München. Nach dem furiosen Achtelfinalsieg gegen Rumänien träumen die Niederlande schon vom Finale. Noch aber hat ihr Spiel einige Makel.

Am Samstag werden die Niederländer wieder für ein Spektakel sorgen und dabei Bewegungen aufführen, die so ziemlich alle im Publikum in den Bann ziehen. Die Rede ist aber nicht von den filigranen Fußballern, trotz ihres famosen Auftritts am Dienstagabend beim zu knapp bemessenen 3:0 (1:0)-Sieg gegen Rumänien im Achtelfinale. Vielmehr sind es die Oranje-Fans und ihre zu Tausenden synchron ausgeführten Seitwärtshüpfer „naar links, naar rechts“, die als fester Bestandteil des bunten Bilderbogens dieser EM viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Vorm Viertelfinale gegen die Türkei am Samstag dürfte die fröhlich inszenierte Tanzeinlage der orange gewandeten Massen zum Mitgrölsong der Band Snollebollekes wieder auf den Straßen Berlins zu bewundern sein.

Auch die Fußballer der Niederlande haben gerade einen markanten Richtungswechsel vollzogen. Nur dass bei ihnen eher ein naar hinten, naar vorne zu beobachten war. Krisenstimmung hatte bei der Elftal zuletzt ja nach der 2:3-Niederlage gegen Österreich und Platz drei in der Gruppe verstärkt Einzug gehalten. Nun aber, nach dem Sprung ins Viertelfinale mit einem bemerkenswerten Offensivspektakel, stellt sich Zuversicht ein, dass die weitere Reiseroute Berlin, Dortmund, Berlin lauten könnte, passend zu den Pendelhüpfern hin und her und wieder zurück.

Rumänien war bald überfordert mit den Niederlanden

„Nach dem vergangenen Spiel brauchten wir diese Reaktion“, sagte Linksaußen Cody Gakpo und erkannte in dem 3:0 gegen Rumänien einen „Schritt in die richtige Richtung“. Bondscoach Ronald Koeman sprach sogar bereits vom Endspiel in Berlin. Allerdings bettete er das Ziel nicht ein in seine Ausführungen, weil ihn ein ähnlicher Euphorieschub erfasst hätte wie die Fans.

Cody Gakpo trifft zum 1:0 für die Niederlande – er wurde zum Spieler des Spiels gewählt.
Cody Gakpo trifft zum 1:0 für die Niederlande – er wurde zum Spieler des Spiels gewählt. © AFP | KIRILL KUDRYAVTSEV

Der 61-Jährige, der als Oranje-Spieler 1988 in Deutschland Europameister geworden war, verband mit dem Hinweis auf den 14. Juli vielmehr die Forderung, fortan Konstanz zu zeigen. „Wenn man nachlässt, kommt man nicht ins Finale“, warnte Koeman und erhob das Niveau des Vortrages gegen Rumänien zum Maßstab. Er sagte: „Solch eine Leistung brauchen wir, um weiterzukommen.“ Hinzugefügt werden muss allerdings, dass die Rumänen trotz ihres stürmischen Beginns und ihrer Leidenschaft bald überfordert waren und qualitativ kein ernsthafter Herausforderer sein konnten.

Cody Gakpo war Speiler des Spiels – und könnte zum Spieler des Turniers werden

Doch unabhängig davon soll es bei den Niederländern nun kein erneutes naar hinten geben. Das sieht nicht nur Koeman so, sondern auch seine Belegschaft. „Wir wissen um unsere Qualität, individuell und als Mannschaft“, sagte Gakpo. Es sei sehr enttäuschend gewesen, dass man diese Fähigkeiten in der Gruppenphase und besonders gegen Österreich nicht habe zeigen können. Auch deshalb, befand der Profi des FC Liverpool, „war es wichtig, ein Statement zu setzen.“ Seine Bestandsaufnahme: „Wir werden besser, es gibt aber noch fehlende Puzzleteile. Wir sind noch nicht ganz da, wo wir sein wollen.“

Die Fans der Niederlande feierten in München schon vor dem Spiel eine gewaltige Party in Orange.
Die Fans der Niederlande feierten in München schon vor dem Spiel eine gewaltige Party in Orange. © DPA Images | Stefan Puchner

Gakpo, 25, hatte mit seiner Physis, seinem Tempo und seiner Technik herausgeragt und war nach einem Tor und einer Vorlage zum Player of the match gewählt worden. „Cody spielt dieses Turnier auf einem großartigen Niveau, er ist bisher unser vielleicht wichtigster Spieler. Ich hoffe, dass die anderen auf sein Niveau kommen“, lobte Koeman. Der ARD-Experte Bastian Schweinsteiger befand sogar über Gakpo: „Wenn die Niederländer weit kommen, könnte er zum Spieler des Turniers werden.“

Oranje zeigte als größten Makel die fehlende Effizienz

Nach den dezenten Offensivleistungen hatte sich bei den Niederländern nun als größter Makel eine mangelnde Effizienz eingestellt. Nachdem Gakpo die Führung nach einem schönen Solo, natürlich von links naar rechts, mit seinem dritten EM-Tor erzielt hatte (20.), überboten er und seine Kollegen sich im Auslassen von Chancen.

Erst der eingewechselte Donyell Malen von Borussia Dortmund sorgte mit dem ersten Doppelpack des Turniers (83./90.+3) für die überfällige Entscheidung. Auch deshalb mahnte Koeman neben mehr Konstanz auch mehr Kühle im Abschluss an. „Je besser die Gegner werden, desto weniger Chancen werden wir bekommen“, prognostizierte er. Mehr Effizienz sei also geboten.

Bondscoach Ronald Koeman weiß: Die Niederlande müssen auch schön spielen

Fast schon rauschhaft offensiv war Koemans Elftal der vorherigen Krisenstimmung entflohen. Sie hatte damit auch den Forderungen aus der Heimat entsprochen. Der Bondscoach weiß, in welcher Tradition seine Mannschaft steht und was von ihr erwartet wird. Das Ergebnis sei zwar das wichtigste, aber nicht das einzige Kriterium, erinnerte Koeman, „in Holland müssen wir schön spielen, wir müssen Angriffsfußball zeigen.“ Sollte dabei nun auch noch die Verschwendungssucht bei den Chancen in Effizienz verwandelt werden, wäre mit den Niederländern wohl umso mehr zu rechnen.

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Ohnehin erweist sich ihr dritter Gruppenplatz als möglicher Vorteil. Sollte gegen die Türkei der Einzug ins Halbfinale gelingen, träfe Oranje in Dortmund auf die bisher schwächelnden Engländer oder die Schweizer. Es sei denn, die Niederländer hüpfen nun nicht nur naar links und naar rechts, sondern nach dem Sprung nach vorne auch wieder naar hinten.