Bochum. Spektakulärer Abend für den VfL Bochum: 3:2 gegen den FC Bayern, Platz elf. Die Spieler schwärmen von den Fans. So feiert Bochum den Triumph.
Noch einmal parierte der glänzende Manuel Riemann mit dem Fuß, zwei Minuten später drosch Kevin Stöger den Ball Richtung Ostkurve. Die Fans flippten aus, der Can Can dröhnte aus den Boxen. 19.47 Uhr am Sonntagabend, 18. Februar 2024. Ende eines denkwürdigen Spiels mit zwei Unterbrechungen. Bochum drei. Bayern zwei.
Wieder so ein Ding für die Geschichtsbücher der Bochumer, wie vor zwei Jahren, als der VfL Bochum die Bayern 4:2 düpierte. Und es war, aus dem Süden betrachtet, auch für die Bayern ein historisches Stück Fußballgeschichte mit der dritten Niederlage in Folge binnen acht Tagen.
VfL Bochum: Spieler schmeißen sich in jeden Zweikampf
Der VfL hatte den deutschen Rekordmeister niedergerungen, gekämpft, auch niedergespielt. Sie blockten, schmissen sich in die Schüsse, den Rest erledigte Riemann. Sie schalteten um und ließen die meisten der 26.000 Fans im trotz Dauerregens gefühlt ständig knisternden Ruhrstadion explodieren vor Freude. Wenn am Montag die Arbeit ruft, dürften manche VfL-Fans mit müden Augen erscheinen.
„Nie mehr 2. Liga“ dröhnte es um 19.52 Uhr durchs Stadion, und: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“, nachdem die Spieler ihre ersten Tänzchen vor der Ostkurve hinter sich hatten und von Block zu Block mit ihren Anhängerinnen und Anhängern den Sieg zelebrierten. „Wir wussten von Anfang an, heute geht was“, sagte Keven Schlotterbeck wenig später.
Schlotterbeck trifft und hat doch etwas zu meckern
Der Innenverteidiger zeigte hinten wie vorne eine blitzsaubere Partie, erzielte nach Jamal Musialas 0:1 und Takuma Asanos 1:1 selbst das 2:1 per Kopf nach einer Ecke von Kevin Stöger und wurde von Upamecano mit dem Ellbogen elfmeterreif erwischt. Upamecano sah Gelb-Rot, Stöger verwandelte den Strafstoß zum 3:1 in Minute 78.
Harry Kanes 2:3 (87.) reichte den Bayern nicht, Bochum überstand acht Minuten Nachspielzeit. „Als das Tor von Musiala fällt, hat uns das nicht umgehauen. Das ist die Magie des Vonovia Ruhrstadions. Du weißt genau, du kannst immer zurückkommen“, sagte Schlotterbeck. „Du machst das 1:1, dann bebte die Tribüne da hinten und du denkst, was ist hier schon wieder los. Es kommt das 2:1, das 3:1. Die Jungs waren da, haben uns angefeuert, das pusht uns.“
Über die letzte Viertelstunde, das 2:3, das Zittern am Ende in Überzahl ärgerte er sich, „darüber war ich schon sauer. Aber das können wir jetzt nach dem Sieg in Ruhe analysieren in der Kabine bei einer Runde“, sagte einer der Matchwinner erstaunlich kritisch nach einm Bayern-Coup.
Bernardo: mit blutigem Knie, mit unglaublicher Zweikampfstärke
Bernardo, der als Linksverteidiger „einer der Besten der Bundesliga ist und gefühlt wieder alle Zweikämpfe gewonnen hat“, so Trainer Thomas Letsch treffend, schwärmte von den Fans - was umgekehrt genauso gilt. Bernardo durfte sich für zig Grätschen feiern lassen von den Fans, holte sich ein blutendes Knie ab. Der Brasilianer war vor allem nach dem Rückstand überzeugt vom VfL-Sieg. „Wir sind bei uns geblieben, haben weiter mutig gespielt“, sagte er und lachte immer wieder. „Unsere Fans sind einfach die Besten in der Bundesliga. Es ist ein super Gefühl, so einen riesengroßen Verein zu schlagen.“ Auch Thomas Letsch, der Trainer, stellte heraus, dass sein Team nach dem 0:1 „super zurückgekommen ist“.
+++ VfL Bochum: Protest-Pausen halfen bei Sieg gegen FC Bayern +++
Die Bayern verpassten zunächst das 2:0, Harry Kane schoss drüber, ehe allerdings Fan-Proteste und fliegende Tennisbälle aus der Bochumer Ostkurve und dem Bayern-Block für eine Unterbrechung von rund 12 Minuten sorgten. Auch in der zweiten Halbzeit gab es rund zehn Minuten Pause wegen der Proteste gegen den von der DFL geplanten Investoren-Einstieg, konkret auch gegen den Investoren-Kandidaten CVC.
Korrekturen in der ungewollten Pause in der ersten Halbzeit
VfL-Trainer Thomas Letsch würde auf die Pausen gerne verzichten, das sei für die Spieler körperlich und psychisch nicht einfach. Gleichwohl konnte er diesmal in der ersten Halbzeit die Auszeit nutzen für Korrekturen am Spielfeldrand vor versammelter Mannschaft. Erhan Masovic, für den verletzten Patrick Osterhage in die Startelf gerückt, rückte als Sechser weiter nach rechts, um die Kreise von Jamal Musiala besser einzuengen. Es klappte, Bochum drehte den Spieß, verteidigte auch im zweiten Durchgang konsequent, spielte weiter mutig mit. „Wir haben mit viel Leidenschaft, einem Quäntchen Glück, aber nicht unverdient gewonnen“, lobte Letsch.
Er nahm neben den Fans wieder die gesamte Mannschaft mit ins Boot, neben Osterhage (muskuläre Probleme, Einsatz in Gladbach noch fraglich) fehlte ja auch der gesperrte Matus Bero, in Mönchengladbach kommende Woche Samstag wird Anthony Losilla nach seiner fünften Gelben Karte fehlen. „Wir haben eine tolle Mannschaft mit viel Mentalität, jeder wirft sich in die Bälle“, sagte Letsch. „Mit Bero und Osterhage fehlten zwei wichtige Spieler mit viel Intensität. Umso schöner war es zu sehen, dass wir das auffangen konnten.“
Allerdings. Doch trotz des Triumphes gegen die Bayern hoben Marc Lettau, der Sportdirektor, Trainer Letsch und die Spieler keineswegs ab. Bochum ist nun Tabellenelfter, hat neun Punkte Vorsprung auf Relegationsrang 16, zwölf Partien stehen noch aus. „Das waren unterm Strich drei weitere wichtige Punkte auf dem Weg zum Klassenerhalt. Es war heute sehr euphorisierend, wir haben den Sieg mit Leidenschaft erkämpft“, meinte Lettau.
VfL Bochum: Lettau und Letsch mahnen
Letsch überlegte noch, ob es beim Glas Wasser bliebe, entschied sich dann während der Pressekonferenz „noch für ein anderes Getränk“ im Laufe des Abends. Nach einem Spiel könne er ohnehin nicht schlafen, und „die Jungs dürfen das jetzt auch genießen“, sagte er. Letztlich aber, so Letsch alles andere als komplett euphorisiert, „haben wir heute drei Punkte geholt, das war unser Ziel, das war das Wichtige, völlig unabhänig vom Gegner. Wir wissen, dass wir noch nicht am Ziel sind.“