Paris. Die Organisatoren wollen Schwimmer in der dreckigen Seine sehen. Der Unmut ist groß, der erste Wettbewerb im Fluss muss verschoben werden.

Die Startnummern klebten schon an den Sachen, der Kopf befand sich bereits im Rennmodus, als die ernüchternde Nachricht kam. Gut drei Stunden vor dem für acht Uhr morgens geplanten Start erfolgte die Verschiebung des Triathlons der Männer. Umsonst sind Lasse Lührs (Bonn), Tim Hellwig (Neustadt) und Jonas Schomburg (Hannover) extrem früh aufgestanden. Sie konnten ihre Taschen wieder auspacken, sich noch mal hinlegen.

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Das drückte auf die Stimmung, obwohl die Athleten das nicht zu sehr an sich heranlassen wollten. „Es hilft nichts, sich lange darüber zu ärgern“, sagte Lührs. Irgendwie konnten sie sich schließlich darauf einstellen, dass ihr olympischer Wettbewerb nicht reibungslos über die Bühne gehen würde. Dazu hatten sich die Veranstalter in zu spektakulären Sphären bewegt. Was bei zwei Teildisziplinen des Triathlons kein Problem darstellt.

Baden verboren, aber Spitzensportler sollen in die Seine

Nur das Schwimmen in der Seine war von Anfang ein beunruhigender Faktor, der nun auch das Rennen verhinderte. Der Fluss, der sich durch Paris schlängelt, darf mehr oder minder als Kloake betrachtet werden, seit 100 Jahren ist das Baden darin verboten. Trotzdem will man Triathleten und Freiwasserschwimmer in dieses Wasser schicken, weil die Bilder vor der Kulisse der Pariser Wahrzeichen eben unvergleichlich sind.

Wie es den Sportlern damit geht, interessiert wenn, dann höchstens am Rande. Die durften bis zum Schluss nicht ein einziges Mal in der Seine trainieren. Obwohl sonst keine Wettkämpfe in Flüssen stattfinden und die starke Strömung ungekannte Herausforderungen bereithält auf dem Rundkurs nahe des Eiffelturms. „Wir konnten nicht testen, wie stark sich die Strömung anfühlt, wie man um die Bojen schwimmen muss, wo es einen rausdrückt und wie man dagegenhalten kann“, so die Potsdamerin Laura Lindemann.

Hohe Investitionen bringen keine Sicherheit

Gut 1,4 Milliarden Euro wurden investiert, um die Wettkämpfe in der Seine austragen zu können. Viele Haushalte, die ihre Abwässer direkt in die Seine leiteten, erhielten einen Anschluss an die Kanalisation. Die Wasserqualität, die stark von Fäkalien, Bakterien und Pestiziden beeinträchtigt ist, verbesserte sich auch. Doch ob das reichen würde, um die Gesundheit der Sportler nicht zu gefährden, blieb stets unklar. Zumal die zulässigen Werte bei ergiebigen Regenfällen schnell überschritten werden und die Strömung zunimmt.

Der Bonner Lührs geht das pragmatisch an. „Wenn wir ins Wasser dürfen, dann heißt das, dass die Qualität gut ist.“ Doch die fragwürdige Strategie, die Bilder in den Mittelpunkt zu rücken und auf gutes Wetter zu hoffen, stößt überall auf Kritik. „Das Ambiente und die Idee sind maximal reizvoll, das ist gar keine Frage. Für die Sportler ist es aber schon unsäglich, dass man nicht weiß, was da kommen wird“, so Bernd Berkhahn, der Bundestrainer der Freiwasserschwimmer.

Freiwasserschwimmer haben Angst vor Krankheiten

Deren Wettkämpfe mit den Medaillenkandidaten Florian Wellbrock und Leonie Märtens sind erst am Ende der Spiele geplant. Sie verzichten aus Angst vor Erkrankungen ohnehin auf ein Training in der Seine. „Irgendwie ist es ein bisschen paradox“, sagt Wellbrock, den Athleten bei Olympia eine Wettkampfstrecke vorzusetzen, „die mehr als nur fragwürdig ist“.

Die Triathleten sollen nun am Mittwochmorgen starten, direkt nach dem Rennen der Frauen. Doch wie schon am Wochenende wurde für Dienstagabend viel Regen angekündigt. Das Bangen ging also weiter. Selbst eine Reduktion auf einen Duathlon ist nicht ausgeschlossen. Was sicher nicht im Sinne des Sports wäre.