Paris. Auf dem Platz La Concorde ziehen Skateboard, BMX, 3x3-Basketball ein junges Publikum an. Der Plan der Macher geht auf. Nur Klettern fehlt.
Aufgeregt tippt eine junge Frau auf ihrem Handy herum. Ihr Freund kämpft mit der Sonne. Paris 2024 steht auf seiner Kappe, die er falschrum trägt. „Wo geht es denn zum Eingang?“, fragt sie einen der vielen Polizisten auf der gesperrten Avenue des Champs-Élysées. Sie sprechen nicht die gleiche Sprache, aber die Antwort ist leicht zu verstehen: immer der Masse hinterher. Wer erleben will, wo das Herz der Olympischen Spiele von Paris am rasantesten schlägt, muss sich durchkämpfen. Olympisches Geschiebe. Doch es lohnt sich. La Concorde, wie der mit mehr als sieben Hektar größte Platz von Paris zur Sportstätte verkürzt derzeit heißt, ist ein Erlebnis.
Wenn die olympische Losung vom Zusammenkommen der Jugend irgendwo in Paris so richtig gilt, dann hier. Bässe wummern aus großen Boxen, der Boden staubt wie bei einem Festival. Rund um den Obelisken von Luxor recken sich auf Stahlgerüsten erbaute Tribünen in den Himmel. Bis zu 30.000 Zuschauer finden hier Platz. Sie bieten eine Heimat für die jungen olympischen Sportarten. Dort, wo gerade noch die deutschen 3x3-Basketballerinnen ihr Sensations-Gold gewonnen haben, wird nun fleißig umgebaut: Breaking feiert hier am Wochenende seine Olympia-Premiere. Im Skateboard und BMX wurden hier weitere Medaillen vergeben.
Trendsportarten bei Olympia: Statuen im Augenwinkel
Sie alle ziehen ein junges Publikum an. Wenn die ehrwürdigen Gebäude mit den prächtigen Fassaden auf der Achse zwischen Louvre und Triumphbogen sprechen könnten, sie würden sich wohl über die Gentrifizierung ihres Viertels beklagen. Oder sich über eine Belebung freuen. Im achten Arrondissement am rechten Seine-Ufer weht der Geist der Geschichte – und trifft sich hier mit dem Geist der Spiele. Die deutsche Skateboarderin Lilly Stoephasius schwärmt: „Hier ist so viel französische Kultur zu sehen. Das ist schon cool.“
Wenn sie in einen Run geht, sieht sie im Augenwinkel „irgendwelche Statuen“. Manchmal schwappe die Stimmung von anderen Sportarten herüber, schon beim Training seien etliche Zuschauer gekommen und hätten ihnen begeistert zugejubelt. Im Wettkampf sind die Ränge voll, die Tribüne vibriert. Ständig müsse sie sich durch Menschenmassen drängeln, sagt die 17 Jahre alte Berlinerin. Sie genießt das. Eine tolle Bühne für ihren Sport, „offenbar interessiert es die Leute“.
24 Euro für ein Ticket für den Parc Urbain
Doch nicht bei allen stößt die Aufnahme dieser Trendsportarten ins olympische Programm auf Zuspruch. Vertreter der traditionellen Disziplinen stören sich daran, dass es bei Skateboard und Co. viel um Lifestyle, nicht ums Quälen und Schinden für die beste Performance geht. Die deutsche BMX-Fahrerin Kim Lea Müller bestätigte das: „Ich trainere schon anders“, sagte sie einmal. „Man geht halt Fahrradfahren, wenn man Lust hat.“
Die Olympia-Fans scheint es hier nicht zu stören. Sie nehmen das Angebot an, das die Spiele-Macher sich für diesen Parc Urbain, den Park der urbanen Sportarten, ausgedacht haben. Mitten in die Stadt gesetzt, kommen nicht nur jene, die zu den Wettkämpfen wollen. Auch der Park an sich kann besucht werden. 24 Euro kostet ein Ticket, 25.000 Zuschauer gleichzeitig dürfen auf dem Platz sein.
Schlange stehen für Maskottchen- und Ringe-Selfie
Für die einzelnen Arenen braucht man dann zwar ein Extra-Ticket, aber es gibt auch so genug zu erleben: Ist eine Sportstätte gerade ungenutzt, wird hier auf einer großen Leinwand der Wettkampf von nebenan gezeigt. Immer wieder treten Tänzer spontan auf dem Platz auf. Jeder kann sich ausprobieren: mit dem Basketball, auf dem Skateboard oder im Seilchenspringen. Brav stehen die Menschen Schlange, um sich vor den Olympischen Ringen, die – ganz im Sinne der Instagram-Generation – vor dem Obelisken aufgebaut sind, zu fotografieren. Auch das knallrote Maskottchen Phryges hat noch kein Selfie ausgeschlagen.
So viele Familien mit kleinen Kindern sieht man selten an den olympischen Sportstädten. Doch längst nicht ausschließlich. Ein älteres Pärchen schaut sich begeistert die Live-Übertragung der Skateboard-Qualifikation an. La Concorde ist wie ein olympisches Disneyland für alle Generationen: laut, bunt, fröhlich.
Breaking feiert am Wochenende Olympia-Premiere
Der Plan der Olympia-Macher geht in Paris auf. Durch die Aufnahme junger Sportarten in das Fünf-Ringe-Programm will man auch das eigene Images etwas entstauben. Jung, modern, nahbar will man daherkommen. La Concorde zeigt allein durch die Lage mitten in der historischen Zentrale, wie sich Neues mit Tradition verbinden kann. Früher wurden auf dem Platz Könige geköpft, heute verdreht er einem den Kopf. Die Begeisterung der Besucher ist spürbar.
„Das ist so toll, ich will auch zum BMX“, sagt ein Junge beim Skateboard. Leider sind die Wettbewerbe schon durch. Doch vielleicht kann er sich fürs Breaking begeistern. Der Tanzsport, der sich vor allem als Teil der Hip-Hop-Kultur versteht, ist einmalig bei Olympia. Schon bei den Spielen 2028 ist er – anders als die anderen hier präsentierten Sportarten – nicht mehr dabei. Sie aufzunehmen, war ein Wunsch der französischen Ausrichter. „Die Tänzerinnen und Tänzer leben von der Energie des Publikums“, sagt der Hamburger Bundestrainer Marco Baaden. Und auf das ist hier Verlass.
Sicherlich gut an diesen Platz gepasst hätten die Kletter-Wettbewerbe – eine ähnlich junge Sportart, die weltweit einen Boom erlebt. Doch sie wurden ausgelagert. In Le Bourget nördlich von Paris im Département de la Seine-Saint-Denis geht es in einem jener Vororte um Medaillen, die vor allem für soziale Probleme bekannt sind. Die Entscheidung zahlt auf das Ansinnen ein, die Spiele auch in die Außenbezirke zu bringen, den Menschen durch die Spiele etwas zu geben. Die extra errichtete Anlage bleibt nach der Schlussfeier für Vereine und Sportler der Region erhalten.
Am Sonntag werden die Spiele beendet, das Olympische Feuer am Louvre erlischt. Richtig ruhig wird es am Place de la Concorde dann zwar auch nicht. Aber er gehört dann wieder ganz den altehrwürdigen Denkmälern.