Bochum. Sportdirektor Marc Lettau spricht im Interview über die ausgeliehen Spieler des VfL Bochum. Wie geht es mit Transferflop Lys Mousset weiter?
Die Hinrunde der Bundesliga neigt sich dem Ende entgegen. Zwei Spiele bestreitet der VfL Bochum noch. Am Samstag kommt Union Berlin an die Castroper Straße, der Ex-Klub von Sportdirektor Marc Lettau. Im zweiten Teil des Interviews spricht er über den kommenden Gegner, die bisherige Saisonbilanz des VfL, warum die Wiedereinführung einer U23 Sinn ergibt und wie der Vertragsstand bei einigen Spielern ist.
+++ Hier geht es zum ersten Teil des Interviews mit Marc Lettau +++
Seit einem Jahr sind Sie beim VfL Bochum für den Kader mitverantwortlich. Wie fällt Ihre Jahresbilanz aus?
In der vergangenen Saison ging es allein darum, die Klasse zu halten. Das ist uns in einer emotionalen Art und Weise am 34. Spieltag gelungen. In der Kaderplanung für die Saison 2023/24 wollten wir insbesondere die Qualität in der Tiefe steigern und Spieler mit einer Altersstruktur und Perspektive verpflichten, die für uns zukünftig Transferwerte generieren können. Das ist uns im ersten Schritt aus meiner Sicht gelungen. Wir sind mit unserem Kader sehr glücklich und der Überzeugung, dass viele Spieler ihren Leistungszenit noch nicht erreicht haben und über viel weiteres Potenzial verfügen.
Woran fehlt es Ihnen?
Gemessen an den Expected-Goals- und Expected-Points-Werten müssen wir die Effizienz vor dem gegnerischen Tor steigern. Die Werte sagen u.a. aus, dass die bisher „zu erwartende Punktzahl“ in Orientierung an die Spielleistungen um vier Punkte höher hätte ausfallen müssen. Darüber hinaus gibt es natürlich immer diverse Bereiche, in denen wir uns gesamtmannschaftlich, aber auch individuell steigern müssen.
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Zwei Spiele stehen bis Saisonende noch an. Was erwarten Sie sich von Ihrer Mannschaft?
Wir wollen aus beiden Spielen unbedingt etwas mitnehmen. Mit Union Berlin erwarten wir eine Mannschaft, die sicherlich mit einer anderen Erwartungshaltung in die Saison gestartet ist, sich derzeit aber in unserer Tabellenregion aufhält. Zum Jahresabschluss geht es nach Leverkusen. Wir spielen beide Bundesliga, stehen in Konkurrenz – warum sollten wir nicht die ersten sein, die dort gewinnen? Ich erwarte in keinem Bundesliga-Spiel, dass wir gewinnen. In der Regel gehen wir nicht als Favorit in ein Spiel, unser Anspruchsdenken ist dennoch, dass wir in jedes Spiel gehen, um dieses zu gewinnen. Mit unserem Kader ist viel möglich.
Samstag kommt Ihr Ex-Klub Union Berlin nach Bochum. Wie viel Union steckt noch in Ihnen?
Es war eine sehr schöne und erfolgreiche Zeit in einem emotional geprägten Verein, der auf vielen Ebenen stark zusammenhält. Es herrschte ein familiäres Denken. Mit Oliver Ruhnert habe ich sehr viel und eng zusammengearbeitet. Davon profitiere ich in meiner jetzigen Position. Es war eine herausragende Zeit, auf die ich gerne zurückblicke.
Umgekehrt: Wie viel von Ihnen steckt noch in Union Berlin?
Ich war bis zu meinem Ausscheiden natürlich in allen Themen rund um die Lizenzspielerabteilung involviert, aber seitdem ist auch viel passiert. Es gab im Sommer eine große Fluktuation im Kader wohl auch bedingt durch das Erreichen der Champions League. Das Fußballgeschäft ist sehr schnelllebig und voraussichtlich wird die erste Elf gegen uns nicht mehr nur aus Spielern bestehen, die noch zum Jahreswechsel bei Union spielten. Ich bin gespannt, wie viele bekannte Gesichter mir vor dem Spiel im Spielertunnel über den Weg laufen.
Hätten Sie bei Union Leonardo Bonucci verpflichtet?
Ob ich die Entscheidung so getroffen hätte, kann ich von hier aus aber nicht beurteilen. Seine Qualität steht außer Frage und Union hat zum Ende der Transferperiode noch einen Innenverteidiger gesucht. Mit Bonucci hat man meines Erachtens einen sehr erfahrenen Spieler verpflichtet, der die Anforderungen in der Champions League kennt und der Mannschaft Stabilität verleiten kann.
Beim VfL Bochum soll wieder eine U23 eingeführt werden. Warum?
Wir wollen für unsere Spieler aus der Jugend eine Spielmöglichkeit im Zwischenschritt zu den Profis schaffen. Die Jungs müssen regelmäßig spielen. Wir wissen, dass der Sprung in die Bundesliga groß ist und die Entwicklung nach der U19 noch nicht abgeschlossen, da hilft ein weiterer Ausbildungsschritt.
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Hätte der VfL die U23 nie abschaffen dürfen?
Ich kann und will die Entscheidung von damals nicht beurteilen. Ich bin ein Fürsprecher davon, nach der U19 eine weitere Ausbildungsstufe hinführend zum Profi-Bereich zu haben. Aber das muss in der Herangehensweise inhaltlich bis ins letzte Detail durchdacht sein. Wir wollen die Talente ausbilden und nicht eine Mannschaft parallel zur Bundesligamannschaft laufen lassen.
Wie groß sehen Sie das Potenzial der aktuellen U19-Spieler?
Wir haben einige Spieler, die Potenzial für den Profifußball haben. Wir schauen uns die Jungs genau an und beurteilen, ob sie bei uns den Sprung ins Bundesliga-Team schaffen können. Für viele ist der direkte Wechsel aber schwer. Umso relevanter ist der Zwischenschritt.
Lettau über Oermann: „Wir stellen die individuelle Entwicklung des Spielers in den Vordergrund“
Ganz viele Verträge laufen aus. Darunter sind verdiente Spieler wie Danilo Soares oder auch Anthony Losilla und Michael Esser, die ja beide auch schon als Trainer beim Talentwerk eingeplant sind. Dazu gibt es Leistungsträger wie Takuma Asano oder Kevin Stöger. Gibt es da eine Priorisierung?
Wir haben mit allen Spielern mit auslaufendem Vertrag über ihre sportliche Perspektive bei uns im Verein gesprochen. Es ist kein Geheimnis, dass bei den genannten Namen auch Spieler dabei sind, mit denen wir gerne verlängern würden. Der Klassenerhalt in der Bundesliga ist bei diesen Spielern maßgeblich. Es sind auch Leihen ohne Option darunter, wobei wir diese mit Keven Schlotterbeck und Goncalo Paciencia auf zwei reduzieren konnte. Der Vertrag von Ivan Ordets würde sich im Falle des Klassenerhaltes automatisch um zwei Jahre verlängern.
Lys Mousset hat noch einen laufenden Vertrag. Es ist kein Geheimnis, dass man ihn gern abgeben möchte. Wie ist der Stand?
Es hat sich nichts geändert, der Spieler ist aktuell immer noch krankgeschrieben.
Paul Grave und Gerrit Holtmann sind ausgeliehen. Wie sehen Sie deren Situation?
Wir haben uns für Paul Grave mehr Spielzeit beim Wuppertaler SV erhofft. Wir sprechen mit den Beteiligten, wie es mit ihm weitergehen wird. Von Gerrit Holtmann erwarten wir, dass er sich bei Antalyaspor durchbeißt. Das ist im Übrigen auch sein persönlicher Anspruch.
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Im Funke-Talk „anne Castroper“ hatten Sie vor ein paar Wochen über eine Leihe von Tim Oermann gesprochen. Inzwischen stand er einige Male auf dem Platz. Soll er dennoch verliehen werden?
Ja, dabei bleiben wir. Wir stellen die individuelle Entwicklung des Spielers in den Vordergrund und für die ist es wichtig, dass er regelmäßig zum Einsatz kommt. Uns ist nicht damit geholfen, wenn er bei uns eine Back-up-Rolle einnimmt und nur selten zum Einsatz kommt. Er bestätigt, dass er Bundesliga spielen kann und ab Sommer ein fester Bestandteil unseres Kaders sein wird. Auf dem Weg dorthin wollen wir ihm per Leihe viel Spielzeit verschaffen. Aber es muss Sinn ergeben. Er sollte möglichst bei einem Verein spielen, bei dem er einer Konkurrenzsituation auf seiner Position ausgesetzt ist, ein gewisser Ergebnisdruck herrscht und das Umfeld eine gewisse Erwartung an den Spieler hegt.
Der VfL Bochum hat mit Hauptsponsor Vonovia verlängert. Werden Sie nun in der Wintertransferperiode aktiv und holen weitere Spieler?
Eine potenzielle Neuverpflichtung in der Wintertransferperiode steht nicht in Abhängigkeit zur Verlängerung mit unserem Hauptsponsor Vonovia, da sich der Lizenzetat für die laufende Saison 2023/2024 dadurch nicht verändert. Grundsätzlich wären wir im Winter handlungsfähig und beobachten den Markt daher auch ganz genau. Sollten wir positionsunabhängig zu der Einschätzung kommen, den Kader qualitativ verstärken zu können oder bereits einen Vorgriff auf den Sommer tätigen zu wollen, würden wir dies auch konkret in Erwägung ziehen.