Essen. DFB-Kapitänin Alexandra Popp verarbeitet in ihrer Biografie schwere Zeiten. Wie sie bei der WM auftritt, ist beeindruckend. Ein Kommentar.

Wenn bei Fußball-Weltmeisterschaften ein Synonym zur Beschreibung teilnehmender Nationen gesucht wird, greift man gerne zur Co-Produktion. Bei den Männern wird aus Portugal Ronaldo und Co., aus Argentinien Messi und Co. Bei den Frauen sind die USA Rapinoe und Co., Brasilien ist Marta und Co. – und bei Deutschland? Natürlich: Popp und Co., was sonst?

Alexandra Popp ist eine erfahrene, hochdekorierte Fußballerin. Spätestens seit der EM im vergangenen Jahr ist sie endgültig zum Gesicht des deutschen Frauenfußballs geworden. Auch bei dieser WM gilt: Deutschland ist Popp, Popp ist Deutschland. Die 32-Jährige spielt die Hauptrolle im DFB-Team, und sie spielt sie famos. Sie tritt in den Vordergrund, ohne geltungssüchtig zu wirken; sie positioniert sich zu wichtigen Themen, scherzt aber gleichzeitig locker und nahbar vor der Kamera. Immer einen flotten Spruch auf den Lippen.

Kolumbiens Spielerinnen nervten Popp schwer

So eine Fokussierung auf eine Person kann einem Team – gerade einem, das sich auch wegen eines großen Verletzungspechs noch nicht richtig gefunden hat – helfen. Steht eine Spielerin im Rampenlicht, kann in deren Schatten weiter getüftelt werden. Doch für diejenige im Zentrum der Aufmerksamkeit kann es auch zu einer Bürde werden. Wer alle Erwartungen erfüllen soll und jede Verantwortung trägt, kann auch daran zerbrechen.

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Alexandra Popp war im Spiel gegen Kolumbien eine gewisse emotionale Überlastung anzumerken. Genervt von ihren aggressiven Gegenspielerinnen, wirkte sie überladen, als müsse sie gerade alles regeln: den Spielaufbau, die Freistöße, die Tore. Natürlich ist es Aufgabe einer Kapitänin, voran zu gehen, doch in dem Fall war es von allem etwas zu viel. Beim Elfmeter hielt sie dem Druck dennoch stand.

Genervt: Alexandra Popp sah sich gegen Kolumbien ständiger Attacken ausgesetzt, das zerrte am Nervenkostüm der sonst so coolen deutschen Kapitänin.
Genervt: Alexandra Popp sah sich gegen Kolumbien ständiger Attacken ausgesetzt, das zerrte am Nervenkostüm der sonst so coolen deutschen Kapitänin. © Getty

Popp verarbeitet emotionale Zeit in ihrer Biografie

Es ist beachtlich, was Alexandra Popp zu leisten imstande ist – fußballerisch und als Vorbild. Nicht nur ihre Mitspielerinnen können sich an ihr aufrichten, sie ist Idol für eine ganze Generation. Nun hat sie ihre Biografie veröffentlicht. Darin setzt die Gevelsbergerin sich auch mit einer emotional schwierigen Zeit auseinander. Die Art und Weise, wie sie dennoch ihre ganze Energie in diese WM fließen lässt, ist beeindruckend. Ihr gebührt allergrößter Respekt.