Gelsenkirchen. Schalke 04 will bis zum letzten Tag des Transferfensters nicht mehr viele Spieler einkaufen. Ist das fahrlässig? Ein Kommentar.
Die Tage seit der 0:1-Niederlage in Braunschweig zeigen mal wieder, dass es rund um den FC Schalke 04 nur zwei Emotionen gibt: Champions League oder Weltuntergang. War die Stimmung in der Sommerpause euphorisch, wurden Trainer Thomas Reis und die Spieler gefeiert, schien der Aufstieg nur eine Formsache zu sein, ist die Laune der Fans nach zwei Niederlagen in drei Zweitliga-Spielen im Keller und die Kritik sehr groß. Doch wo liegt die Wahrheit?
Schalke: Auch vor zwei Jahren war der Start schlecht
Alles zu kritisieren ist zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison übertrieben. Auch in der Aufstiegssaison vor zwei Jahren lief zu Beginn nicht alles rund - nach vier Spieltagen hatte Schalke lediglich vier Punkte auf dem Konto und gerade 1:1 gegen den späteren Absteiger Erzgebirge Aue gespielt und 1:4 bei Jahn Regensburg verloren. Am Ende der Saison stiegen die Königsblauen als Meister der Zweiten Liga auf, sie hatten die richtigen Schlüsse gezogen. Auch das ist jetzt noch möglich, das Vertrauen haben Trainer Reis und der neue Sportdirektor André Hechelmann verdient.
Allerdings ist das Vertrauen der Schalker in den bestehenden Kader riskant. Hechelmanns Ankündigung, diesen bis zum Ende der Sommer-Transferperiode nicht mehr im großen Stil zu verstärken, ist ein starkes Signal in Richtung des aktuellen Kaders - ob es erfolgversprechend ist? Da sind Zweifel angebracht.
Sehr gut aufgestellt sind die Schalker lediglich auf der Torhüter- und Mittelstürmerposition. In der Abwehr gibt es für vier Positionen aktuell lediglich sechs gesunde Spezialisten - einer davon ist Henning Matriciani, dessen offensive Schwächen in der Zweiten Liga klar auffallen. Konkurrenzkampf gibt es nicht. Reis muss im Notfall aktuell auf Aushilfen zurückgreifen: Niklas Tauer und Tobias Mohr haben im Mittelfeld ihre Stärken. Mohr ist als Linksverteidiger aber so ungeeignet, dass Reis und Hechelmann eine Kadernachbesserung auf dieser Position zur Priorität erhoben haben.
Schalke: Im Mittelfeld-Zentrum ist die Besetzung dünn
Im zentralen Mittelfeld ist die Besetzung okay, aber nicht herausragend. Sich darauf zu verlassen, dass sich die Zugänge Ron Schallenberg, Paul Seguin und Lino Tempelmann erheblich steigern und die sehr hohen Erwartungen schon noch irgendwann erfüllen, ist kühn. Das kann gut gehen - Gewissheit gibt es dafür nicht. Assan Ouedraogo, der technisch begabteste Schalker, ist erst 17 Jahre alt und kann nicht alleine für Kreativität sorgen. Ergänzungen gibt es, aber Niklas Tauer und Danny Latza spielten bei Reis bisher keine Rolle, Dominick Drexler ist verletzungsanfällig.
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Bleiben die offensiven Außenpositionen - Quantität: ja. Aber auch Qualität? Kenan Karaman, Schalkes bester Außen, ist aktuell verletzt. Alle anderen haben nicht nur Stärken: Bryan Lasme hat momentan keine Luft für 90 Minuten und ist nicht für jeden Spielverlauf geeignet. Yusuf Kabadayi kam erst einmal im Profifußball zum Einsatz - da sind Höhen und Tiefen vorprogrammiert. Soichiro Kozuki benötigt nach langer Verletzungspause Spielpraxis. Dominick Drexler ist - siehe oben - verletzungsanfällig und hat ohnehin auf dieser Position nicht überzeugt. Tobias Mohr saß in Braunschweig nur auf der Tribüne. Es ist möglich, dass einer aus dem Trio Lasme, Kozuki, Kabadayi den Durchbruch noch schafft - dass das nicht passiert, erscheint aktuell die wahrscheinlichere Variante zu sein.
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Noch gibt es im Aufgebot zu viele Konjunktive. Ein Blick auf die Konkurrenz zeigt, dass der Kader trotzdem gut genug sein könnte, um wenigstens oben mitzuspielen, um die Fans wieder in grenzenlose Euphorie zu versetzen. Aber in der Breite hat er Schwächen. Zu viele Verletzte sollte es nicht geben. Dann könnte die Stimmung weiter dem Weltuntergang gleichen.