Paris. Nach Diskussionen um die Wasserqualität springen die Triathleten in die Seine. Athleten hoffen, dass sich das Schwimmen dort nicht rächt.
Die wichtigste Frage ließ sich nicht sofort beantworten, zumindest nicht abschließend. Natürlich hatten alle Triathleten Wasser schlucken müssen bei dem Gedrängel in der Seine, um deren Sinn als olympischer Veranstaltungsort in den vergangenen Tagen und Wochen eine große Debatte entbrannt war. Ein Fluss mit schwieriger Wasserqualität, an sich ungeeignet für ein Bad. „Das merkt man nicht, wenn man schwimmt“, sagte Lisa Tertsch.
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Sie war froh, dass sie überhaupt schwimmen durfte, dass der Wettkampf am Mittwoch stattfand. Als sie am Abend zuvor ins Bett gegangen war, stand das noch nicht fest. Das für den Vortag geplante Rennen der Männer über die olympischen 1500 Meter Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und zehn Kilometer Laufen musste verschoben werden – wegen zu schlechter Wasserwerte. Doch die Wärme in Paris steigerte die Qualität der Seine, selbst der gefürchtete Regen in der Nacht verhinderte die Austragung nicht.
Deutsche Männer und Frauen bleiben hinter den Erwartungen
Gedanken daran konnten Tertsch und ihre Kolleginnen so kurz vor dem Start ohnehin nicht verschwenden. Der Optimismus begleitete sie, allerdings half er auf der Radstrecke auch nicht mehr. Sowohl Tertsch (Darmstadt) als auch Laura Lindemann (Potsdam) stürzten, als sie auf den noch nassen Straßen in der Spitzengruppe fuhren. „Um die Medaillen kann man dann natürlich nicht mehr mitlaufen“, sagte Lindemann, die am Ende Platz acht belegte. Tertsch wurde beim umjubelten Sieg der Französin Cassandre Beaugrand Neunte, Nina Eim (Potsdam) kam als Zwölfte an.
Kurz darauf durften auch die Männer ihren Wettkampf nachholen. Allerdings mit einer weiteren Herausforderung, gegen Mittag nahm die Hitze immer mehr zu. Tim Hellwig (Neustadt) auf Platz 18, Lasse Lührs (Bonn) als 21. und Jonas Schomburg (Hannover) als 24. hatten beim Sieg des Briten Alex Yee letztlich nichts mit dem Ausgang des Rennes zu tun.
„Es war ein besonderes Schwimmen, eine ziemliche Schlägerei am Anfang.“
Das Wasser an sich stellte sich dann auch nicht als das Hauptproblem des Tages heraus. „Es war ein besonderes Schwimmen, eine ziemliche Schlägerei am Anfang“, sagte Tertsch. An den Bojen quälten sich viele, die starke Strömung wirbelte bei den Wenden alle durcheinander. Als „sehr ruppig“, bezeichnete es Hellwig. „Ich wurde rausgedrückt, in andere reingedrückt. Ich bin gefühlt drunter und drüber geschwommen“, erzählte Lindemann, die am meisten enttäuscht war.
Sie hatte eine gute Ausgangsposition, rutschte aber in der vorletzten Runde mit dem Vorderrad weg. „Ich habe in allen Disziplinen gemerkt, dass die Form da ist. Ich habe mich körperlich echt gut gefühlt“, so die 28-Jährige, die die Umgebung dennoch genießen konnte: „Man wurde trotzdem über die Strecke getragen.“
IOC-Chef schaut sich das Rennen der Frauen an
Als das Schwimmen der Frauen bereits lief, kam auch Thomas Bach und nahm seinen Platz auf der Tribüne der Pont Alexandre III ein, unter der die blaue Startbrücke im Wasser lag. Begleitet wurde der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) von Organisationschef Tony Estanguet. Für beide war der Besuch gewissermaßen Pflicht, denn das Schwimmen in der Seine gehörte zu den Prestigeprojekten der Spiele von Paris. Kurz nach seinem Eintreffen wurde Bach von einem Funktionär auf das Rennen angesprochen wurde: „Sei froh, dass es stattfindet.“ Bach lächelte.
Es war tatsächlich alles so aufgegangen, wie es nach den Ideen olympischer Vordenker vorgesehen war. Mit etwas Verzögerung zwar bei den Männern, aber sie wurden geliefert, die Bilder mit den Triathleten beim Schwimmen in der Seine, im Hintergrund der Eiffelturm oder die kunstvoll verzierte Brücke mit ihren goldenen Skulpturen. Ein zweifellos spektakuläres Ambiente.
Dafür standen Zuschauer schon morgens um acht Uhr zum Beginn des Frauenrennens in Massen an der Strecke, entwickelten eine mitreißende Atmosphäre. „Es war unheimlich laut, die Stimmung war megastark“, sagte Tertsch, die wie ihre Kolleginnen erst um vier Uhr morgens endgültige Gewissheit über die Austragung des Rennens erhalten hatte.
Das Hin und Her, die meist fatalen Werte für Bakterien und allerlei andere gesundheitsschädliche Dinge hatten zuletzt für viel Aufregung gesorgt. Seit 100 Jahren ist das Baden in der Seine verboten, dennoch setzten die Organisatoren alles daran, sie als Wettbewerbsstrecke zu nutzen. „Derzeit kann der Eindruck entstehen, dass die Gesundheit der Athletinnen und Athleten dem Glanz der Spiele untergeordnet wird“, hieß es von der Vereinigung Athleten Deutschland.
Weitere Wettbewerbe im Fluss sind nicht gesichert
Im Fall der Triathleten bestand sogar die Gefahr, die ganze Sportart zu entwerten. Denn wäre das Schwimmen in der Seine trotz aufwendiger und sehr teurer Maßnahmen zur Säuberung nicht möglich gewesen, hätten die Rennen als Duathlon ausgetragen werden sollen. Was einer olympischen Farce geglichen hätte. Die blieb nun aus, was Bach und dem IOC weitere Negativschlagzeilen ersparen. Zumindest vorerst. Denn noch steht der Mixed-Wettbewerb der Triathleten auf dem Programm, auch das Freiwasserschwimmen, das zur Not aber in die Anlage der Ruderer und Kanuten verlegt werden soll.
Für das Mixed wollen die deutschen Athleten die Ausbeute deutlich verbessern. „Wir müssen gucken, dass wir eine Medaille in der Staffel holen“, so Lindemann. Ob das möglich sein wird, hängt vielleicht auch mit der abschließenden Antwort auf die wichtigste Frage zusammen. Wie sich das Schwimmen in der Seine auswirkt, welche Folgen der Schluck aus dem Fluss haben wird. „Ich bin optimistisch, dass es uns morgen immer noch allen gut geht“, sagte Nina Eim mit einem Lächeln.