Sonsbeck. Campen ist wieder in. Am Niederhein hat sich ein Ehepaar aus Oberhausen ein Idyll geschaffen. Dazu: viele Camping-Tipps.

Gerade waberte noch Dunst vom vorherigen Regenguss über der Plane auf dem Jacuzzi, da fängt es schon wieder an zu plästern. „Markus, mach mal zu“, sagt Heike. Er steht auf, sie lacht: „Das ist der einzige Stress, den man hier hat. Man muss gucken, dass die Tür zu ist, wenn es regnet.“ Die dicken Tropfen prasseln auf den Pavillon, rinnen an den Plastikfenstern herunter und lassen das Idyll der Sökelands zu einem impressionistischen Gemälde in Grün verschwimmen. „Noch einen Kaffee?“, fragt Heike. Kurze Zeit später scheint wieder die Sonne über dem Campingplatz, der seit 33 Jahren die zweite Heimat des Ehepaars aus Oberhausen ist.

Schon die Anreise zum Kerstgenshof in Sonsbeck-Labbeck kann bei gestressten Städtern für sinkenden Blutdruck sorgen. Felder, Wiesen, im Reichswald tanzen Sonnenstrahlen zwischen den Bäumen. Frische Luft, getränkt vom Geruch feuchter Erde. Bei der Ankunft fängt es an zu gießen wie aus Eimern. Dieser Frühsommer ist wie ein April, nur in wärmer. Hinter der Schranke beginnt eine wohlgeordnete Welt auf achteinhalb Hektar. Kieswege, über die flugfaule Amseln hüpfen, gründlich gestutzte Rasenflächen. Auf den meisten stehen Wohnwagen, die schon sehr lange nicht bewegt wurden. Die meisten der Gäste hier sind Dauercamper.

Der Trend geht zu „Glamourösem Camping“

Der Kerstgenshof ist einer von rund 250 Campingplätzen in Nordrhein-Westfalen, in Bestenlisten wird der Platz immer wieder vorne aufgeführt. Rund vierhundert Parzellen, nahezu alle sind in diesen Tagen gebucht. Camping ist nach einer langen Durststrecke wieder gefragt. Die Corona-Krise hat zu einem Boom geführt. Aber die Zeiten haben sich verändert. Zelt, Bier, Grill allein war gestern, heute ist Luxus gefragt. Der Trend geht zu „Glamping“, Kurzform für „glamouröses Camping“, erzählt Ann-Christin Bußmann, die mit ihren Eltern den Kerstgenshof betreibt. Sie haben sich hier darauf eingestellt. Die Sanitäranlagen können es mit denen in guten Hotels aufnehmen, wer will, kann sich in Landhaus-Chalets und Holzhütten einmieten.

Stefan Lagemann, 47, hat eine klassische Camper-Karriere hinter sich. Vor 27 Jahren angefangen mit einem Zelt, dann Wohnwagen, dann doppelachsiger Wohnwagen, jetzt ein Wohnmobil. Mit dem ist er gerade aus Duisburg angereist, Frau und Sohn kommen am Wochenende nach. „Ich mag es, draußen zu sein“, sagt er. In Monschau an der belgischen Grenze hat er einen festen Platz, in Labbeck steht er im Touristen-Bereich. Generell, sagt er, sei es den vergangenen drei, vier Jahren auf den Campingplätzen teurer und voller geworden. Spontan ohne Buchung an die Mosel zu fahren, sei nicht mehr drin.

Hecken, Zäune, Fahnenmasten, Hundebad

Vor einem der Wohnmobile hat sich ein kleiner Hund in die Sonne gefläzt, genießt die Regenpause und gähnt. Die Anlage ist hundefreundlich. Es gibt ein eigenes Bad für die Vierbeiner, und natürlich hängen vielerorts Abfalleimer für ihre Hinterlassenschaften.

Ein bisschen erinnert der Platz an einen Schrebergarten. Die Parzellen im Dauercampingbereich trennen kleine Zäune oder säuberlich gestutzte Hecken, von Masten wehen die Fahnen diverser Fußballclubs, die größte ist eine von Bayer Leverkusen. Markus Sökeland hat an seinem Mast eine Ruhrpottfahne hochgezogen, aber sein Vogelhäuschen ist in Schwarz und Gelb bemalt. Die Sökelands haben ihre Parzelle am Eulenweg, direkt neben dem Naturspielplatz. 165 Quadratmeter, vor dem Wohnwagen ein holzgetäfelter Vorbau, Jacuzzi, Vogeltränke, ein Bushalteschild, über das die Natur gewuchert ist. „Oberhausen-Stadtwerke“ steht darauf.

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Die Sökelands leben mitten in Oberhausen, in einer Wohnung ohne Balkon. Ein Arbeitskollege gab den Tipp, es doch mit Camping in Sonsbeck zu probieren. Kein schlechter Ratschlag. „Unsere Kinder sind hier quasi aufgewachsen.“ Die beiden haben in den vergangenen dreißig Jahren erlebt, wie sich der Platz gewandelt hat. Am Anfang, erinnert sich Markus – auf dem Platz ist man per Du!, – gab es wenig Luxus. Chemietoilette, kein Telefon, kein Kabelfernsehen. Dafür Natur pur und viel Gemeinschaft. „Als wir das erste Mal gekommen sind, haben uns die Nachbarn sofort zu sich eingeladen. Kannten wir nicht. Aber das ist Camping“, sagt Heike.

Früher, da habe man sich auf dem Platz immer gegenseitig geholfen. „Die Währung war Bier“, erinnert sich Markus, mittlerweile 62 und im Vorruhestand. Der Campingplatz-Club organisierte Oldie-Feten und Sommerfeste. Hat nachgelassen. Den Club gibt es nicht mehr, und wenn Neue kommen und man Hilfe beim Einstellen des Wohnwagens anbietet, heißt es oft: „Brauche keine Hilfe, habe einen Mover.“ Mover? Das ist ein Gerät, mit dem man den Wohnwagen automatisch parken kann. „Die ersten soziale Kontaktaufnahme ist damit flöten“, sagt Markus.

Anastasia Panasenko kommt aus der Ukraine und findet die deutsche Camping-Leidenschaft etwas seltsam. Foto: Olaf Fuhrmann / FUNKE Foto Services
Anastasia Panasenko kommt aus der Ukraine und findet die deutsche Camping-Leidenschaft etwas seltsam. Foto: Olaf Fuhrmann / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Trotzdem wollen sie natürlich nichts auf ihren Platz kommen lassen. „Im vergangenen Jahr waren wir mehr hier als zu Hause“, sagt Heike. Wird auch nicht langweilig. Zu tun gibt es immer etwas, im vergangenen Jahr haben sie sich den Pavillon gebaut. Wenn Markus auf der Parzelle was Neues zusammenbastelt, lässt er sich Zeit. „Wenn ich einen Zaun baue, dann kann schon mal eine Woche dauern. Messen, nachjustieren, ganz in Ruhe. Ist sehr beruhigend.“ Aktuell sind sie auf dem „Astro-Tripp“. Der Schwiegersohn ein paar Parzellen weiter hat sich ein Teleskop gekauft. Bald geht es mit ihrem zweiten Wohnwagen auf einen Trip ins ostwestfälische Versmold. Danach steht eine Reise in die Toskana an. Urlaub vom Urlaub machen.

Im Sanitärhaus sind derweil Anastasia Panasenko und ihre beiden Arbeitskolleginnen kurz vor dem Ende ihrer Schicht. Die drei Frauen kommen aus der Ukraine. Panasenko stammt aus Dnipro, sie ist vor eineinhalb Jahren vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen. Camping kenne man in der Ukraine nicht wirklich, sagt sie. „Die Deutschen sind ein bisschen seltsam. Sie verlassen ihr Haus, um eine Stunde entfernt in einem anderen Haus zu wohnen. Und hier gibt es noch nicht einmal einen Fluss oder einen See.“ Sie lacht. „Aber die Menschen sind sehr nett.“