An Rhein und Ruhr. Die Zahl der diesjährigen Keuchhusten-Infektionen in NRW ist bereits höher als im gesamten Jahr 2023. Diese Erklärung haben Experten.
Es kann wie eine ganz normale Erkältung anfangen, ist aber hochansteckend und kann vor allem für Säuglinge und ungeimpfte Kinder gefährlich werden: Keuchhusten, fachlich auch Pertussis genannt. Laut Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) haben sich in diesem Jahr in NRW bereits mindestens 675 Menschen angesteckt. Damit wurde die Zahl der gemeldeten Fälle aus dem gesamten Jahr 2023 bereits nach wenigen Monaten übertroffen. 366 NRW-Fälle wurden dem RKI im vergangenen Jahr gemeldet, 2022 waren es sogar nur 122. Wie kann das sein?
„Das könnte ein Nachholeffekt der Corona-Pandemie sein. Aufgrund der vielen Hygienemaßnahmen haben sich in den letzten drei Jahren deutlich weniger Menschen mit Keuchhusten infiziert und dadurch auch keine – zumindest teilweise – Immunität entwickelt“, erklärt Axel Gerschlauer, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) Nordrhein, im Gespräch mit unserer Redaktion. Das sei bei vielen meldepflichtigen Infektionskrankheiten während der Pandemie der Fall gewesen, schreibt die stellvertretende RKI-Pressesprecherin Marieke Degen auf Anfrage.
Weniger Krankheiten durch Corona-Isolation
Durch Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht und weniger Großveranstaltungen konnten sich die Infektionserreger schließlich nicht mehr so schnell verbreiten. Die Folge: Die Zahl der Keuchhustenfälle in NRW sank ab 2020 enorm. Im Jahr 2019 waren es laut RKI immerhin noch 1731 gemeldete Fälle, 2018 knapp 2300 und 2017 sogar mehr als 3400 Fälle.
Die aktuellen Zahlen bewegen sich also auf einem ähnlichen Niveau wie vor der Pandemie. Experten gehen allerdings auch von einer hohen Dunkelziffer aus, da gar nicht jeder Infizierte merken würde, dass er Keuchhusten hat. „Der Verlauf ist nicht bei allen Menschen gleich. Keuchhusten fühlt sich am Anfang wie eine gewöhnliche Erkältung an, trotzdem ist man in dieser Phase schon ansteckend“, erläutert Gerschlauer.
Warum Keuchhusten für Kinder gefährlich ist
Das kann vor allem gefährlich sein, wenn man regelmäßig Kontakt mit Kindern und Säuglingen hat, warnt der Kinderarzt. „Wenn sich Säuglinge anstecken, husten sie im schlimmsten Fall nicht nur, sondern hören eventuell auf zu atmen. Das kann lebensgefährlich sein.“ Es lohne sich also immer, mal einen Blick in den Impfausweis zu werfen, rät Gerschlauer.
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Grundsätzlich empfiehlt die Ständige Impfkommision (STIKO) die erste Kombinationsimpfung für Säuglinge bereits ab acht Wochen. Zwei Monate später folgt die nächste Dosis, im Alter von elf Monaten dann die dritte Teilimpfung. Damit seien die Kinder schon gut geschützt, wobei ein hunderprozentiger Schutz natürlich nicht gegeben sei, erklärt der Kinderarzt. Erwachsene sollten ihre Impfung regelmäßig auffrischen lassen – vor allem zum Schutz der Kinder.
Für Schwangere werde ohnehin eine Impfungsauffrischung empfohlen, doch auch Väter, Großeltern und alle weiteren Menschen, die Kontakt mit jungen Kindern hätten, sollten den eigenen Impfstatus regelmäßig prüfen, empfiehlt Gerschlauer. Am besten sei es, wenn die letzte Auffrischung nicht mehr als fünf Jahre zurückliegt.
Der typische Keuchhusten-Verlauf
Eine typische Erstinfektion bei Ungeimpften verlaufe laut RKI in drei Stadien: Die erste Phase dauert in der Regel ein bis zwei Wochen an und „ist durch erkältungsähnliche Symptome, wie Schnupfen und leichten Husten, meist aber kein oder nur mäßiges Fieber gekennzeichnet.“
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In den darauffolgenden vier bis sechs Wochen kommt es bei Erkrankten zu schweren Hustenanfällen, die auch oft nachts auftreten können. „Die Hustenattacken gehen häufig mit Hervorwürgen von zähem Schleim und anschließendem Erbrechen einher“, schreibt das RKI. Der anschließende Abklingprozess der Krankheit kann ebenfalls mehrere Wochen dauern. Bei Geimpften äußert sich Keuchhusten hingegen vor allem als lang andauernder Husten, während die klassischen Begleitsymptome in der Regel ausbleiben.
So kann Keuchhusten behandelt werden
Behandelt wird Keuchhusten in den meisten Fällen mit Antibiotika. Laut dem BVKJ führt die Behandlung zwar zu einer verkürzten Zeit der Ansteckungsfähigkeit und zu einem milderen Krankheitsverlauf. Der Ausbruch des Keuchhustens könne damit aber trotzdem nicht verhindert werden. Hustensaft erreiche in der Regel keinen großen Effekt.
Der Pertussis-Patient sollte außerdem viel trinken und am besten breiige Nahrung zu sich nehmen, schreibt der BVKJ. Auf Sport sollte verzichtet werden, da Anstrengungen Hustenanfälle auslösen können. Wer sich trotzdem bewegen will, dem empfiehlt der Berufsverband Spazierengehen an der frischen Luft. Am Ende brauche es aber vor allem eines: Geduld.