme mit meinem Knie habe, aber ich wäre als Trainer natürlich dabei gewesen.“
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