Gelsenkirchen. Julian Draxler wird heute 30 Jahre alt – als Spieler von Al-Ahli SC in Katar. Zwei frühere Wegbegleiter analysieren den Weg des Ex-Schalkers.
Geschichten können sie beim FC Schalke 04 über Julian Draxler erzählen, die auch in Jahrzehnten keiner vergessen hat. 2011 zum Beispiel, als ganz Deutschland diskutierte, ob ein 17 Jahre junger Teenager die Schule abbrechen soll, nur um Profi zu werden. 2013 zum Beispiel, als er seinen Vertrag verlängert hatte und zahlreiche Lkw mit Draxlers Foto durchs Ruhrgebiet fuhren. Eine der umstrittensten königsblauen PR-Aktionen, bis heute. Oder das Tor des Jahres 2013 oder, oder, oder. Heute feiert Draxler seinen 30. Geburtstag, seit ein paar Tagen spielt er für Al-Ahli SC in Katar. Die Einordnung seiner Karriere fällt schwer: Viel zu wenig gemacht? Alles richtig gemacht?
Julian Draxler: Mit acht Jahren zu Schalke 04
Die Spurensuche beginnt bei Bodo Menze (70), der Jugendleiter der Schalker war, als der gebürtige Gladbecker Draxler im Alter von acht Jahren zu S04 kam. Mit Draxlers Familie kommt Menze bis heute gut aus. „Sein Vater Hans-Jürgen war guter Fußballer, wurde mit uns 1978 Deutscher B-Jugendmeister“, erzählt Menze. Hans-Jürgen und Julian schauten sich die Spiele der S04-Profis an, fuhren gemeinsam zum Training. „Man hat schon früh gesehen, dass er Talent hat. Bei ihm sah alles immer so leicht aus. Er war schnell, gut in der Koordination, technisch gut“, sagt Menze.
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Draxler war gerade 17 Jahre alt geworden, als ihn der damalige Profitrainer Felix Magath im Winter 2010/2011 zu den Profis holte. „Man konnte sofort sehen, welche Anlagen bei ihm da sind“, blickt Magath im Gespräch mit dieser Zeitung zurück. Im DFB-Pokalspiel gegen den 1. FC Nürnberg, als Draxler den Ball in der 119. Minute zum 3:2-Sieg in den Winkel knallte, schlossen ihn die Schalke-Fans in ihre Herzen. Magath wollte, dass Draxler die Schule abbricht, sich auf die Profikarriere konzentriert. „Das hat richtig Theater gegeben. Ich habe gesagt: Er kann immer noch das Abi nachholen, wenn es bei ihm nicht klappt“, sagt Magath. Draxler blieb und verließ die Schule mit der Fachhochschulreife.
Mit dem Scheinwerferlicht, den Mikrofonen hatte er nie ein Problem. Er wirkte schon früh sehr reflektiert und ehrgeizig. Er stellte Rekorde auf und sammelte Titel. Mit Schalke gewann er an der Seite von Raúl DFB-Pokal und Supercup (2011), wurde Torschütze des Jahres (2013). Als er Raúl zum ersten Mal beim Training die Hand schüttelte, so erzählte er es später, habe er nur versucht, „nicht ohnmächtig zu werden.“ Im Alter von 20 Jahren und 265 Tagen wurde er im Mai 2014 zum jüngsten Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Im Juli 2014 wurde er Weltmeister – ebenfalls noch mit 20. Draxler, langfristig DFB-Kapitän?
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Im Sommer 2015 verließ er dann das Ruhrgebiet. „Ich werde diesen Klub immer lieben. Aber ich muss mein Leben verändern“, sagte er. Er wechselte zum VfL Wolfsburg. Vater Hans-Jürgen reagierte wütend, der noch junge Jule weinte, als er seine Mutter und Großmutter informierte. Nach anderthalb durchschnittlichen Jahren ging es zu Paris St. Germain. Zu Draxlers Mitspielern in sechs Jahren gehörten Lionel Messi, Neymar, Kylian Mbappé. Viermal wurde er französischer Meister, stand 2020 im Champions-League-Finale. Erfolge, die aber niemand mit ihm in Verbindung bringt. Er war dabei, aber selten mittendrin.
Auch beim DFB ging es bergab. Führte er Deutschland 2017 als Kapitän und bester Spieler des Turniers zum Confed-Cup-Sieg, wurde er für die EM 2021 und die WM 2022 nicht mehr nominiert. Es blieb bei 58 Länderspielen. Menze macht das nachdenklich. „Bei all dem Talent hätte ich mir gewünscht, dass er noch eine größere Rolle gespielt hätte“, sagte er. Seine Karriere lässt Draxler in der Wüste ausklingen.
Felix Magath hat kein Problem mit Draxlers Katar-Wechsel
Er wurde nicht DFB-Kapitän, nicht einmal im Ansatz eine DFB-Legende. Magath sieht Draxlers Weg pragmatisch: „Er hat noch einmal einen tollen Vertrag unterschrieben. Ist doch in Ordnung.“ Auch mit dem Karriereende hat sich Draxler schon befasst. Zu Coronazeiten bildete er sich in BWL weiter, hat in Start-ups investiert, zum Beispiel in eins für Haargel. Er redet inzwischen genauso reflektiert über finanzielle Dinge wie im Alter von 18 Jahren über sportliche.
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Die Schalker Fans treibt eine Frage um: Gibt es für ihren Jule noch einmal einen Weg zurück? Kurzzeitig träumten sie davon, als Draxler bis vor kurzem einen neuen Klub suchte. Doch aktuell schaut er nur bei Heimatbesuchen ab und an auf Schalke vorbei. Und dann geht es auch um all die Geschichten, die er in Königsblau erlebt hat.