Essen. Für die Revierklubs Rot-Weiss Essen und den MSV Duisburg geht es in der 3. Liga in gegensätzliche Richtungen. Dafür gibt es drei wichtige Gründe.
Jubelarien und Aufstiegsträume auf der einen, Chaos und Existenzängste auf der anderen Seite: Nach 15 Spieltagen in der 3. Liga entwickeln sich die beiden hochemotionalen Traditionsvereine Rot-Weiss Essen und der MSV Duisburg in eine gegensätzliche Richtung. Das RWE-Umfeld träumt nach fünf Siegen in Folge von der Aufstiegsrelegation, am liebsten gegen den strauchelnden Erzrivalen FC Schalke 04. Beim Tabellenletzten MSV Duisburg wächst die Angst vor dem Absturz in die Regionalliga West. 2011 standen die Meidericher noch im DFB-Pokal-Finale, in der Saison 2017/18 spielten die Zebras lange um den Bundesliga-Aufstieg mit. Es folgte ein unaufhaltsamer sportlicher Niedergang. Im Jahr 2023 ist der MSV Duisburg ein einziger Trümmerhaufen.
Bei Rot-Weiss Essen geht es seit zwei Jahren wieder steil nach oben. 14 Jahre musste der Deutsche Meister von 1955 auf die Rückkehr in den Profifußball warten. 2022 war es geschafft. Nach einer holprigen ersten Drittliga-Saison hat sich RWE unter Trainer Christoph Dabrowski mit ansehnlichem Fußball auf Platz drei vorgearbeitet. Doch warum läuft es für die Essener rund und für den MSV nicht? Dafür gibt es drei wichtige Gründe. Eine Analyse.
Grund Nummer eins: Die Außendarstellung
Mit diesem Punkt konnte sich auch Rot-Weiss Essen vor wenigen Monaten nicht rühmen. Die Jahreshauptversammlung im Juni war für den Verein eine Katastrophe. Den überraschten Mitgliedern wurde ein Millionen-Minus präsentiert, die Erklärungen waren dürftig, dem Klub wurde zurecht mangelnde Transparenz vorgeworfen. Aufsichtsratschef Dr. André Helf hatte aufgrund mahnender Worte in Richtung einiger Anhänger den Zorn der aktiven Fanszene auf sich gezogen. Inhaltlich lag Helf damit nicht falsch. Das Fehlverhalten einiger Fans kostete den Klub im ersten Drittliga-Jahr viel Geld, im Jahr zuvor wurde durch einen Böllerwurf fast der Aufstieg verspielt. Helf hätte dafür jedoch einen anderen Anlass wählen müssen. Kurz nachdem die Mitglieder von einem Millionen-Minus informiert wurden, war Fankritik ganz sicher nicht angebracht. Das hat er eingesehen.
Rot-Weiss Essen vermeidet öffentlichen Ärger
Die Essener Verantwortlichen haben daraus ihre Lehren gezogen. Der Verein gibt seit Saisonbeginn ein deutlich besseres Bild ab. Als das Umfeld nach den beiden Klatschen gegen Unterhaching und den SC Verl bereits wieder brodelte, blieb der Klub ruhig. Interne Differenzen, die es sicher auch an der Essener Hafenstraße gegeben hat, gelangten nicht an die Öffentlichkeit. Spannungen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand waren für Insider nicht zu übersehen, jedoch wurden Probleme zumindest nicht nach außen getragen. Auch das Aus von Kapitän Felix Bastians wurde ohne schmutzige Wäsche verkauft. Der anschließende sportliche Erfolg hat es allen Beteiligten freilich deutlich leichter gemacht. Am Sonntag wird die neue rot-weisse Geschlossenheit auf die Probe gestellt. Dann wird die abgebrochene Jahreshauptversammlung fortgesetzt. Politiker und Sponsoren werden mit Blick auf den gewünschten Stadionausbau genau hinsehen.
Beim MSV Duisburg geht es hingegen seit längerer Zeit drunter und drüber. Der Streit mit Ex-Präsident Andreas Rüttgers und Hauptsponsor Schauinslandreisen wurde zu einer öffentlichen Schlammschlacht, die letztlich nur dem MSV geschadet hat und die Existenz des Klubs gefährdet. Sollte beim Thema Restschulden keine Einigung erzielt werden, droht nicht nur das sportliche Aus.
MSV Duisburg gibt ein katastrophales Bild ab
In dieser Saison machte allen voran Vereinsoberhaupt Ingo Wald keine gute Figur. Die Demontage von Sportchef Ralf Heskamp leitete der MSV-Präsident mit öffentlicher Kritik ein. Sein öffentlich ausgetragener Streit mit Vereinslegende Ferry Schmidt war nicht weniger unsouverän. Dass sich dazu noch sogenannte „Edelfans“ wie TV-Star Joachim Llambi über unterschiedliche Kanäle immer wieder in die Diskussionen einschalten, trägt nicht zu einer besseren Außendarstellung bei. Nach dem Spiel am Samstag gegen Ingolstadt stürmten rund 50 Fans in den VIP-Bereich. Ein Sicherheitskonzept scheint es im Stadion nicht zu geben. Der MSV Duisburg gibt in der Öffentlichkeit ein katastrophales Bild ab. So wird es schwer bis unmöglich, dringend notwendige Gelder für die sportliche und wirtschaftliche Rettung aufzutreiben.
Grund Nummer zwei: Das Krisenmanagement
Ein solches hat es nach den Problemen in der ersten Drittliga-Saison in Essen durchaus gegeben. Nach 14 Jahren Profifußball-Abstinenz galt es nicht nur, die Weichen im sportlichen Bereich zu legen. Im Sommer wurde der Vorstand um Sascha Peljhan (Finanzen, EDV/Digitalisierung, Infrastruktur) und Alexander Rang (Vertrieb) erweitert. Der Vorstandsvorsitzende Marcus Uhlig sollte Unterstützung erhalten. Für einen besseren und transparenteren Umgang mit der Anhängerschaft wurde ein neuer Fanbeauftragter installiert. Trainer Christoph Dabrowski durfte seinen Trainerstab mit Ex-Nationalspieler Slawo Freier erweitern. Der Verein hat dadurch signalisiert, es besser machen zu wollen. Die Fehler der ersten Drittliga-Saison habe man eingesehen.
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Davon ist beim MSV Duisburg nichts zu spüren. Vorstand und Geschäftsführung klammern sich seit Jahren an ihre Posten, der Aufsichtsrat wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Wenn es sportlich nicht läuft, wird der Trainer ausgetauscht. Geschäftsführer Peter Mohnhaupt ist längst abgetaucht und mit der Situation überfordert, der ehemalige Fifa-Manager Ulf Schott galt als Hoffnungsträger, machte sich jedoch mit seiner Aufstiegs-Ansage zur Lachnummer. Seitdem ist vom Vorstandsmitglied nichts mehr zu vernehmen.
Grund Nummer drei: Kaderplanung und sportliche Kompetenz
Nach der überraschenden Trennung von Sportchef Jörn Nowak im April blieb der neuen sportlichen RWE-Führung um Sportdirektor Christian Flüthmann und Kaderplaner Marcus Steegmann nicht viel Zeit, um eine schlagkräftige Mannschaft auf die Beine zu stellen. Die finanzielle Lage erlaubte es dem Duo nicht, bei Neuzugängen ins höchste Regal zu greifen. Kreativität war gefragt. Diese wurde vor allem durch die Transfers von Marvin Obuz, Lucas Brumme oder Eric Voufack unter Beweis gestellt. Leonardo Vonic ist ein Mann für die Zukunft. Der neue Mittelfeld-Motor Vinko Sapina hatte sich in der 3. Liga immerhin schon etabliert. Zudem ging die Verpflichtung auch auf das Konto von Nowak. Spieler wie Cedric Harenbrock, Torben Müsel, Jakob Golz oder José-Enrique Rios Alonso haben zudem den nächsten Schritt gemacht. Felix Götze spielt auf neuer Position im Abwehrzentrum überragend.
Der in der Vorsaison von Fans scharf kritisierte Trainer Christoph Dabrowski hat die Mannschaft nach seinen Vorstellungen formen dürfen und zahlt das Vertrauen des Klubs nun zurück. RWE spielt ansehnlichen und erfolgreichen Fußball. Ein Plan ist erkennbar. Trainer und sportliche Führung vermitteln den Eindruck, dass sie jederzeit wissen, was sie tun.
MSV Duisburg lässt Moritz Stoppelkamp ziehen
Das ist beim MSV Duisburg nicht der Fall. Die Kaderzusammenstellung, die in erster Linie Ralf Heskamp zu verantworten hatte, wurde zu einem Desaster. Kapitän Moritz Stoppelkamp musste gehen, gleichwertiger Ersatz wurde nicht verpflichtet. Auch nicht für Marlon Frey und Julian Hettwer. Die Offensive der Zebras ist nicht drittligatauglich. Im 14. Spiel schoss Alexander Esswein am Samstag das erste Stürmertor - vom Elfmeterpunkt. Heskamp wurde insbesondere von Ingo Wald scharf kritisiert. Kritische Stimmen aus dem Verein gab es im Frühjahr und Sommer aber nicht. Wo war etwa der zur Erweiterung der sportlichen Kompetenz verpflichtete Uwe Schott?
Darüber hinaus gab der Klub auch bei der Degradierung von Engin Vural ein jämmerliches Bild ab. Der Trainer aus den eigenen Reihen steigerte sich mit der Mannschaft von Spiel zu Spiel und wurde dann nach dem ersten Sieg wieder in die U19 versetzt. Boris Schommers übernahm und hatte schon zu Beginn einen schweren Stand. Das peinliche Aus bei seiner Premiere im Niederrheinpokal bei Oberligist KFC Uerdingen half nicht dabei, sein Ansehen zu steigern. Dabei ist Schommers sicher kein schlechter Trainer, das hat er in Düren und Kaiserslautern gezeigt. Der 44-Jährige ist zur falschen Zeit am falschen Ort.
MSV Duisburg droht der Absturz in die Regionalliga
Sechs Punkte liegt der MSV Duisburg bereits hinter dem rettenden Ufer. Wie der Verein angesichts dieser Probleme die Wende einleiten will, bleibt ein großes Rätsel. Ohne einen echten Neustart, der noch einmal neue Kräfte freisetzen könnte, droht der Abstieg in die vierte Liga.