Essen. Königstransfer Vinko Sapina hat sich in Rekordzeit in die RWE-Herzen gespielt. Dabei wurde er in Stuttgarts Jugend aussortiert. So tickt er.

Seeotter gelten als intelligente Tiere. Sie sind süß, sie sind alles andere als ängstlich und sie sind soziale Wesen. Oh, und sie lieben es zu spielen. Seeotter-Emojis, die verschickt Vinko Sapina gern. „Die Tiere sind entspannt und gut drauf, so würde ich mich auch beschreiben. Irgendwann habe ich den Smiley benutzt, dann wurde das mein Ding“, sagt der 28-Jährige.

Nun, es gibt noch mehr, das ihn mit ihnen verbindet, denn wäre der Fußballer Vinko Sapina ein Tier, dann wäre er wohl ein Seeotter.

Intelligent, so lässt sich seine Spielweise beschreiben. Der Sechser von Rot-Weiss Essen agiert alles andere als ängstlich auf dem Platz. Er dirigiert seine Nebenleute, spricht oft mit ihnen, um gleich im nächsten Augenblick den Ball zu erobern und den Zauberpass in die Schnittstelle zu spielen. Und das alles lässt er so unverschämt lässig aussehen, dass er die Herzen der RWE-Fans in Rekordzeit erobert hat. Nach nicht einmal drei Monaten hat jeder Essener den großen Sunnyboy mit dem Zopf lieb.

Rot-Weiss Essens Sapina hat einen besonderen Weg nach oben hinter sich

„Es ist schön, wenn man Lob bekommt, aber man darf das nicht zu hoch hängen“, sagt Sapina, und das dürfte vermutlich an seinem speziellen Karriereweg liegen. Als Teenager gilt der Ulmer als großes Talent. Der VfB Stuttgart holt ihn in sein Internat. Nach der U16 ist Schluss, er wechselt zurück zum Heimatverein, dem SSV Ulm 1846. „In meinem Abschlussgespräch in Stuttgart wurde mir gesagt, dass ich technisch der beste Spieler sei, allerdings zu klein und zu schmächtig“, erzählt der heute 1,94 Meter große Regisseur.

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Wieder flattern Angebote herein, Mainz will ihn, die Bayern auch. Er bleibt in Ulm. Als er mit 18 aus dem Sommerurlaub wiederkommt, war er plötzlich in die Höhe geschossen. „Ich musste meine Spielweise anpassen, irgendwann kamen die Muskeln dazu – ich bin einfach ein Spätentwickler.“

Allerdings muss der SSV 1846 Insolvenz anmelden und aus der Regionalliga absteigen. Sapina geht zum FC Memmingen in die Nachbar-Regionalliga. Er wird zum Spieler der Hinrunde gewählt, größere Klubs klopfen an. Und dann verletzt er sich schwer am Sprunggelenk. Sapina wechselt wieder nach Ulm. Die Spatzen hatten die Rückkehr in die vierte Liga perfekt gemacht.

Vinko Sapina hat neben seiner Fußballkarriere studiert

Bald darauf reißt er sich das Kreuzband an. Eineinhalb Jahre ist er raus, der SSV gibt ihm trotzdem einen längerfristigen Vertrag. Fünf erfolgreiche Jahre folgen, in denen Sapina reift. „Ich habe immer gesehen, dass ich mehr kann als Regionalliga“, sagt er mit einem unüberhörbar schwäbischen Einschlag. „Bei mir war aber nie, anders als bei anderen Spielern, mit 18 oder 19 Jahren der Gedanke da, dass ich Profi werde. Erst nach der Kreuzbandverletzung und meiner Entwicklung ab 23 Jahren kam dieser Gedanke bei mir auf.“

Ballsicher, auch unter Druck: Vinko Sapina von Rot-Weiss Essen.
Ballsicher, auch unter Druck: Vinko Sapina von Rot-Weiss Essen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

So studiert er zunächst Wirtschaftsinformatik, was neben dem Alltag als Fußballer gar nicht mal so einfach ist. „Ich habe ab und zu ans Aufgeben gedacht, aber ich habe mein Studium durchgezogen. Ich musste zielstrebig sein und Durchhaltevermögen zeigen, was mir auch später beim Fußball geholfen hat.“ Im Sommer 2021 wagt er schließlich den Schritt raus aus dem Vertrauten zum SC Verl in die Dritte Liga, in diesem Sommer folgt der Wechsel zu Rot-Weiss. „Bisher bereue ich es nicht zu einer Sekunde.“

Platz sieben nach sechs Spielen, der Saisonstart ist geglückt. Sapina verleiht dem RWE-Mittelfeld Stabilität. Trotz seiner beachtlichen Körpergröße weiß er auch mit dem Ball umzugehen. „Meine Form“, sagt er, „bewerte ich als richtig gut. Ich bin aber mein größter Kritiker und nie so richtig zufrieden, obwohl es für das Team und für mich gerade gut läuft.“ Bei Standards möchte er gefährlicher werden.

Lesen Sie hier: Darum ging Vinko Sapina zu RWE.

Mit RWE in die zweite Liga? Das meint Sapina

Dabei hat er schon jetzt das geschafft, was viele vor ihm angekündigt und nie erreicht haben, als sie an die Hafenstraße kamen: den hohen Druck in Leistung zu verwandeln. Wo liegt sein Geheimnis? „Ich bin ein Typ, der sich kaum von außen beeinflussen lässt, ich ziehe mein Ding durch“, antwortet er. „Für mich zählt nur das Positive, deshalb habe ich keine Angst davor, wenn es mal schlecht läuft und es Kritik gibt. Ich finde Druck sogar eher geil.“ Schon mit 18, 19 Jahren hatte er „selten vor etwas Angst“.

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Weniger Druck spürt er auch, weil für ihn alles ein Bonus ist, wie er sagt. „Wenn ich an der Hafenstraße spiele, habe ich das Gefühl, ich bin ein Champions-League-Spieler – nicht, weil ich mich für etwas Besseres halte, sondern aus Dankbarkeit.“ Vielleicht würde er das alles nicht so feiern, wenn er mit 18 Jahren sein Profidebüt gegeben hätte, meint der Deutsch-Kroate, der bislang so sehr überzeugt, dass manch einer schon befürchtet, er könne RWE bald wieder verlassen. Nach oben, natürlich.

Aber Sapina legt weniger Wert auf den Schein, die Werte sind ihm wichtiger. Dass er sich wohlfühlt zum Beispiel, oder sich entfalten kann, das zählt für ihn. Mehr traut er sich aber grundsätzlich schon zu. „Ich habe noch nie Zweite Liga gespielt und denke, dass ich das könnte – ich spiele aber bei einem Verein, bei dem das ganze Drumherum schon zweitklassig ist“, sagt Sapina und fragt rhetorisch: Warum solle RWE nicht noch weiter nach oben kommen?

Rot-Weiss Essen gastiert in Sapinas Heimat – beim SSV Ulm 1846

„Wir sollten“, führt er aus, „nicht durchdrehen und einen Schritt nach dem anderen machen, aber mit diesem Verein sollte es möglich sein, oben anzuklopfen. Vielleicht bin ich deshalb so motiviert und ziehe andere mit.“ In der Zeit, in der er einen Vertrag bei RWE habe, möchte er eine „gewaltige Entwicklung sehen und vorantreiben“, das ist sein Ziel. Bis zum Sommer 2025 hat er einen Kontrakt bei RWE.

Vinko Sapina (l.) im Gespräch mit Rot-Weiss Essens Trainer Christoph Dabrowski. Auch dank Sapina kann der Trainer seine Spielidee besser umsetzen lassen.
Vinko Sapina (l.) im Gespräch mit Rot-Weiss Essens Trainer Christoph Dabrowski. Auch dank Sapina kann der Trainer seine Spielidee besser umsetzen lassen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Doch gemach, gemach. „Sehr schwer“ sei es, in der komplexen Dritten Liga einen Aufstieg zu planen. Wichtig ist erst mal immer, das nächste Spiel zu gewinnen. Und das ist ein ganz besonderes. Das Duell beim SSV Ulm 1846 an diesem Sonntag bedeutet für ihn eine Rückkehr in die Heimat, „ins alte Wohnzimmer. Die Vorfreude auf das Spiel ist riesengroß.“

Viele Menschen, die Familie werde nur wegen ihm vor Ort sein. Vinko Sapina aber verspricht: „Vor dem Spiel sind wir Freunde, während des Spiels kommt keiner an mir vorbei, danach umarmen wir uns.“

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