Bedburg-Hau. . Die hölzernen Pfähle bröseln, die Schlosskapelle von Schloss Wissen in Weeze sackt ab, immer mehr. Auch Kunstexperten schlagen Alarm. Die Schlosskapelle ist das einzige neugotische, im Nazarener-Stil gebaute und heute noch so erhaltene Gesamtensemble, das das Rheinland vorzeigen kann. Noch.

Es gab Tage, an denen ist der Herr Graf mit dem Zollstock in der Hand in die Kirche gegangen. Und mit einem mulmigen Gefühl. Als Columbus Amerika entdeckte, wohnten die von Loes schon eine Generation lang auf Schloss Wissen im niederrheinischen Weeze, aber das musste noch keiner der seligen Vorfahren durchmachen: Die Schlosskapelle sackt ab. Und das ist nicht nur für die gräfliche Familie traurige Gewissheit - und für die immer noch fleißigen Kirchgänger aus der Umgebung - auch bei Kunstexperten läuten die Alarmglocken. Die Schlosskapelle ist das einzige neugotische, im Nazarener-Stil gebaute und heute noch so erhaltene Gesamtensemble, das das Rheinland vorzeigen kann.

Im Nazarener-Stil erbaut

„Dreieinhalb Zentimeter“, seufzt der Schlossherr und schickt einen Blick gen Himmel. Es geht immer schneller abwärts. Das auf hölzernen Pfählen ruhende Fundament sackt und sackt, dreieinhalb Zentimeter allein in den vergangenen 13 Jahren. Seit seiner Erbauung Ende des 19. Jahrhunderts sind es nun schon mehr als zwölf Zentimeter.

„Offensichtlich haben nachhaltige Veränderungen der Grundwassersituation zu Absenkungen der Fundamente geführt“, sagt Raphael Freiherr von Loe. Vor allem in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde das Flüsschen Niers, das die Schlossanlage komplett umgibt, tiefergelegt - und die Eichen-Pfähle, auf denen die Kapelle ruht, fallen trocken - und bröseln weg.

52 Betonpfähle sollen tragen helfen

Zahlreiche Gutachten hat Raphael von Loe schon in Auftrag gegeben, hat beurkunden lassen, was für ein kunst- und auch kirchengeschichtliches Schätzchen da vom Untergang bedroht ist. „Die heutige Schlosskapelle wurde während des Kulturkampfes als Zeichen des katholischen Widerstandes errichtet“, sagt der Schlossherr und es scheint, als freue er sich heute noch darüber. Doch alle hehren Ziele von einst nutzen nichts, wenn das denkmalgeschützte Kapellchen nicht mehr auf gesunden Füßen stehen kann. 52 Betonbohrpfähle müssten es schon sein, die die alten Holzfundamente ersetzen.

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Das kostet. Nerven und Zeit, Geld und Überzeugungskraft. Nun haben die von Loes über die Jahrhunderte bewiesen, dass sie eines ganz bestimmt können: durchhalten. Und hartnäckig bleiben.

Das zahlt sich aus, meistens. Von den geschätzten 600.000 Euro, die die Sanierung und Restaurierung der Schlosskapelle (inklusive der Aufarbeitung der Risse im Gemäuer und der wegbröckelnden Farbe der Wandmalereien) kosten dürfte, sind zwei Drittel in trockenen Tüchern: 200.000 Euro übernimmt der Bund, 200.000 das Land und dritte Stiftungen. Bleiben noch 200.000 übrig. 700 Euro konnten die von Loes schon einsammeln: bei einem Konzert zur Erhaltung der Schloss-Kapelle in der Basilika zu Kevelaer.

Die Schlosskapelle wird heute nach wie vor für öffentliche Gottesdienste genutzt. Im Auftrag von Max Graf und Therese Gräfin von Loe errichtete der Kölner Dombaumeister Vinzenz Statz das Kirchlein in den Jahren 1876-1878. Führende Künstler und Handwerker der damaligen Zeit sorgten für die „Innengestaltung“.

Noch heute versprüht die Kapelle ihren ganz eigenen, stillen Charme, auch, wenn die alte Orgel seufzt und poltert und die Risse im Putz und Gemäuer ahnen lassen, dass Vergänglichkeit der Preis fürs Leben ist.