Siegen. Umberto Eco hat „Der Name der Rose“ geschrieben. Nicht geschrieben hat er „Carmen Nova“. Wie Niels Penke von der Uni Siegen das herausfand.

Es ist eine mysteriöse Geschichte um eine Kriminalnovelle, die angeblich aus der Feder des weltberühmten italienischen Schriftstellers Umberto Eco stammt. 60 Seiten umfasse die Novelle „Carmen Nova“, angefügt seien Vorwort, Nachwort, Notizen und Anmerkungen, schildert der Literaturwissenschaftler Niels Penke von der Uni Siegen. „Da hat sich jemand sehr viel Mühe gemacht.“ Allerdings: Umberto Eco (1932-2016) war es nicht, davon ist Penke fest überzeugt. „Es handelt sich um eine sehr gut gemachte Fälschung, von der mindestens 15 Exemplare existieren“, sagt der Forscher.

Als Penke Ende 2022 bei Ebay auf den vergilbten Band stieß, war er elektrisiert. Ein unbekanntes Werk des großen Autors? Schnell folgte Ernüchterung. Viele Hinweise lassen ihn davon ausgehen, dass die Seiten nicht von Umberto Eco stammen, wie der Forscher erläutert. „Das unterhaltsame und kunstvolle Erzählen eines Eco fehlt.“ Rund um die Figur der Carmen entwickele sich gar keine richtige Geschichte. „Und es ist ein übertheoretisierter Text“, findet Penke.

Zugleich stellt Penke fest: „Hier kennt sich jemand gut mit Eco aus.“ Der unbekannte Verfasser müsste für eine „so gute Erfindung“ auch literarisch bewandert sein, glaubt er. Als - erfundener - Verlag sei in dem Band eine Edition Doppelnull mit Sitz in Zürich angegeben. Auch das angeblich vom französischen Schriftsteller Roland Barthes stammende Nachwort sei fingiert. Der Text enthalte zahlreiche Anspielungen auf andere Romane und Schriftsteller, berichtet Niels Penke. Die erste Auflage sei auf das Jahr 1983 datiert. Da war Ecos Welterfolg „Der Name der Rose“ im Original noch nicht lange auf dem Markt.

Niels Penke will nichts unversucht lassen, um den Urheber des Fake-Bändchens zu enttarnen. Nach Angaben der Uni Siegen hatte man den Fall erstmals im Februar öffentlich gemacht. Seitdem schlage „Carmen Nova“ in Literaturkreisen hohe Wellen. Auch der Sohn Ecos habe sich gemeldet: Es gebe keinen Hinweis, dass sein Vater von der gefälschten Novelle gewusst habe, zitiert die Uni das Eco-Familienmitglied. Vereinzelt seien weitere Personen ebenfalls auf den Band gestoßen. Einige hätten sich an Penke gewandt - darunter einer, der das Bändchen zusammen mit einem Raubdruck von „Der Name der Rose“ erworben habe. „Es ist schon allerhand, dass jemand versucht, einem so namhaften Autor noch zu dessen Lebzeiten ein gefälschtes Werk unterzuschieben“, findet Penke. Er hoffe, dass der Urheber selbst nach all den Jahren doch noch aus der Deckung kommt.