Duisburg. Der 17-jährige Wasserballer Tobias Kammermeier tritt bei den Ruhr Games 2023 an. Als Profisportler trainiert er oft schon vor der Schule.
Donnerstagmorgen, viertel nach fünf: Tobis Wecker klingelt, dabei beginnt die Schule erst in knapp drei Stunden. Vor der ersten Unterrichtsstunde geht es für den 17-Jährigen noch zum Wasserball. Seine Mannschaft trainiert rund acht Mal pro Woche – fünf Mal abends und drei Mal morgens.
Rund 35 Wettkämpfe stehen für den Duisburger jährlich an. Tobias Kammermeier spielt Jugendbundesliga und Europameisterschaften. Doch in diesem Jahr gibt es eine Premiere: Er tritt zum ersten Mal bei den „Ruhr Games“ an.
Ruhr Games 2023: NRW-Wasserballer treten gegen internationale Teams an
Seine Mannschaft, das „Team NRW“, kämpft von Donnerstag bis Samstag mit vier Gegnern um den Titel. Darunter sind Vertreter aus Georgien, Kroatien und Ungarn. Teams, die Tobi bislang nicht einschätzen kann. „Ich hoffe natürlich auf den Sieg“, sagt er. „Aber kann auch sein, dass sie uns komplett auseinandernehmen.“ Ein cooles Schmunzeln folgt. Von Aufregung noch keine Spur.
Kein Wunder, denn das Talent wurde Tobi praktisch mit der Muttermilch mitgegeben. Sowohl seine Eltern als auch seine zwei älteren Geschwister spielen Wasserball. „Er hatte also gar keine Chance am Wasser vorbeizukommen“, sagt Mutter Silke. Tobi sei von klein auf immer in der Schwimmhalle dabei gewesen. Sein Vater, der auch als Trainer fungierte, habe sich höchstpersönlich um die Wassergewöhnung der Kinder gekümmert. „Mit drei Jahren hat Tobi dann sein Seepferdchen im Schwimmverein gemacht“, erinnert sich die 48-Jährige.
Erste Meisterschaft mit zehn Jahren: Tobi braucht Action
Tobi sei schon als Kind so ein Mensch gewesen, der sich immer sportlich betätigen musste. Selbst am Wochenende habe man ihn und seinen Bruder bereits um sechs Uhr morgens im Garten auf dem Trampolin vorgefunden. Ausflugsziele waren entweder der Kletterpark oder die Skaterrampe. „Ich habe definitiv keine Bastelkinder“, schmunzelt Silke Kammermeier.
Bei seiner ersten Meisterschaft, dem U13-Deutschland-Cup in Esslingen, war der Duisburger gerade mal zehn Jahre alt. „Mit Bayer Uerdingen haben wir das Ding voll gewonnen“, erinnert er sich. „Aber da habe ich fast nur auf der Bank gesessen“, gibt er zu. Schließlich sei er der Jüngste gewesen, konnte zumindest körperlich noch nicht mit den „Großen“ mithalten und hatte erst ein Jahr zuvor mit dem Wasserballspielen angefangen. Aber: Der Cup war Tobis Startschuss. Von da an war er Teil der Wettkampfmannschaft, durfte auf alle Meisterschaften mitfahren und wurde immer häufiger aufgestellt. Mit Bayer Uerdingen wurde er NRW-Meister und Deutscher Vizemeister. Im Jahr 2019 wechselte der Wasserballprofi zum SV Krefeld 72 und gewann die Deutsche Meisterschaft in der U18-Bundesliga.
Training bis 7.30 Uhr, Schule ab acht Uhr
Für seine Leidenschaft nimmt der 17-Jährige einen vollgepackten Alltag und manchmal auch wenig Schlaf in Kauf. Frühtraining von sechs Uhr bis 7.30 Uhr, anschließend Schule von acht Uhr bis 14.22 Uhr. Dann geht’s heim, essen, Schulaufgaben erledigen, für Klausuren lernen oder was sonst so ansteht. Vor dem regulären Abendtraining von anderthalb Stunden gibt es oft noch eine Stunde Krafttraining, denn wichtiger als das Schwimmen sind beim Wasserball die Beinmuskeln, um sich dauerhaft über Wasser zu halten. Einmal pro Woche steht noch Physiotherapie auf dem Plan, denn „irgendwas ist immer“. Am Wochenende geht’s meistens mit dem Mannschaftsbus zu Spielen und Wettkämpfen. Manchmal an beiden Tagen, manchmal so weit entfernt, dass das Team über Nacht bleibt.
Daran, einfach mal nichts zu tun, ist kaum zu denken. Wenn Tobi eine freie Sekunde hat, geht er mit Kumpels Wakeboard fahren oder trifft seine feste Freundin Celina, mit der er seit anderthalb Jahren zusammen ist. Die Schule läuft „so nebenbei“, zwischen Training, Wettkämpfen und Freizeit. Tobi geht gerade in die Q1, hat einen Zweierschnitt und strebt im kommenden Jahr das Abitur mit den Leistungskursen Deutsch und Sport an. „Ich bin zum Glück niemand, der viel lernen muss“, sagt er.
Zwangssportpause: Tobi wäre „fast durchgedreht“
„Solange er den Notenschnitt halten kann, mischen wir uns da nicht ein“, erklärt Mutter Silke. Ohne Sport und Action sei ihr Sohn schließlich unausgeglichen. Tobi habe sich im vergangenen Oktober beim Wakeboard fahren das Knie gebrochen und konnte zweieinhalb Monate nicht trainieren. „Da wäre er fast durchgedreht“, erinnert sie sich. Die 48-Jährige unterstützt ihren Sohn, wo sie kann. „Ich fahre bestimmt 1.200 Kilometer im Monat, um Tobi zum Training zu karren“, schätzt sie. Zumindest noch, denn bald wird der Duisburger 18 Jahre alt und kann selbst das Auto nehmen.
Nächster Schritt: Herrenbundesliga
Im August steht für Tobi ein letztes Mal die Jugend-Europameisterschaft in der Türkei an. „Da sollten wir mindestens unter die Top 8 kommen, um uns für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren“, sagt Tobi bestimmt. Seine erste Saison in der Herrenbundesliga wird er in einem neuen Verein, dem ASC-Duisburg spielen. Sein Ziel: „Mindestens Top drei.“ Irgendwann möchte der Profi auch mal im Ausland spielen. Zum Beispiel in Ungarn oder Italien. „Die haben wirklich gute Vereine.“ Allein vom Wasserball leben könne er aber nicht. „Man verdient einfach nicht genug“, sagt Tobi. Das Gehalt eines Bundesligaspielers im Wasserball sei vergleichbar mit einem Bezirksligaspieler im Fußball. Deshalb stehe nach dem Abitur erstmal ein Studium an. Was Tobi studieren will, weiß er noch nicht. „Vielleicht irgendwas im Ingenieurwesen, mal schauen.“
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