Bochum. DFL-Investoren-Einstieg, Fanproteste, Unterbrechung auch beim Bochum-Spiel gegen den FC Bayern. Okay oder nicht? Wir fragten vorab VfL-Fans.
Wieder flogen tausende Tennisbälle und andere Gegenstände auf die Rasenflächen der Erst- und Zweitliga-Stadien, Spielabbrüche drohten, nach teils langen Unterbrechungen bis zu fast 30 Minuten ging es dann überall weiter, auch in Wolfsburg, auch in Hannover etwa und in Bochum. Fan-Proteste gegen den Einstieg eines Investors bei der Deutschen Fußball-Liga und gegen, so der Vorwurf, Mauschelei bei der Abstimmung sorgen auch bei Spielern und Klubs zunehmend für Frust.
Auch Bochumer Fans beteiligten sich bereits mehrmals an den Protesten. Wir fragten vor dem Sonntagabendspiel des VfL Bochum gegen den FC Bayern VfL-Fans, wie sie zu den Protesten stehen, wie weit sie gehen sollten und ob es zu einer Neuabstimmung kommen soll - die Meinungen sind gespalten.
VfL Bochum stimmt für Investoren-Einstieg - 50+1 für Fans ein großes Thema
Als „legitim und gerechtfertigt“ bezeichnet Billy Schultz die Proteste klipp und klar. Ihn stört vor allem das geheime, zweite Abstimmungsverfahren. Denn zum einen richten sie die Proteste ja gegen den Einstieg eines Investors an sich, der rund eine Milliarde zahlen soll für eine Acht-Prozent-Beteiligung an den Medienerlösen der kommenden 20 Jahre. Der VfL Bochum plädiert dafür, um wettbewerbsfähig zu bleiben.Er will „aus einem Euro zwei machen“, erklärte Geschäftsführer Ilja Kaenzig auch im VfL-Stadtwerke-Bochum Talk anne Castroper. „Aber diesen Euro müssen erst einmal haben.“ Man stehe dabei seit langem im Austausch mit dem Fangremium und der aktiven Fanszene.
Zum anderen aber geht es längst um (fehlende) Transparenz und eine von der Fanszene und auch einigen Klubs kritisierte Umschiffung der 50+1-Regel. Martin Kind, Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter des Zweitligisten Hannover 96, war bei der geheimen Abstimmung im Dezember von seinem Stammverein beauftragt worden, mit Nein zu stimmen. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass er sich der Weisung widersetzte. Kind selbst erklärt sich dazu nicht.
Für Hannover 96, viele Klubs und Fans wäre sein Ja ein Verstoß gegen die 50+1-Regel, nach der der Klub das Sagen haben muss. 24 der 36 Profiklubs stimmten dann für den Einstieg eines Investors, es war exakt die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit.
„DFL hat Mist gebaut“ - Klubs sollten die Mitglieder befragen
„Die DFL wollte die Entscheidung durchziehen“, ärgert sich Billy Schultz. „Man kann nicht immer sagen, 50+1 gilt, und dann wird geheim anders abgestimmt. Da hat die DFL Mist gebaut.“ Sollte es mal zum Abbruch kommen wegen der Proteste, „dann ist das so. “ Sein Vorschlag: „Die 36 Vereine sollten erst ihre Mitglieder abstimmen lassen.“
Max Block sieht es anders. Protest sei in Ordnung, aber nicht in dieser ausufernden Form, „da muss es einen Stopp geben“, sagt der 27-Jährige. „Die Fans könnten ja zum Beispiel eine Demonstration anmelden vor der DFL-Geschäftsstelle in Frankfurt.“ Er sei auch gegen den Einstieg eines Investors, für eine Neu-Abstimmung. Aber Würfe von Tennisbällen und anderen Gegenständen, lange Unterbrechungen, „da geht der Spielfluss verloren, der darf nicht beeinträchtigt werden. Und wenn ich auswärts unterwegs bin, muss ich auch noch meine Bahn zurückbekommen“, denkt er auch pragmatisch. Die TV-Sender indes, mutmaßt er, würden sich freuen - mehr Sendezeit, mehr Aufmerksamkeit.
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VfL-Fan gegen mehr Geld von Investoren: Brauche in Bochum keinen Glamour
Jamie Kurth indes sieht die Proteste positiv auch in dieser Form. „Wenn man nur Transparente zeigt, geht das an 90 Prozent der Leute vorbei“. So aber gebe es Reaktionen, es tut sich was „im Sinne der Sache. Ich gehe zum VfL Bochum, weil ich den ganzen Glamour nicht brauche, sondern ehrlichen Fußball sehen will. Wir müssen hier nicht mit der Premier League mithalten.“
Die DFL untermauerte zuletzt ihr Gesprächsangebot, bisher lehnten die großen Fan-Gruppierungen diese aber ab. Blackstone ist als Investor-Kandidat ausgestiegen, die Fans werten dies als Erfolg. CVC Capital Partners ist derzeit einziger Bewerber, eine Private-Equity-Unternehmen, das unter anderem von einem saudi-arabischen Staatsfonds Geld erhält. Das wiederum passt nicht zu den Werten, für die etwa der VfL Bochum steht, kritisieren Bochumer Fankreise.
Spielunterbrechung - Proteste gegen Investoren-Kandidat CVC und fliegende Tennisbälle
„CVC: Wir bekämpfen euch Bastarde bis zum Schluss!“ stand auf einem großen Banner der Ostkurve, das Fans ausrollten in Spielminute 20. Auch die Bayern-Anhänger zeigten Banner gegen Alexander Dibelius, den Deutschland-Chef von CVC. „Dibelius, das Arschloch“ stand darauf. Die Partie wurde unterbrochen, aus dem VfL-Block flogen Tennisbälle, Ordner sammelten sie ein.
Als sie fertig waren, begannen die Münchener Anhänger mit dem Werfen der Bälle, Schiedsrichter Daniel Schlager diskutierte mit den Trainern Thomas Letsch und Thomas Tuchel, während beide - ja befreundeten - Fanlager „Scheiß DFL“ skandierten. Nach über 12 Minuten ging es weiter. Bochum drehte auf, ging mit 2:1 in Führung.
Auch in der zweiten Halbzeit flogen wieder Bälle, gab es eine Unterbrechung. Der Schiedsrichter bat beide Teams in die Kabinen, VfL-Kapitän Anthony Losilla rannte zur Ostkurve, mühte sich um Schlichtung, erklärte, dass die Partie sonst abgebrochen werden müsse, rannte dann zur Kabine. Bochum führte immer noch mit 2:1. Thomas Müller und Manuel Neuer, die spielenden Bayern-Legenden, sprachen kurz mit den FCB-Fans. Die Partie ging nach acht Minuten Unterbrechung um 19.03 Uhr weiter. Am Ende gewann der VfL mit 3:2.
Protest ist angebracht: „Fußball gehört den Fans“
Maßvoll noch?
„Der Fußball gehört den Fans, deshalb finde ich die Proteste grundsätzlich gut und richtig, sofern keine Menschen oder die Würde des Menschen verletzt werden. Europa beneidet uns um unsere Fankultur“, sagte Jessie Seom vor der Partie, wohlgemerkt. „Es ist schwer zu vermitteln, wenn eine Abstimmung wiederholt wird, um eine Mehrheit zu erhalten. Man sollte die Fans mehr mit ins Boot und ernst nehmen.“ Dem Investoren-Einstieg steht sie kritisch gegenüber. Und wenn es gar zum Abbruch kommt? Das, sagt sie, sei „schwierig“.
Nichts anfangen mit den Protesten im Stadion kann Silke Pöttgen. „Ein Spiel sollte sich durch die Proteste nicht verzögern, das stört den ganzen Ablauf, auch die Spieler“, sagte sie. „Als normaler Fan möchte man das Spiel sehen.“
Mittlerweile haben etliche Profiklubs für eine neue Abstimmung plädiert, wie etwa der VfB Stuttgart, 1. FC Köln, Borussia Mönchengladbach und SV Darmstadt 98. Das lehnt die DFL bisher ab. Köln plant, einen Antrag einzureichen, damit die Klubs „das DFL-Präsidium vom Abschlussmandat befreien, das sie ihm gegeben haben“. Mit der Folge: „Nach erfolgter Verhandlung durch das Präsidium sollen die Klubs selbst über den Abschluss des Deals entscheiden.“
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