An Rhein und Ruhr. Seit dem Beginn der russischen Invasion helfen viele Vereine den Menschen in der Ukraine. Doch die Spenden gehen zurück.

Poltawa in der Zentralukraine. 2200 Kilometer entfernt von Essen. An einer Tankstelle steht Klaus Peter zusammen mit Roger Schimanski und den ukrainischen und US-amerikanischen Freiwilligen, mit denen er in den vergangenen Tagen durch das kriegsgeplagte Land gereist ist. Die beiden Männer sehen müde aus. Sie haben viel Leid gesehen, viel Zerstörung. In Orichiw im Süden, nahe der Front haben sie das Donnern der Geschütze gehört. Klaus Peter ist das erste Mal in der Ukraine. Für Roger Schimanski ist es bereits die siebte Reise. Sie sind gekommen, um zu helfen. Im dritten Kriegsjahr wird das nicht nur für die „Deutsch-Ukrainische Freundschaft Essen“ schwieriger. Die Spenden gehen zurück. Darunter leiden alle Hilfsorganisationen.

Anfang Mai sitzen die beiden Männer in einer der Filialen der Bäckereikette, die Klaus Peter aufgebaut hat. Peter ist noch immer mitgenommen von dem, was er in den zehn Tagen in der Ukraine gesehen und erlebt hat. „Man kann sich nicht vorstellen, wie das dort ist, wenn man nicht vor Ort gewesen ist.“ Das gewaltige Ausmaß der Zerstörung, die kriegsversehrten Soldaten, die Flüchtlinge, die aus ihrer Heimat gerissen wurden. Schimanski erinnert an eine Frau, die im frontnahen Pokrowske vor einem zerstörten Hochhaus saß. Ihre Wohnung weg, die Familie tot, sie obdachlos. „Die Augen dieser Menschen erzählen Geschichten“, sagt Klaus Peter.

Das Spendenaufkommen für die Ukraine geht zurück

Die „Deutsch-Ukrainische Freundschaft“, deren Vorsitzender Roger Schimanski ist, betreibt in der Ukraine Bäckereien, hat zwei Sozialzentren ausgestattet, baut mit lokalen Partnern zerstörte Häuser auf, versorgt mit mobilen Feldküchen Flüchtlingsunterkünfte und Dörfer, in die kaum noch jemand von außen kommt, und hat tonnenweise Hilfsgüter in das Land geliefert. Es ist einer der vielen Vereine, die Ehrenamtliche nach dem Beginn der Invasion gegründet haben, um in der Ukraine zu helfen. Auch im dritten Kriegsjahr ist die Unterstützung aus dem Ausland enorm wichtig. Die ukrainische Regierung ist heillos überfordert. Im Land leben fünf Millionen Binnenvertriebene, zehntausende Häuser, Schulen, Krankenhäuser und Kindergärten sind beschädigt oder zerstört. Ganze Dörfer und Städte sind nur noch Ruinenlandschaften.

Der Essener Verein hat aber wie andere Hilfsorganisationen auch ein Problem: Engagement allein nützt nichts, wenn das Spendenaufkommen nicht ausreicht. Es scheint, als hätten sich die Deutschen an den Krieg gewöhnt, der nur eine Tagesreise entfernt tobt. „Zwei Drittel des Spendenaufkommens sind weg“, sagt Schimanski. Wolfgang Heitzer, Geschäftsführer von „Oberhausen hilft“, einer Organisation, die im Raum der Oberhausener Partnerstadt Saporischschja im Süden der Ukraine aktiv ist und nach der russischen Invasion bislang 150 Tonnen Hilfsgüter ins Land gebracht hat, macht ähnliche Erfahrungen. „Wir müssen deutlich kreativer sein, um die Leute zu animieren, weiter zu spenden“, berichtet Heitzer.

„Odessa – wir helfen“, ein weiterer Verein aus Essen, unterstützt Krankenhäuser und Feldlazarette mit Medikamenten und hat eine Wasseraufbereitungsanlage in Mykolajiw im Süden der Ukraine aufgebaut. Daniel Reinhardt, der Vereinsvorsitzende, weiß auch: „Die Spendenbereitschaft der Bevölkerung geht zurück.“ Jedoch habe sein Verein einen festen Spenderstamm und sei damit in einer vergleichsweise komfortablen Situation. Auch Matthias Bähre von der Essener Initiative „Lemberg - wir helfen“ beklagt den Rückgang für Spenden für die Ukraine. „Es lässt zu wünschen übrig“, sagt der Vorsitzende des Vereins, der vor allem in Essens Partnerstadt Riwne aktiv ist, Krankenhäuser unterstützt und Lebensmittel ins Land bringt.

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Die Reise durch die Ukraine hat die Essener Helfer der „Deutsch-Ukrainischen Freundschaft“ über Polen nach Riwne geführt, von dort aus in den Süden in die Regionen Cherson und Mykolajiw, dann hoch in die Region Charkiw im äußersten Nordosten. Es sind vor allem die Begegnungen mit den Menschen, die Klaus Peter und Roger Schimanski auf dieser Reise beeindruckt haben. Da waren die ukrainischen Helfer, die selbst in den Dörfern, die unter Beschuss stehen, Unterstützung für die leisten, die nichts haben. Der Pfarrer, der seinen Sohn verloren hat, und jetzt für andere da ist. Die alten Menschen in den Siedlungen, in denen es keinen Strom und kein fließendes Wasser mehr gibt, die ihre Heimat aber trotzdem nicht verlassen wollen. „Die bleiben da, bis die Russen im Garten stehen“, sagt Schimanski.

„Ich kann gar nicht alles erklären, was ich da erlebt habe. Worte reichen nicht aus. Der Widerstandswille der Leute ist enorm“, erzählt Peter. Für ihn ist nach der Reise klar: Die Ukraine und die Menschen dort müssen weiter und noch energischer unterstützt werden. „Jetzt erst recht“, sagt auch Wolfgang Heitzer von „Oberhausen hilft“, der mit seinen Mitstreitern gerade einen neuen Transport vorbereitet. Die Ehrenamtlichen der „Deutsch-Ukrainischen Freundschaft“ wollen jetzt in Rivne ein Projekt unterstützen, in dem kriegsversehrte Soldaten betreut werden. Unter anderem arbeitet dort eine Frau, die die traumatisierten Männer versucht, mit Hunden zu erreichen und wieder ins Leben zurückzuholen. „Die Soldaten sind häufig sehr verschlossen und psychisch kaputt. Die Tiere helfen ihnen, sich wieder zu öffnen“, berichtet Schimanski. Es gibt noch viel zu tun für die Helfer von Rhein und Ruhr.