Paris. Der Weltmeister unterliegt im Bronzespiel Serbien. Wer auf Bundestrainer Gordon Herbert folgen könnte, wie das Team aussehen könnte.
Das Bild ging um die Welt. Gordon Herbert, wie er völlig fertig auf dem Fußboden hinter einer Tribüne kauert. Damals, vor ziemlich genau elf Monaten, waren die deutschen Basketballer in Manila gerade sensationell Weltmeister geworden.
Das Bild, das ihr Bundestrainer am Sonnabendmittag abgab, war nicht ganz so spektakulär. Das Ausmaß an Leere im 65-Jährige war dahingegen umso größer. Herbert scheiterte nach der 83:93 (21:30, 17:16, 25:26, 20:21)-Niederlage gegen Serbien im Spiel um die Bronzemedaille der Olympischen Spiele von Paris beinahe daran, einen zusammenhängenden Satz auszusprechen. Was er nicht in der Lage zu formulieren war, sprach sein Kapitän Dennis Schröder für ihn aus: „Unsere Herzen sind allesamt gebrochen.“
Olympia in Paris: Deutsche Basketballer verlieren Spiel um Bronze gegen Serbien
Zum einen, weil die Mannschaft mit dem Ziel Olympiasieg zur Vorrunde nach Lille und schließlich der Endrunde in die französische Hauptstadt gereist war, sich nun aber mit komplett leeren Händen wieder in alle Winde verteilt. Teilweise wollten Spieler noch am Sonnabend aus Paris abreisen.
Die Enttäuschung ist gewaltig, und das liegt neben der verpassten Medaillenchance zum anderen daran, dass auch die gemeinsame Zeit mit Herbert zu Ende gegangen ist. Im Herbst 2021 hatte der Kanadier mit finnischem Pass das Nationalteam übernommen, binnen knapp drei Jahren eine verschworene Einheit daraus geschaffen.
Dennis Schröder über Zeit unter Gordon Herbert: „Ein Genuss, für ihn zu spielen“
„Wir sind zu einer Familie geworden und haben etwas erreicht, das wir ein Leben lang nie vergessen werden. Das vereint uns alle. Schade, dass so ein bitterer Beigeschmack bleibt“, sagte Andreas Obst nach der Partie gegen Serbien. Herbert habe die Kultur im deutschen Basketball verändert, meinte Johannes Voigtmann: „Er kam mit großen Ziele, für die ihn alle für verrückt erklärt haben. Gemeinsam haben wir ganz viel erreicht.“
Schröder dankte dem längst ergrauten, meist leise und weise klingenden Coach. „Es war immer ein Hochgenuss, unter ihm zu spielen. In den vergangenen drei Jahren habe ich Basketball gespielt wie nie zuvor. Kapitän dieser Auswahl zu sein, ist die größtmögliche Ehre für mich gewesen. Es gab keine Egos im Team, allen ging es nur ums Gewinnen“, sagte der Spielmacher.
Niederlage im Halbfinale gegen Frankreich „killt die Stimmung“
Doch das Gewinnen war in den vergangenen beiden Partien nicht drin, weil Deutschland sein Potenzial nicht ausschöpfte. Die Halbfinalpleite gegen Frankreich (69:73) „hat unsere Stimmung gekillt“, so Herbert. „Wir hatten nicht das Glück der vergangenen Jahre“, sagte Obst.
Dass der Weltmeister 2023 und EM-Dritte 2022 zudem schlampig verteidigte und den Angriff zeitweise mit dem Kinderspiel „Der Boden ist Lava“ verwechselte – die Lavazone schien das täubchenblau markierte Areal in Korbnähe zu sein –, tat sein Übriges.
Ex-Bundestrainer Svetislav Pešić gewinnt mit Serbien Bronze
So freute sich auf der Gegenseite Trainerlegende Svetislav Pešić über Bronze. Danach ließ der 74-Jährige, der Deutschland 1993 zum EM-Titel geführt hatte, offen, seine Karriere als serbischer Nationaltrainer vielleicht doch noch fortzuführen. Er war zuletzt als potenzieller sportlicher Berater des neuen, aufstrebenden Clubs aus Dubai in Verbindung gebracht worden.
Herberts Zukunft ist geklärt. Er arbeitet künftig als Cheftrainer des Deutschen Meisters FC Bayern München. Sein Nachfolger beim Deutschen Basketball Bund (DBB) scheint gefunden zu sein. „Ich habe vor dem Spiel erfahren, dass es wohl eine Lösung gibt“, sagte Schröder. Ein Mitsprachrecht habe der wichtigste Akteur nicht besessen. „Ich nehme an, sie kriegen das schon vernünftig geregelt“, sagte der 30-Jährige.
Wer wird Nachfolger von Herbert als Bundestrainer?
Herbert selbst hatte seinen Assistenten Klaus Perwas ins Spiel gebracht. Zuvor hatte sich der DBB nach Informationen dieser Zeitung die Absage eines Bundesligatrainers (Name der Redaktion bekannt) eingefangen. Eine Doppelfunktion, gleichzeitig das Nationalteam und einen deutschen Erstligisten zu coachen, ist bisher weiter ausgeschlossen, in den meisten anderen Basketball-Verbände dagegen die Regel.
Innerhalb der Mannschaft soll sich dem Vernehmen nach Co-Trainer Bret Brielmaier großer Beliebtheit erfreuen. Der 38-Jährige gilt als inhaltlich und menschlich stark. Parallel ist er Assistent bei den Orlando Magic, wo der US-Amerikaner auch Moritz und Franz Wagner betreut sowie demnächst in Tristan da Silva einen künftigen Nationalspieler.
Einige Weltmeister werden zurücktreten, dafür rücken neue Spieler nach
Das Antlitz der Mannschaft wird sich in jedem Fall verändern, was die Wehmut am Sonnabend zusätzlich steigerte. Schröder möchte zwar „weiterspielen, bis ich 40 bin“. Sein Kumpel Daniel Theis, Maodo Lo, Niels Giffey sowie Voigtmann denken allerdings intensiv über einen Rücktritt aus dem Nationalteam nach, wie zu hören war.
Dafür werden die für Olympia nicht berücksichtigten Weltmeister Justus Hollatz und David Krämer zurückkehren. Isaiah Hartenstein, der in der NBA eine ganz starke Entwicklung erlebte, sich jedoch nie wirklich zum DBB bekannte, hat Bereitschaft signalisiert, bei der EM 2025 zur Verfügung stehen zu wollen. Gegebenenfalls nehmen sich dann die Wagner-Brüder sowie andere überspielte Akteure allerdings eine Pause.
- LeBron James: Olympia-Superstar und „der krasseste Mensch jemals“
- Gender-Ärger: Umstrittene Imane Khelif teilt aus: „Bin jetzt Olympiasiegerin“
- Corona holt Olympia wieder ein: Mihambo stolz auf Silber
Herbert wird es aus der Ferne beobachten, mit seiner „Familie“ weiter eng verbunden bleiben. „Die Jungs haben drei Jahre ihr Herz und ihre Seele auf dem Platz gelassen. Es war eine Situation für mich, von der ich zu träumen nie gewagt habe“, sagte er, dann brach ihm wieder die Stimme. Herbert ist melancholisch. Wenn die erste Trauer überwunden ist, dürfte er sich aber im Klaren darüber sein, nicht nur für starke Bilder gesorgt zu haben. Er hat ein Kunstwerk von Mannschaft erschaffen.