Bochum. Es flogen Raketen im Ruhrstadion aus der Ostkurve, es gab Ultras-Raus-Rufe, hohe Strafen drohen. Ist der Klub machtlos? Das sagt der VfL.

Fans des VfL Bochum, mutmaßlich aus der Ultraszene, haben beim Spiel des VfL Bochum gegen Bayer Leverkusen mit einer von den Ultras Bochum organisierten großen „Ich-liebe-Dich“-Choreo viel Zustimmung erhalten (Text dazu: hier). Doch einige entzündeten ständig Pyrotechnik, immer wieder brannte in der ersten Halbzeit eine Fackel.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit gab es eine XXL-Pyro-Show, sogar Raketen flogen, gefährdeten die Sicherheit massiv - und fast bis zum Schlusspfiff brannte es in der Ostkurve, mal hier, mal dort. Viele Fans im Stadion reagierten mit „Ultras-Raus“-Rufen und Pfeifkonzerten gegen die Ultras, die vor der Partie einen beeindruckenden Fanmarsch mit rund 4000 Teilnehmern organisiert hatten. Der Zoff in der Ostkurve droht zu eskalieren.

Pro und contra Ultras des VfL Bochum: Fanforen laufen heiß

Das Stadion war vor der Ostkurve teilweise verraucht und vernebelt, etliche Fans beklagten starke Sichtbeeinträchtigungen. In den sozialen Medien läuft die Debatte weiter heiß. Pro Pyro und Ultars hier, contra dort. Tenor bei vielen von dieser Redaktion befragten Fans: Ein bisschen Pyro ist ja okay, aber diese Nonstop-Abfackelei und insbesondere die Raketen waren maßlos überzogen.

Spielpause im Pyro-Nebel beim Spiel des VfL Bochum gegen den SC Freiburg.
Spielpause im Pyro-Nebel beim Spiel des VfL Bochum gegen den SC Freiburg. © ddp/Sven Simon | Anke Waelischmiller/Sven Simon

VfL Bochum: Gegenwind für Ultraszene

Bei etlichen Fanklubs macht sich Sorge breit, dass sich die VfL-Fans wieder spalten wie zuletzt vor der Ausgliederung der Profiabteilung. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison entzündeten einige - mutmaßliche - Ultras sowohl direkt als auch im übertragenen Sinne ein Feuer.

Schon beim Heimspiel gegen Freiburg wurde in der Ostkurve massiv gezündelt, brannten Bengalos ab, gab es Ärger unter den VfL-Fangruppierungen.

Einer schrieb nach dem Freiburg-Spiel Mitte März dieser Redaktion: „Ihr und Euer stinkender Rauch wurden gnadenlos ausgebuht. Die Menschen im Stadion wollen so eine, sorry, Scheiß-Aktion nicht.“ Und: „Ihr seid Fans des VfL? Dann würdet Ihr dem Verein nicht ständig mit so einem Mist Schaden zuführen.“

Nach Pyro gegen Freiburg: VfL Bochum bezieht Stellung

Der Leserbrief-Schreiber kritisierte auch den VfL Bochum und fragte, warum der Klub das Abbrennen von Pyrotechnik nicht unterbinde: „Hat VfL Bochum Angst, gegen die Ultras etwas zu unternehmen?“ Wir hatten dem Klub bereits im März diese und weitere Fragen gestellt.

Tim Oermann (r.) vom VfL Bochum und Roland Sallai vom SC Freiburg beim Spiel im Ruhrstadion.
Tim Oermann (r.) vom VfL Bochum und Roland Sallai vom SC Freiburg beim Spiel im Ruhrstadion. © IMAGO/Nordphoto | IMAGO/nordphoto GmbH / Rauch

Hohe Geldstrafen: 1. FC Köln vorne, VfL Bochum auf Platz zwölf

Fakt ist bei aller Emotionalität und Komplexität, die das Thema Pyrotechnik im Stadion erzeugt und mit sich bringt: Das Abfackeln von Pyrotechnik gehört seit Jahrzehnten zur Kultur der Ultraszenen, in Südamerika etwa ist diese noch deutlich ausgeprägter. In Deutschland ist Pyrotechnik im Stadion aus Sicherheitsgründen verboten. Das DFB-Sportgericht verurteilt die Klubs bei entsprechenden Vorfällen zu Geldstrafen, einen Teil davon können die Vereine für Sicherheit und Gewaltprävention verwenden.

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Die Website „fussballmafia.de“ listet alle DFB-Urteile auf. In dieser Saison musste der 1. FC Köln bereits 639.000 Euro Strafe zahlen, Eintracht Frankfurt kommt auf 575.000 Euro. Bochum liegt in dieser „Pyrotabelle“ auf Rang 12 aller Profiklubs bis zur 3. Liga mit 236.350 Euro, wobei in der Summe auch Strafen für Becherwürfe, unter anderem beim Heimspiel gegen Mönchengladbach, Tennisball-Würfe (Heimspiel gegen Augsburg) oder das Betreten von Fans in Innenräumen (Heimspiel gegen Wolfsburg) enthalten sind. Davon können bis zu 76.400 Euro für Projekte der Sicherheit oder Gewaltprävention verwendet werden.

Zuletzt wurde der VfL etwa für das Zünden von Pyrotechnik und Abschießens von Raketen beim Spiel in Dortmund Ende Januar zu einer Strafe von 112.500 Euro verdonnert, als die Partie insgesamt drei Minuten unterbrochen werden musste. Die Urteile für weitere Vorfälle wie gegen Freiburg und nun gegen Leverkusen stehen noch aus.

Pyrotechnik: VfL Bochum bezieht Stellung

In dieser Saison wurde der VfL zudem wegen des Abfackelns von „pyrotechnischen Gegenständen“, wie es in den DFB-Urteilen heißt, bei den Auswärtsspielen in Bielefeld im DFB-Pokal, in Augsburg, Darmstadt und Leverkusen verurteilt.

Diese Redaktion fragte beim VfL Bochum bereits Mitte März nach, ob und wie er mit dem Thema Pyrotechnik und seinen Folgen umgeht.

Allein in dieser Saison musste der VfL Bochum bisher nach Urteilen des DFB-Sportgerichts wegen unsportlichen Verhaltens seiner Fans knapp 88.850 Euro Strafe zahlen, überwiegend wegen des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände. Wie sehr schmerzen diese Ausgaben den VfL Bochum?

Selbstverständlich schmerzen den VfL diese Strafen. Jede Strafe schmerzt, ob für unbefugtes Betreten des Innenraums, durch das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände oder aber durch Becherwürfe. Nachdem der VfL in der vergangenen Saison für diverse Vergehen seiner Fans 225.000 Euro zahlen musste und in der Spielzeit 2021/22 145.000 Euro, kann man einerseits ersehen, wie groß die „Schmerzen“ sind, andererseits auch darauf hoffen, dass der Trend rückläufig ist.

Bochumer Fans vernebelten beim Heimspiel gegen Freiburg das Stadion, das Spiel musste unterbrochen werden.
Bochumer Fans vernebelten beim Heimspiel gegen Freiburg das Stadion, das Spiel musste unterbrochen werden. © FUNKE Foto Services | Udo Kreikenbohm

Wie versucht der VfL Bochum, den Einsatz von Pyrotechnik zu verhindern?

Dieses Phänomen ist kein spezielles in Bochum, die Problematik ist europa-, ja weltweit präsent. Der Umgang hiermit ist höchst unterschiedlich, in etlichen Ländern gehört Pyrotechnik zur Fußballfolklore und wird entsprechend toleriert. Der DFB sieht dies anders und verfolgt und bestraft diese Vergehen. Dennoch, vielleicht auch gerade deswegen, kommt es immer wieder zu Verstößen. Was, siehe oben, allerdings kein originäres Bochumer Problem ist, sondern sich an vielen Fußballstandorten in Deutschland Woche für Woche wiederholt. Es zeigt sich also, dass es fast überall schwer ist, das Hineinschmuggeln von pyrotechnischen Gegenständen zu verhindern. Der VfL Bochum 1848 vertraut auf das geschulte Personal des beauftragten Sicherheitsdienstleisters, der hierbei alle legalen Möglichkeiten bei den Kontrollen ausschöpft. So werden neben einem hohen Personalaufwand unter anderem auch spezielle Hunde eingesetzt, die im Bereich der Sprengstoffsicherung ausgebildet wurden. Allerdings sehen viele im Stadion nur die Pyrotechnik, die zum Einsatz kommt und nicht die hohe Anzahl der Pyrotechnik, die durch stattfindende Kontrollen am Spieltag gefunden und beschlagnahmt wird. Wenn in diesen Fällen die Identifizierung einwandfrei erfolgt und die Beweislage eindeutig ist, werden Stadionverbote ausgesprochen.

Warum ist beim Heimspiel gegen Freiburg niemand eingeschritten, als sich Fans vermummt haben?

Es müsste die Gegenfrage gestellt werden: Was gilt als Vermummung – die Wrestler-Maske, der Schal vor dem Gesicht, die Kapuze, die tief übers Gesicht gezogen wird, womöglich noch durch eine Sonnenbrille geschützt? Je nach Wetterlage schwierig zu definieren oder zu trennen. Und von Spielen an Karnevalswochenenden ist da noch nicht die Rede… Die weiterführende Frage sollte dann lauten: Weswegen wird das Gesicht verhüllt: Schutz vor Kälte und Wetter oder aus Gründen der Straftatvorbereitung? Daraus abgeleitet: Können die Sicherheitskräfte einwandfrei die oben genannten Unterschiede erkennen? Und sollten sie dann vorsorglich einschreiten, womöglich gewaltsam, auch wenn noch kein Straftatbestand vorliegt? Man sieht: Es gibt mehr offene Fragen als Antworten.

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Warum schreitet beim Entzünden von Bengalos oder Rauchtöpfen niemand ein?

Es gilt immer abzuwägen, was eskalierend wirkt und was deeskalierend ist. In diesem Fall sprechen wir von Einsätzen in vollbesetzten Stehplatzblöcken. Der Einsatz von Sicherheitskräften und der Polizei in einem gefüllten Fanblock ist auch auf für Fans, die nichts mit dem eigentlichen Vergehen zu tun haben, nicht ungefährlich. In einem gefüllten Fanblock ist es teilweise sehr eng, mitunter auch beklemmend, und wenn in diesem Zusammenhang noch polizeiliche Maßnahmen durchgeführt werden, kann es schnell zu einer unübersichtlichen Gemengelage kommen. Damit aber gerade solche Dinge nicht passieren, wird im Vorfeld sehr genau darüber beraten, ob der Einsatz von Sicherheits- und Polizeikräften im Fanblock den Umständen angemessen wäre. Diese deeskalierende Vorgehensweise durch Polizei oder das Sicherheitspersonal ist auch bei Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen mit hohen Besucherzahlen zu beobachten.

Wie bemüht sich der VfL Bochum hinterher die Täter zu ermitteln? Gibt es ermittelte Täterinnen oder Täter nach dem Aufstieg in die Bundesliga oder nach dem Spiel gegen Freiburg?

Das Vonovia Ruhrstadion verfügt über ein hochauflösendes Überwachungssystem, welches im Nachgang ermöglicht, Täter zu ermitteln und entsprechende Konsequenzen wie zum Beispiel die Aussprache eines Stadionverbots einzusetzen. In enger Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden werden Videoaufzeichnungen ausgewertet und verfolgt. Nach dem Aufstieg im Jahr 2021 wurden bereits etliche Stadionverbote ausgesprochen. Die Auswertungen des Videomaterials aus dem Spiel gegen den SC Freiburg dauern hingegen noch an.

Hat der VfL Bochum Angst vor seinen Ultras?

Der VfL Bochum 1848 ist in der Bundesliga ein Vorreiter beim lizensierten Club-Fan-Dialog. Die Probleme, die es im Fußball hinsichtlich von Fanverhalten gibt, sind auch uns bekannt, lassen sich aber nicht sofort und einfach lösen. Eine ständige Kommunikation mit allen Fans und der aktiven Fanszene (inklusive der Ultraszene) ist daher aus unserer Sicht enorm wichtig und wird stets geführt. Nur der Austausch von gegenseitigen Argumenten wird am Ende zu einem konstruktiven Dialog und Ergebnissen führen. Durch seine Fanbeauftragten und den Mitarbeitern des Bochumer Fanprojekts, die zum Teil über eine lange Berufserfahrung verfügen, sind wir mit fast allen Fangruppierungen im regelmäßigen Austausch und Diskurs.

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