Arnsberg. Sie zieht Blicke auf Arnsberg. Als Kuratorin steht Pauline Doutreluingne für die Kunst von morgen - und findet im Sauerland fruchtbaren Boden.

Im Kunstverein Arnsberg riecht es nach Seife, geschichtslos, sauber, optimistisch. Die Nase betrügt jedoch das Auge, denn die Seife hat ein Schicksal. Sie ist das Resultat einer Katastrophe, eines verheerenden Waldbrandes, dessen Zeugin die Künstlerin Jeewi Lee in Italien wurde. Die Südkoreanerin, die in Berlin lebt, verwandelt die Asche der verbrannten Bäume in Kunst, in Seifenskulpturen und Seifenbilder, schafft aus dem Vergangenen die Zukunft. Zu sehen sind die Arbeiten jetzt in der Ausstellung „Painted Matter“, die vom 22. September bis 19. November im Kunstverein zu sehen ist.

Pauline Doutreluingne kennt Künstlerinnen und Künstler auf der ganzen Welt, die herkömmliche Sichtweisen aufbrechen und das Offensichtliche mit ungewöhnlichen Ideen hinterfragen. Die 40-Jährige ist seit rund anderthalb Jahren die Kuratorin des Kunstvereins Arnsberg. Seither werden die Arnsberger Ausstellungen unter anderem im „Monopol Magazin“ besprochen, in der Tageszeitung „Die Welt“, in der TAZ, das Fernsehen kommt vorbei, eine Reichweite, von der selbst viele Museen nur träumen. Welches Geheimnis steckt hinter dieser Resonanz? „Die Aufgabe von Kunst ist es, einen Schritt voraus zu sein und neue Blickwinkel reinzubringen“, sagt die Belgierin, die in Gent Sinologie und dann in Peking Kulturmanagement studierte und nun in Berlin lebt.

Das Licht fasziniert und begeistert Pauline Doutreluingne im großen Saal des Kunstvereins Arnsberg.
Das Licht fasziniert und begeistert Pauline Doutreluingne im großen Saal des Kunstvereins Arnsberg. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Kunst im Stadtraum

So hat Pauline Doutreluingne zusammen mit Keumhwa Kim 2021 das ehemalige Regenrückhaltebecken des Berliner Flughafens Tempelhof in eine schwimmende Science-Fiction-Landschaft verwandelt, deren Kunstobjekte das Publikum in Gummistiefeln watend erkunden konnte. In Arnsberg kuratierte sie bisher eine schnell aufeinanderfolgende Trilogie von performativen Ausstellungen, mit Arbeiten der Libanesin Rana Hamadeh, der Iranerin Farkhondeh Shahroudi und der Schweizerin Anna Anderegg. Deren internationales Projekt „Silver Boom“ will Frauen über 60 sichtbar machen, die in der Realität aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden. Dafür hat sie Protagonistinnen aus Arnsberg interviewt und gefilmt und im Sommer mit Videos und Performances den öffentlichen Raum besetzt. „Ich finde es immer spannend, in den Stadtraum zu gehen.“ Arnsberg ist bekannt als eine der Städte mit der höchsten Dichte an Kunst im öffentlichen Raum in NRW.

Grenzen der Malerei

Für ihre neue Ausstellung konzentriert sich Pauline Doutreluingne nun auf die Malerei. „Warum ist Malerei immer noch so wichtig, trotz KI? Welche Bilder sind heute relevant?“. Für „Painted Matter“ hat sie vier Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, welche die Grenzen der Malerei ausloten und verschieben. Von Jeewi Lee gibt es auch Sandbilder, meditative monochrome Arbeiten. „Sand ist ein begehrter Rohstoff, der immer weniger wird. Er bewegt sich über die Ozeane von Land zu Land, er ist frei. Jeewi Lee erschafft mit ihren Bildern ein Archiv des Sandes.“

Der Italiener Marco Bruzzone hängt seine bemalten Leinwände ins Meer, wo sie mit lebenden Organismen zusammenarbeiten und eine Transformation erleben. Seine Kunst riecht nach Algen. Sarah Kirsch aus Karlsruhe schafft mit realen Fragmenten hochkonzentrierte poetische Malerei. Der chinesische Künstler Xu Wenkai, der in Berlin lebt, hat die virtuelle Persona aaajiao geschaffen, die künstliche Intelligenz nutzt, um digitale Gemälde zu kreieren, welche dann auf Seide gedruckt werden.

Bürgerschaftliches Engagement

„Das Licht ist so schön in diesem Raum“, schwärmt Pauline Doutreluingne von den Ausstellungssälen des Kunstvereins. „Wenn ich in Arnsberg bin, genieße ich die Ruhe, die Konzentration und das große Interesse der Bürger.“ Durch ihre fünf Jahre in China hat Pauline Doutreluingne ihren Horizont über Europa hinaus geweitet, „es passiert so viel auf der Welt“, sagt sie. „Diese Begeisterung und Weltfreude möchte ich gerne in Ausstellungen übersetzen. Ich finde es wichtig, nicht nur erfolgreiche Künstler nach Arnsberg zu holen, sondern auch Künstler zu entdecken, die man noch nicht kennt.“

Mit großem bürgerschaftlichem Engagement ist der Kunstverein Arnsberg zu einer ersten Adresse in der Szene geworden, als Ort, wo es erwünscht ist, etwas auszuprobieren. „Ich war anlässlich der Ausstellung der Künstlerin Anne Duk Hee Jordan das erste Mal im Kunstverein und dachte: Die sind genauso abenteuerlich wie ich“, sagt Pauline Doutreluingne. Als sie gebeten wurde, die Position der künstlerischen Leitung zu übernehmen, war ihre erste Reaktion: „Das passt.“ Ihr ist es wichtig, dass die Kunst nicht ins Virtuelle abwandert, sondern im realen Raum bleibt, wo sie gesehen, gefühlt, gerochen, berührt werden kann. „Das Offene, das Abenteuerliche, der andere Blick, das ist es, was Kunst ausmacht. Kunst verbindet auch, sie bringt Menschen zusammen.“

Ausstellung: Painted Matter. 22. 9. bis 19. 11. im Kunstverein Arnsberg. www.kunstverein-arnsberg.de