Essen. Der Organmangel ist eklatant. NRW versucht einen Neuanlauf für die Widerspruchslösung - und bleibt beim neuen Online-Register skeptisch

  • 2023 gab es in NRW 166 Organspender. Dem gegenüber standen rund 1800 schwerkranke Menschen, die auf ein Spenderorgan warten.
  • Bundesweit ist am 18. März ein neues Register online gegangen, in das sich potenzielle Spender eintragen können. NRW bleibt skeptisch, ob das allein gegen den Mangel helfen kann.
  • Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) setzt sich erneut für die Widerspruchslösung ein.

Unter dem Eindruck des weiterhin eklatanten Mangels an Organspenden hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Erwartungen an das neue Spenderregister des Bundes gedämpft. Er glaube nicht, dass durch die Änderung des Dokumentationswegs mehr Menschen dazu bewegt werden, eine Entscheidung zu treffen, sagte der Minister dieser Redaktion bereits zum Start des Register am 18. März.

„Ich bin fest davon überzeugt: Wenn wir die Entscheidungskultur bei der Organspende zugunsten der auf ein Organ wartenden Menschen ändern wollen, müssen wir zu einer Widerspruchslösung kommen“, sagte Laumann. Ohne diese gesetzliche Änderung stelle das neue zentrale Online-Register für Organspende-Erklärungen lediglich eine andere Form der Dokumentation dar.

Neues Organspende-Register des Bundes ist am 18. März an den Start gegangen

In vielen Ländern Westeuropas gilt die Widerspruchslösung, nach der jeder ein potenzieller Organspender sein kann, solange er dem nicht aktiv zu Lebzeiten widersprochen hat. Derzeit ist das Prinzip in Deutschland umgekehrt: Man muss einer Spende zustimmen und das etwa im Organspendeausweis dokumentieren.

Seit Montag, 18. März, gibt es dazu einen weiteren Weg: In einem neuen bundesweiten Organspende-Register können Menschen ihren Willen freiwillig und kostenfrei hinterlegen. Das Register soll für alle Seiten mehr Rechtssicherheit bringen, den Informationsfluss mit den Kliniken verbessern und letztlich die Zahl der Organspenden erhöhen. 2023 standen in NRW rund 1800 schwerkranke Menschen auf der Warteliste für ein Organ. Zugleich gab es 166 Organspender.

Wir zwingen niemanden zur Organspende. Ich bin aber schon der Meinung, dass wir die Menschen dazu verpflichten können, sich mit der Entscheidung auseinanderzusetzen.
Karl-Josef Laumann (CDU) - NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales

Laumann setzt sich seit Langem für die Widerspruchslösung ein. „Eine verpflichtende Entscheidung jedes Einzelnen halte ich für zumutbar“, sagte der Minister dieser Redaktion. „Wir zwingen niemanden zur Organspende. Ich bin aber schon der Meinung, dass wir die Menschen dazu verpflichten können, sich mit der Entscheidung auseinanderzusetzen. Das würde die Situation auch für die Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern verbessern.“ Das neue Register sei für die Einführung der Widerspruchslösung notwendig, so der Minister, weil aus ihm die Krankenhausärzte eindeutig entnehmen könnten, wer keine Organe spenden will.

NRW-Gesundheitsminister Laumann kündigt Gesetzesinitiative zur Widerspruchslösung an

Um die Widerspruchslösung zu erreichen, kündigte Laumann eine Gesetzesinitiative an. Über den Bundesrat wolle er ein Gesetz zur Einführung der Widerspruchslösung in den Bundestag einbringen. „NRW bereitet derzeit einen entsprechenden Gesetzentwurf vor und will möglichst viele andere Bundesländer gewinnen, den Gesetzentwurf im Bundesrat zu unterstützen“, so der Christdemokrat. Die Abstimmungen würden in Kürze beginnen. Der Gesetzentwurf soll den Abgeordneten so rechtzeitig vorgelegt werden, dass sie noch vor der nächsten Bundestagswahl darüber debattieren können.

Im Januar 2020 war eine Gesetzesinitiative zur Widerspruchslösung im Bundestag gescheitert. NRW hatte im Dezember 2023 mit Baden-Württemberg und Hessen einen erneuten Versuch im Bundesrat angestoßen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat das gegenüber dem „Stern“ begrüßt, allerdings die Initiative beim Bundestag gesehen. Er hoffe, dass sich ein neuer Anlauf der Parlamentarier für eine fraktionsübergreifende Initiative finde, so Lauterbach. „Dieser würde ich mich als Abgeordneter anschließen“, sagte der Minister. „Die Zeit ist reif dafür. Die betroffenen Familien, die auf eine Organspende schon lange warten, haben unseren Mut verdient, neu zu entscheiden.“

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