Essen. Frauen werden medizinisch immer noch schlechter versorgt als Männer. In Essen sprachen Expertinnen über Auswege. Der Minister machte eine Zusage.

Um Frauen in der Medizin zu stärken, hat sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für eine Frauenquote bei Chefarztposten an Universitätskliniken ausgesprochen. „Ich persönlich könnte mir, was Spitzenpositionen in öffentlichen Krankenhäusern angeht, eine Quotenlösung sehr gut vorstellen“, sagte Lauterbach beim zweiten Frauengesundheitsgipfel, der am Donnerstag in der Essener Zentrale der Funke Mediengruppe stattgefunden hat. Gäbe es eine Männerquote, glaubten Männer, dass sie eine Spitzenstelle trotzdem bekommen hätten. Bei Frauen aber seien Quotenregelungen oft mit einem Stigma verbunden.„Ich glaube, das Stigma ist besser als die Stelle gar nicht zu haben“, so der Minister in Essen.

Bundesweit machen Frauen zwar zwei Drittel der Medizinstudierenden aus, aber nur 13 Prozent der Chefarztposten an den jeweils landeseigenen Universitätskliniken.

Funke-Verlegerin: Frauen werden medizinisch immer noch nicht so gut versorgt wie Männer

Dass der oft männliche Blick Folgen für die Frauengesundheit hat, war eines der Themen bei der Veranstaltung „Aktion Gesundheit“ der „Bild der Frau“, die wie diese Redaktion auch zur Funke Mediengruppe gehört. Vor rund 100 geladenen Gästen blickten Fachfrauen auf die seelische und körperliche Gesundheit von Frauen und wiesen dabei immer wieder auf Ängste, Wissenslücken und Tabuisierung hin. Mandy Mangler, zweifache Chefärztin aus Berlin brachte das Ziel des Gipfels auf den Punkt: „Frauen wollen Medizin auf Augenhöhe.“

Julia Becker, Verlegerin und Aufsichtsratsvorsitzender der Funke Mediengruppe, kritisierte, dass Frauen auch in Deutschland noch immer nicht so gut medizinisch versorgt würden wie Männer. Krebs oder Herzinfarkte würden oftmals zu spät erkannt und behandelt. „Frauen sterben unnötigerweise, weil Ärzte und Ärztinnen die unterschiedlichen Symptome etwa von einem Herzinfarkt bei Männern und Frauen nicht erkennen“, so Becker. Die Kluft in der Gesundheitsversorgung von Frauen und Männern habe weitreichende Auswirkungen – für das persönliche Wohlbefinden der Frauen, aber auch den gesellschaftlichen Wohlstand: „Wir dürfen und können uns eine ungleiche gesundheitliche Versorgung von Frauen und Männern einfach nicht mehr leisten“, sagte die Verlegerin.

Lauterbach: Studierende werden sich viel mehr mit geschlechtergerechter Medizin beschäftigten

Tatsächlich sollen sich angehende Medizinerinnen und Mediziner in Deutschland künftig viel mehr mit solchen Unterschieden auseinandersetzen. Das machte Lauterbach im Gespräch mit Sandra Immoor, Chefredakteurin der Bild der Frau, deutlich. Geschlechtersensible Medizin soll laut dem Minister Pflicht im Studium werden. Mit einer Petition will die „Bild der Frau“ zudem erreichen, dass sich das auch in Diagnostik und Behandlung niederschlägt.

Dass davon auch Männer profitieren können, sagte Stephanie Krüger zu Beginn ihres Vortrags zu seelischer Frauengesundheit: „Frauen erkranken nicht häufiger an Depressionen als Männer, sie werden nur häufiger diagnostiziert“, sagte die Chefin des Zentrums für seelische Frauengesundheit am Vivantes Klinikum Spandau in Berlin. Depressionen äußerten sich bei Männern anders und würden oft nicht erkannt. Krüger erklärte, welchen gravierenden Einfluss Hormone auf das psychische Wohlbefinden von Frauen haben und nannte beispielhaft die Schwangerschaftsdepression, aber auch Angsterkrankungen und sogar Alzheimer-Demenz. Zwei Drittel der Alzheimer-Patienten sind weiblich.

Hormonexpertin rät Frauen mit starken Wechseljahr-Symtpomen: „Leiden Sie nicht vor sich hin“

Ängste und Vorbehalte gerade gegen Hormonersatztherapien in den Wechseljahren sind groß. Diese Erfahrung machen die Beraterin Anke Sinnigen und Petra Stute, Leiterin des Menopausenzentrums an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Bern, immer wieder. Im Gespräch mit Fernsehmoderatorin Katja Burkard über die Wechseljahre warben sie für Aufklärung und eine Stärkung der Frauen, die vielfach mit Symptomen wie Hitzewallungen, Konzentrationsstörungen oder Ängsten kämpfen. „Leiden Sie nicht vor sich hin, suchen Sie sich Hilfe und bestehen Sie auch darauf, dass Sie sie bekommen“, sagte Stute.

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