Wiesbaden. Beim Gastspiel auf Schalke könnte es für Wehen Wiesbaden einen Rekord geben. Im Interview spricht Kult-Spieler Alf Mintzel über den S04-Gegner.

Alf Mintzel (42) hat für den SV Wehen Wiesbaden fast 300 Pflichtspiele bestritten und ist mittlerweile im Sponsorensektor des SVWW aktiv. Kaum ein anderer weiß, wie Wehen Wiesbaden tickt und wie schwer es ist, sich im Schatten der hessischen Bundesligisten Eintracht Frankfurt und Mainz 05 zu behaupten. Zu Zweitliga-Auswärtsgegner Schalke 04 hat Alf Mintzel einen ganz besonderen Bezug.

Herr Mintzel, Sie haben für den SV Wehen Wiesbaden 272 Spiele absolviert, gelten als Kult-Figur und arbeiten heute im Sponsoringbereich des Klubs. Was ist das Besondere an Wehen Wiesbaden?

Alf Mintzel: Wir sind ein kleinerer Profiverein, haben uns aber im Laufe der Jahre kontinuierlich weiterentwickelt. Die Mitgliederzahl ist von 600 auf 2500 angewachsen, wir haben mittlerweile die höchste Zertifizierung in unserem Nachwuchsleistungszentrum, bleiben aber realistisch. Wo wir aktuell sind, wollen wir bleiben. Der SV Wehen Wiesbaden soll ein gestandener Zweitligist werden.

Am Samstag gastiert Wehen Wiesbaden zum ersten Mal überhaupt in der Veltins-Arena auf Schalke. Was ist das für ein Gefühl?

Zwischen Schalke und uns liegen Welten. Zu meiner aktiven Zeit hat Schalke regelmäßig in der Champions League gespielt. Da haben Stars wie Raúl oder Emile Mpenza die Fans begeistert. Für uns als SV Wehen Wiesbaden ist es immens, in der Arena aufzulaufen. Unsere Fans fahren mit zig Bussen nach Schalke, weil das eben eine ganz besondere Begegnung ist. Es kann sein, dass es ein neuer Auswärts-Zuschauerrekord für uns wird.

Stimmung auf Schalke? „Fußballherz, was willst du mehr?“

Sie haben 2017 in der zweiten DFB-Pokalrunde mit Wehen Wiesbaden gegen Schalke gespielt und 1:3 verloren. Was ist von dem Spiel hängengeblieben?

Dass ich ein Tor gemacht habe. Allerdings ein Eigentor (lacht). Wenn es damals schon den Videobeweis gegeben hätte, wäre der Treffer aber nicht gegeben worden. Schalkes Stürmer Guido Burgstaller hat mich von hinten geschubst, das wäre eigentlich ein Stürmerfoul gewesen. Für uns war das Pokalspiel ein tolles Erlebnis. Wir haben noch das Anschlusstor geschafft und waren nah dran. Natürlich hatten wir vor Schalke Respekt, so wie man das vor jedem Gegner hat. Aber wir waren auch zu 100 Prozent motiviert und haben uns wahnsinnig auf das Spiel gefreut. Das war Schalkes erste Saison unter Trainer Domenico Tedesco. Sind sind in der Saison Vizemeister geworden.

Haben Sie im Pokalspiel ein Trikot mit einem Schalke-Star getauscht?

Ja, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, mit welchem Spieler ich getauscht habe. Das Schalke-Trikot habe ich nach dem Spiel im Freundeskreis an einen Schalke-Fan verschenkt. Ich selbst bin nicht so der große Trikotsammler und habe von mir selbst nur ein Trikot aus meiner Wehener Zeit behalten.

Was verbindet Sie sonst noch mit Schalke?

Ich habe mir vor einigen Jahren einige Spiele als Zuschauer in der Veltins-Arena angesehen, weil ich einfach mal dieses Stadion-Erlebnis mitbekommen wollte. Das war wunderbar, die Stimmung war immer top. Durch das Dach geht da nichts verloren. Da denkt man dann schon: Fußballherz, was willst du mehr? Und dann gibt es da noch etwas: Mein 15-jähriger Sohn Finn ist Mitglied bei Schalke.

Freut sich auf das Spiel auf Schalke: Wehen Wiesbadens langjähriger Profi Alf Mintzel.
Freut sich auf das Spiel auf Schalke: Wehen Wiesbadens langjähriger Profi Alf Mintzel. © imago/Jan Huebner | IMAGO/Andreas Volz

Warum der Sohn von Alf Mintzel Schalke-Mitglied ist

Wie kommt das?

(lacht) Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie das passieren konnte. Aber im Ernst: In Wiesbaden und Umgebung gibt es viele Schalke-Anhänger. Ein Freund unserer Familie hat Finn irgendwann mal mit nach Schalke zur offiziellen Saisoneröffnung genommen. Und seit diesem Tag ist er Schalke-Fan. Finn fährt auch mit zum Auswärtsspiel nach Schalke, hat da aber ein Wehen Wiesbaden-Trikot an.

Schalke 04 steckt sportlich in einer äußerst schwierigen Lage und steht nur knapp vor dem ersten Abstiegsplatz. Wie sehr überrascht Sie das?

Das ist einfach ein Beleg dafür, dass sich Dinge auch schnell in andere Richtungen entwickeln können und dass die Leistungsunterschiede zwischen den Vereinen geringer werden. Wenn Schalke zu Hause gegen Elversberg verliert, dann kannst du das ganz schlecht erklären, weil alle einen deutlichen Sieg von Schalke erwarten. Es gibt auch noch genug andere Beispiele: Hamburg, Hannover, Nürnberg. Alles Klubs mit großen Ambitionen und einer großen Fanbasis. Diese Fanbasis kann aber auch zu immensem Erwartungsdruck werden und eher hemmen.

Wie schwer ist der Übergang von der aktiven Karriere in den Sponsoring-Sektor beim SV Wehen Wiesbaden gefallen?

Seit ich 31 oder 32 Jahre alt war, hat es sich immer so angefühlt, als sei es meine letzte Saison für Wehen Wiesbaden. Aber meistens bin ich am Saisonende wieder auf 32 Spiele gekommen und habe weitergemacht. Irgendwann habe ich dann nicht mehr die ganz große Lust auf Profi-Fußball verspürt. Wann du 37 Jahre alt und zweifacher Familienvater bist, dann entfernt man sich etwas von den ganz jungen Spielern. Da sind dann die Themen in der Kabine anders. Und der Musikgeschmack ist manchmal fragwürdig. Mit dem Zweitliga-Aufstieg aufzuhören, war für mich die genau richtige Entscheidung. So bleibt man auf jeden Fall positiv in Erinnerung.

Sie spielen mit 41 Jahren noch in der Kreisliga beim TGSV Holzhausen.

Ganz ohne Fußball geht es dann doch nicht. Ich wollte das einfache Kicken weiter erleben. Es macht Riesen-Spaß. Im Profi-Fußball war mir das Ganze zuletzt zu sehr zahlenbasiert. Da wurde wirklich alles ausgewertet: Wie viele Sprints hast du gemacht, wie viele Kilometer bist du gelaufen. Das war nicht so meine Welt. Du kannst in jeder Statistik vorne sein, dann aber 25 Fehlpässe spielen: Und dann warst du trotzdem der Schlechteste. Man vergisst heutzutage oft die Basics.

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