Hamburg/Gelsenkirchen. Anspruch und Wirklichkeit liegen beim Hamburger SV und bei Schalke 04 weit auseinander. Am Samstag treffen die Klubs aufeinander.
Die emotionalste Marketingrede für das Spiel zwischen dem Hamburger SV und dem FC Schalke 04 hielt am Donnerstag HSV-Trainer Steffen Baumgart: „Samstagabend, 20.30 Uhr, Flutlicht, diese beiden Vereinsnamen auf dem Platz. Dazu ein Wetter, bei dem du bis zum Ende laufen kannst und nicht umfällst vor Wärme – Leute, wenn das nicht pusht, dann weiß ich auch nicht. Ich würde da freiwillig ins Stadion gehen.“ Doch damit nicht genug: „HSV gegen Schalke - da weiß man über die Grenzen von Deutschland hinaus: Da knallt‘s.“ Es war eine Marketingrede, die eines Champions-League-K.o.-Spiels würdig gewesen werde. Dabei sind der HSV und S04 zwei in die Zweite Liga abgestürzte Traditionsvereine. Und beide – wieder einmal – in einer schweren Krise.
Schalke-Gegner HSV ist seit vier Pflichtspielen sieglos
Es gibt keine Klubs in Deutschland, bei denen Anspruch und Wirklichkeit so stark auseinanderliegen. Den Fans ist das egal, es gibt eine Tabelle, in der die Hamburger und Schalke seit Jahren zu den besten drei Klubs in Deutschland gehören: Schalke hat traditionell die meisten Auswärtsfahrer - auch in Hamburg werden mindestens 5700 S04-Fans erwartet. Der HSV ist in dieser Rangliste Dritter. Mit den ersten drei Plätzen in der Bundesliga haben der HSV und Schalke seit Jahren sportlich nichts mehr zu tun.
Die Gründe dafür sind vielfältig – vor allem fehlerhafte Personalentscheidungen sorgten dafür, das der HSV inzwischen der dienstälteste Zweitligist ist und zum siebten Mal in Folge den Aufstieg anpeilt. Trainer Steffen Baumgart, der erst im Frühjahr übernommen hatte, steht nach einem nur durchschnittlichen Start unter Druck. Vier Pflichtspiele in Folge haben die Hamburger nicht gewonnen, rutschten auf den fünften Platz ab. Die Leistungsträger Robert Glatzel und Ludovit Reis sind zudem verletzt. Stürmisch ist es immer beim HSV, nun kommt für Baumgart der Wind von vorne.
Angesprochen darauf, reagierte der 52-Jährige kämpferisch. Er sei keiner, der Kritik mit einem Fingerschnipsen abschalten könne, sagte er. Und ergänzte: „Ich hoffe, dass man mir ansieht, dass ich genug Energie habe. Ich hoffe, dass meine Entscheidungen die richtigen sein werden, um das Spiel am Samstag zu gewinnen.“ Der Gegner sei übrigens Schalke 04. „Die haben auch Druck auf dem Kessel“, sagte Baumgart.
Bei den Schalkern ist die Lage in allen Bereichen sogar noch prekärer. Der Rückstand des HSV auf Tabellenführer Hannover beträgt überschaubare drei Punkte, Kenner bezeichnen die finanzielle Situation der Hanseaten nach dem dritten Millionen-Plus in Folge als „so geordnet wie lange nicht“. Und die Schalker? Auch die Mitgliederversammlung konnte die Spannungen mitten im zweiten Zweitliga-Abstiegskampf nicht lösen. Angeschlagen sind viele: Trainer Kees van Wonderen, ebenso wie Baumgart in die Kritik geraten, Sportchef Ben Manga, der den Kader zusammengestellt hatte, und das Führungsduo mit Axel Hefer (Aufsichtsrat) und Matthias Tillmann (Vorstand). Der 2:0-Erfolg über Schlusslicht Jahn Regensburg sorgte nur kurzfristig für Beruhigung, eine Niederlage in Hamburg könnte sofort wieder Personaldiskussionen auslösen.
Schalke-Trainer van Wonderen spricht von einer „Herausforderung“
Van Wonderen präsentierte sich vor dem Spiel authentisch – er ist eben keiner wie Baumgart, der mit seiner Emotionalität, seiner Wortwahl anstecken kann. Der im ersten Satz nachdenklich wirkt und im nächsten eine schlagzeilenwürdige Ansage macht. Bei van Wonderen klingt das dann so: „Es wird ein sehr interessantes Spiel meiner Meinung nach. Wir fahren zu einem großen Verein mit einer großen Geschichte und einer guten Mannschaft. Die Hamburger hatten es in den vergangenen Wochen etwas schwerer. Aber sie haben kreative Spieler. Das wird eine Herausforderung.“ Aussagen, wenig mitreißend, so grau wie ein Novembertag und Tabellenplatz 14.
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Baumgart bemühte sich darum, den Gegner trotzdem stark zu reden: „Schalkes Kader ist besser als der Tabellenplatz, der genau wie wir Spiele nicht gewonnen hat, die er hätte gewinnen können. Wir wissen nicht nur um die Stärke der Schalker Einzelspieler, sondern auch um die Entwicklung, die von Spiel zu Spiel zu sehen ist.“ Gleichwohl wolle der HSV das Spiel gestalten, offensiv spielen. Die meisten Tore der Liga haben die Hamburger geschossen - und auch wenn Torjäger Glatzel (7 Tore) fehlt, auch Davie Selke (6 Tore) und Ransford Königsdörffer (5 Tore) wissen, wo das Tor steht.
Van Wonderen und die Schalker wissen das. Sie halten ihre Top-Stürmer Moussa Sylla (7 Tore) und Kenan Karaman (6 Tore) und ihre Fans dagegen. Und den Glauben, dass es einfach irgendwann wieder besser werden muss. Ein Spiel in Hamburg, wo es auch mal knallt, wäre da der beste Anfang.
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