Aus den Niederlanden. Die Niederlande haben gewählt. Als am Abend erste Zahlen eintreffen, reagieren VVD und Grün-Links entsetzt. Ein Stimmungsbild von den Wahlpartys.
Jubelrufe und lautes Klatschen: "Wir werden dafür sorgen, dass die Niederländer ihr Land zurückbekommen, dass die Migration begrenzt wird und die Menschen wieder mehr Geld ins Portemonnaie bekommen" - mit diesen Worten wendet sich der niederländische Rechtspopulist Geert Wilder am Mittwochabend bei seiner Wahlparty an sein feierndes Publikum.
Während die PVV in Scheveningen ihre Führung mit 35 prognostizierten Sitzen in den Nachwahlbefragungen ausgelassen feiert, ist das Entsetzen bei anderen Parteien im Nachbarland groß. Bei der Wahlparty der rechtsliberalen Regierungspartei VVD in Den Haag ist die Stimmung erst noch ausgelassen. Immerhin hatten die letzten Umfragen wenige Tage vor der Wahl Spitzenkandidatin Dilan Yeşilgöz noch in der Führung gesehen - wenn auch äußerst knapp.
VVD-Partei entsetzt in Den Haag
Durch die Halle des monumentalen Fokker-Terminal am Stadtrand klingen laute Stimmen, vor allem Menschen im mittleren Alter stehen im Anzug und eleganten Kostüm mit einem Glas Wein an der Bar. Dazu werden Bitterballen serviert. „Ich habe Vertrauen, dass das Ergebnis gut wird", sagt noch ein VVD-Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte. "Ich glaube, dass wir heute die meisten Stimmen holen.“
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Dazu kommt es bei den ersten Nachwahlbefragungen nicht. Um kurz vor 21 Uhr starren alle gebannt auf den Bildschirm. Marja Ruigrok ist so gespannt, dass sie sich auf die Finger beißt – zwei Minuten später schlägt sie die Hände vor das Gesicht: 11 Prozentpunkte hat die VVD im Vergleich zur letzten Wahl eingebüßt, sie kommt nur noch auf 23 Prozent. Ein historisch schlechtes Ergebnis!
"Niemand will mit Wilders eine Koalition"
Ein Raunen geht durch den Saal, viele „Ohs“ sind zu hören, überall sieht man enttäuschte Gesichter. Nur als das überraschend gute Ergebnis der rechten VVD verkündet wird, erwachen alle Anhänger aus ihrer Schockstarre. „Das kann nicht sein“, ist zu hören. Damit hätte hier wohl niemand gerechnet - auch nicht Ruigrok: „Ich hatte gehofft, dass die Leute realistisch sind. Niemand will mit Wilders in eine Koalition“, so die Stadträtin der Gemeinde Haarlemmermeer.
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Nach Feiern ist ihr nicht zu Mute: „Es ist normal, dass die Parteien, die in der Regierung sind, abgestraft werden. Aber ich hätte gedacht, dass das Ergebnis doch besser ist für die VVD ausfällt.“ Sie geht in Richtung Bar, um sich ein Trost-Bier zu holen, wie viele andere auch. Nach der ersten gedrückten Stimmung wird es nun auch wieder lauter im Saal.
Linkes Bündnis auf Platz 2 - aber enttäuscht
Auch im nahen Amsterdam ist die Stimmung bei der Wahlparty des linken Bündnissen von Sozialdemokraten und Grün-Links noch gut. Es gibt eine Fotobox, Freibier und eine DJane. Während der Countdown auf einer riesigen Leinwand runterzählt, füllt sich der Raum mit vielen Menschen, die meisten von ihnen noch sehr jung. Sie tragen Blazer, Hemden, Röcke und lockere Stoffhosen in knallroten und knallgrünen Farben oder tragen den rot-grünen Parteischal um den Hals.
„Gaan wij links of gaan wij rechts?”, heißt die Frage des Abends. Die pünktlich um 21 Uhr beantwortet scheint: Es wird wohl rechts, auch wenn PvdA/GroenLinks in den ersten Hochrechnungen gut abschneiden. Erster Jubel über den zweiten Platz schwingt um, als die Prognosen der rechten Parteien bekannt gegeben werden: PVV liegt auf Platz 1.
Im Raum wird es ruhiger. Einer Frau steigen die Tränen in den Augen. „Der zweite Platz bringt uns gar nichts, wenn wir nur von rechten Parteien umzingelt sind“, erklärt sie. „Es tut mir so leid für alle Menschen, die auf uns zählen und daran glauben, dass wir ihre Probleme lösen können“, sagt die Dame, die gerne anonym bleiben möchte.
Denn mit der PVV möchte das linke Bündnis auf keinen Fall koalieren. Das macht Partei-Chef Frans Timmersmans in seiner Rede gegen 22.30 Uhr noch einmal deutlich. „Es ist egal, wo du herkommst oder wo deine Eltern und Großeltern herkommen. Wer in den Niederlanden leben möchte, gehört zu uns und wir werden keine Koalition mit einer Partei bilden, die einen Teil der Niederländer ausgrenzt“, sagt er und appelliert: „Wir sind eine Demokratie und die Demokratie hat gesprochen, nun liegt es an uns, sie zu verteidigen.“
VVD-Kandidatin Yeşilgöz gratuliert Wilders
Schon eine Stunde nach den ersten Ergebnissen erschallt „Freedom“ von Beyoncé durch die Halle und Dilan Yeşilgöz bahnt sich den Weg durch die Menschenmenge hin zur Bühne. Das sei ungewöhnlich früh, berichtet ein Journalist, der regelmäßig auf Wahlpartys gewesen ist. Vermutlich hänge das mit dem schlechten Ergebnis zusammen, dann habe sie es schnell hinter sich.
Doch die Anhänger jubeln und klatschen ihrer Dilan zu, die zunächst den Gewinnern der PVV, Groenlinks und der NSC gratuliert. „Das Ergebnis ist enttäuschend. Den Menschen wurde nicht richtig zugehört, ihnen wurden keine richtigen Lösungen angeboten. Das Vertrauen liegt jetzt nicht bei uns“, sagt die 46-Jährige. Abschließend bedankt sie sich noch bei allen Wahlhelfern. „Ich bin unglaublich stolz auf euch! Wir beginnen jetzt erst richtig mit all den Lektionen, die wir gelernt haben!“ (mh/tat/mkx)