Paris. Der deutsche Kajak-Vierer paddelt zum dritten olympischen Gold in Folge, die Frauen gewinnen Silber. Auf die Kanuten ist Verlass.

Beide Boote lagen im Ziel nebeneinander, die Blicke der acht erschöpften Sportler richteten sich auf die große Videowand im Stade Nautique de Vaires-sur-Marne. Bis Max Rendschmidt ausholte und mit seinem Paddel auf das Wasser schlug. Es dauerte nur Sekunden, bis der Schlagmann des deutschen Kanu-Vierers im Wasser lag, während seine Kollegen nach und nach realisierten, dass sie das Fotofinish gegen Australien für sich entschieden hatten. „Unheimlich geil“, fand es Rendschmidt.

Der 30-jährige Essener legte mit Max Lemke (27, Potsdam), Jacob Schopf (25, Potsdam) und Tom Liebscher-Lucz (31, Dresden) zum Abschluss des ersten Tages der Medaillenwettbewerbe bei den Rennsport-Kanuten über 500 Meter eine grandiose Triumphfahrt hin. „Ich werde es erst in ein paar Wochen schnallen. Das ist für die Ewigkeit“, sagte der aufgedrehte Schopf.

Essener Rendschmidt feiert seinen vierten Olympiasieg

Zum dritten Mal in Folge wurde das Paradeboot des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) damit Olympiasieger, nachdem kurz zuvor der Vierer der Frauen schon Silber gewonnen hatte. „Wir wussten, was wir können, und haben das Ding runtergefahren“, sagte Rendschmidt, während Kollege Liebscher-Lucz gleich auf das Gesamtbild schaute. „Es spricht für den Verband, dass sehr viel richtig gemacht wurde, wenn beide Großboote Gold und Silber holen“, erzählte der nun dreifache Olympiasieger.

Allerdings mussten die Männer nicht nur ihre Muskeln einsetzen, sondern auch ruhig bleiben. „Sie haben es uns nervlich nicht leicht gemacht mit dem Fehlstart“, sagte DKV-Sportdirektor Jens Kahl, dem nach dem verfrühten Ablegen etwas mulmig war. Doch ohne sich davon beeinflussen lassen, zog das deutsche Boot seine Taktik durch, fuhr immer an der Spitze mit. Absetzen konnte sich der von Rendschmidt, dem nun vierfachen Olympiasieger, angeführte Vierer allerdings nicht.

Starker Endspurt kostet enorm viel Kraft

Die Australier hielten bis zum Ziel dagegen, konnten den deutschen Vierer aber nicht mehr abfangen. Das seit Jahren in dieser Besetzung eingefahrene und dominierende Boot glitt mit harmonischem Schlag über die Strecke, spielte seine ganze Routine aus. Einer nach dem anderen übernahm mit seinem Paddel perfekt den Rhythmus, den Rendschmidt vorn vorgab. Dennoch: „Die letzten Meter waren eklig“, sagte Schopf.

„Wir haben schon gesehen, dass wir in der Welt mitfahren können. Aber dass wir jetzt Silber haben, ist Wahnsinn. Es war so knapp.“

Pauline Jagsch
Olympiazweite

Anders als bei den erfahrenen Männern und ihrem lange eingespielten Team wurden bei den Frauen in dieser Saison einige Umbesetzungen vorgenommen. Bereits bei den Weltcups zeichnete sich aber ab, dass dieser Schachzug vielversprechend sein dürfte, was sich in Vaires-sur-Marne bestätigte. „Wir haben schon gesehen, dass wir in der Welt mitfahren können. Aber dass wir jetzt Silber haben, ist Wahnsinn. Es war so knapp“, sagte Pauline Jagsch.

Stolze Frauen: Paulina Paszek, Jule Hake, Pauline Jagsch und Sarah Brüßler (v.l.) feiern ihren Erfolg.
Stolze Frauen: Paulina Paszek, Jule Hake, Pauline Jagsch und Sarah Brüßler (v.l.) feiern ihren Erfolg. © DPA Images | Sebastian Kahnert

Im gleichen Rhythmus beklatschten Paulina Paszek (26, Hannover), Jule Hake (24, Essen), Jagsch (21, Berlin) und Sarah Brüßler (30, Karlsruhe) auf dem Podest, mit den Medaillen um den Hals ihren Erfolg. „Ich kann es noch nicht realisieren“, sagte Paszek. Der kleine Rückstand auf den Olympiasieger störte den Sportdirektor nicht. „Es war ein bisschen schade, dass die Neuseeländerinnen noch mal kontern konnten. Aber Silber ist kleines Gold“, so Kahl mit einem Lächeln.

Zwischenzeitlich lag das auf drei Positionen veränderte Boot mit den Olympia-Neulingen Jagsch und Paszek sogar vorn, lieferte sich ein hartes Duell mit Neuseeland. Das raubte den Frauen so viel Kraft, dass sie im Ziel zunächst zu keiner großen Reaktion fähig waren. Ehe Paszek schließlich mit der Hand aufs Wasser schlug und Jagsch ihre Freude herausschrie.

Kretschmer/Hecker landen im Canadier-Zweier auf Platz fünf

Schwieriger gestalteten sich die olympischen Tage für das Canadier-Duo Peter Kretschmer (32, Leipzig) und Tim Hecker (26, Berlin), das über einen fünften Platz beim überlegenen Sieg der Chinesen nicht hinauskam. „Das war ein Rennen, das wir so auch noch nicht hatten. Wir sind gut gefahren, aber die anderen waren einfach besser. Platz fünf hatten wir nicht erwartet“, sagte Hecker. Zwar traten beide als 500-Meter-Weltmeister an, aufgrund eines krankheitsbedingten Ausfalls von Hecker in dieser Saison international aber kaum in Erscheinung. „Das fehlt dann irgendwo im ganzen System, die Leistungsdichte ist sehr hoch im C2“, so Kahl.

Ein Wermutstropfen war dies daher nicht für ihn, stattdessen liegen die Kanuten klar auf Kurs. Auf ihre Stärke setzt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) für das Abschneiden in der Medaillenbilanz traditionell. Die Leistungen der vergangenen Jahre hatten Kahl dazu veranlasst, die Vorgaben recht hoch anzusetzen und in 50 Prozent der Rennen auf dem Podest stehen zu wollen.

Die nächsten Medaillen sollen am Freitag folgen

In jedem Fall liest sich die Ausbeute im Kanu-Rennsport bereits sehr gut. „Wenn die Damen und die Herren das so super umsetzen und man den ersten Tag mit Gold und Silber abschließt, kann das nur pushen für die nächsten Tage“, sagte Kahl. Es folgen noch die Zweier, die ebenfalls bislang sehr ansprechend unterwegs waren in Vaires-sur-Marne. Genau wie der Canadier-Einer mit Routinier Sebastian Brendel.

Bei den Zweiern geht der Gold-Vierer jetzt aufgeteilt an den Start: Rendschmidt mit Liebscher-Lucz und Schopf mit Lemke. Bei den Silber-Frauen setzen sich Paszek und Hake in den K2, Jagsch fährt mit Lena Röhlings (21, Berlin). Eine nun entbrennende Konkurrenz sieht dabei niemand. „Wir haben das gewonnen, was wir gewinnen wollten, den Hauptfokus erfüllt“, sagte Jacob Schopf. Deshalb stellte Tom Liebscher-Lucz sogar ein kleines Siegerbier in Aussicht.