Voerde. Die Jubiläums-Serie über den TV Voerde erinnert zum Auftakt an Heike Schulte Mattler, die 1984 in Los Angeles die Bronzemedaille gewann.
Es war der 10. August 1984, als Wolfgang Thiele, Bundestrainer beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), die Aufstellung für das Finale der 4x400-Meter-Staffel bei den Olympischen Spielen in Los Angeles bekanntgab. Aus dem Vorlauf waren Gaby Bußmann und Heike Schulte-Mattler weiterhin gesetzt, dazu gesellten sich nun Ute Thimm und Heidi-Elke Gaugel. Die Besetzung war also klar, aber das Quartett musste noch in die bestmögliche Reihenfolge gebracht werden. Thiele entschied sich einen Tag vor dem großen Finale für Heike Schulte-Mattler vom TV Voerde als Startläuferin. Die Sprinterin zahlte das Vertrauen einen Tag später mit einem sensationellen Lauf zurück und ist bis heute froh über die Startreihenfolge: „Wenn ich hätte wählen können, wäre ich auch als Startläuferin gelaufen. Mir war das schon recht.“ Ihre Staffelkolleginnen standen ihr in nichts nach und brachten es mit einer Zeit von 3:22,98 Minuten nicht nur zu einem neuen Deutschen Rekord, sondern auch zur Bronzemedaille.
Bis zu diesem sensationellen Erfolg war es jedoch ein steiniger und langer Weg für die damals 26-Jährige Leichtathletin. Heike Schulte-Mattler (zuvor Heike Schmidt) wurde 1982 zunächst Deutsche Meisterin und landete mit der deutschen 4x400-Meter-Staffel bei den Europameisterschaften auf dem vierten Platz. Über 200 Meter schied sie bei der EM allerdings im Vorlauf aus.
Die bodenständige Voerderin lehnte immer wieder Angebote von anderen Vereinen ab und entschied sich ganz bewusst für einen Verbleib in der Heimat. „Ich hatte“, erklärt die Bronzemedaillen-Gewinnerin von 1984, „in Voerde immer Freunde, Bekannte und einen guten Trainer mit Lutz Rienäcker. Außerdem haben wir nur einmal pro Woche auf einer Tartanbahn trainiert. Die anderen Einheiten haben wir auf Asche, Rasen oder im Wald gemacht. Deshalb hatte ich auch nur ganz selten Verletzungen.“ Der TV Voerde war also nicht einfach die bequemste, sondern in Schulte-Mattlers Fall auch die beste Lösung.
Zur Vorbereitung war Schulte-Mattler 1984 zunächst vier Wochen im Trainingslager in St. Moritz. Je näher die Spiele rückten, desto enger wurde der Zeitplan. Aus St. Moritz zurückgekehrt traf sich der DLV in München. „Dort haben wir unsere Sachen für Olympia bekommen und hatten dann zwei Tage in der Heimat, ehe es nach Amerika ging“, erinnert sich Schulte-Mattler. Ab in den Flieger also ins etwa 9000 Kilometer entfernte Los Angeles. Dort hatten die deutschen Leichtathleten ein weiteres Trainingslager, ehe es eine Woche später ins Olympische Dorf ging. „Da war schon eine besondere Stimmung. Wir waren in einem Studentenwohnheim untergebracht. Wenn die erfolgreichen Athleten am Abend in die Mensa kamen, gab es stehende Ovationen“, denkt Heike Schulte-Mattler gerne zurück.
Rückschlag als Vorbote des Erfolgs
Die Olympischen Spiele begannen für die Voerderin allerdings zunächst nicht gut. Schulte-Mattler hatte im Vorlauf über 400 Meter einen starken Lauf erwischt und wurde mit einer Zeit von 52,77 Sekunden nur Fünfte. In jedem anderen Vorlauf wäre sie mit dieser Zeit unter den besten Vier gelandet und somit auch ins Halbfinale eingezogen. Aber es gab noch die Staffel für die 26-Jährige. Dort war der Vorlauf besser und die Deutschen qualifizierten sich als Zweitplatzierte für das Finale.
Das Ziel: Vor den Engländerinnen
Am 11. August war es dann soweit: Olympisches Finale. Los Angeles Memorial Coliseum. Über 77.000 Zuschauer. Heike Schulte-Mattler betritt gemeinsam mit der Staffel das Stadion und ist aufgeregt. „Vor dem Lauf sieht man natürlich die tolle Kulisse und ist nervös, aber als ich mit dem Stab an den Start ging, ist alles abgefallen“, erinnert sie sich an die Gedanken vor dem Rennen und erzählt weiter: „Unser Ziel war es, vor den Engländerinnen ins Ziel zu kommen.“
Ein Ziel, das die vier Damen nur wenige Minuten später erreichen sollten. Auf der vierten Bahn gestartet, legte Schulte-Mattler eine starke Runde hin und übergab den Stab an Ute Thimm sogar noch vor den Engländerinnen, die auf der zweiten Bahn gestartet waren.
Was sie in den kommenden gut zwei Minuten sah, sollte ihr Leben verändern. Nach 3:22,98 Minuten durfte sich das Quartett über Olympia-Bronze freuen.
Einmal Voerde, immer Voerde
Zwei Tage später, zurück im heimischen Voerde, war für Heike Schulte-Mattler zunächst nichts mehr wie zuvor. „Plötzlich wurde ich eingeladen, den Anstoß bei einem Fußballspiel zu machen. Ich war beim Bürgermeister und die Menschen auf der Straße haben mich erkannt“, berichtet die heute 61-Jährige. Schulte-Mattler ist mittlerweile als Gleichstellungsbeauftragte im Stadtsportverband Voerde tätig und auch beim TV Voerde Leiterin der Leichtathletikabteilung. Wer weiß, vielleicht entdeckt sie einen kommenden Olympia-Teilnehmer bei ihrem TV Voerde. . .