Düsseldorf/Berlin. Ein Gesetz für einen Digitalisierungsschub der Verwaltungen in Deutschland hängt im Vermittlungsausschuss fest. Experten sehen „fatales Signal“.
Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltungen in Deutschland stockt weiterhin gewaltig. Ein zentrales Vorhaben der Bundesregierung, die Reform des Onlinezugangsgesetz (OZG), steckt derzeit im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat fest. Nach der Verabschiedung im Februar im Bundestag scheiterte das Gesetz im März zunächst am Widerstand der unionsgeführten Länder im Bundesrat.
„Keine Zeit mehr zu verschenken“
Ein „fatales Signal“, das durch diese Blockade ausgesendet wird, sehen Christian Knebel, Geschäftsführer des Düsseldorfer IT-Dienstleisters „publicplan GmbH“, und vier weitere Chefs namhafter mittelständischen IT-Unternehmen aus ganz Deutschland. In einem Brandbrief an Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern ist derzeit amtierende Bundesratspräsidentin, finden sie drastische Worte: „Wir haben keine Zeit mehr zu verschenken! Nur ein funktionierender Staat kann für Sicherheit, Wohlstand und Wachstum sorgen!“
Digitale Behörden: Deutschland unter EU-Schnitt
Die Europäische Kommission gibt jährlich einen Bericht („eGovernment-Benchmark“) heraus, mit dem die Digitalisierung öffentlicher Dienste in Europa überwacht werden soll. Hierfür werden elektronische Behördendienste in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, aber auch in Island, Norwegen, der Schweiz, Albanien, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien und der Türkei untersucht. Unter anderem werden die Felder „Transparenz“ (Wie werden personenbezogenen Daten verarbeitet?) oder „Grenzüberschreitende Dienste“ (Wie einfach können Bürger aus dem Ausland auf die Online-Dienste zugreifen und sie nutzen?) betrachtet. Während Malta als Spitzenreiter von möglichen 100 Punkten 95,7 erreicht und der Durchschnitt der betrachteten Länder bei 70,1 Punkten liegt, verzeichnet Deutschland nur 65,1 Punkte.
Die Bundesregierung verfolgt mit dem sogenannten „OZG-Änderungsgesetz“ mehrere Ziele. Generell gesprochen solle die Verwaltung für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen durch attraktive digitale Angebote einfach, sicher und von überall und zu jedem Zeitpunkt nutzbar gemacht werden, so wirbt das zuständige Bundesinnenministerium. Dafür sollen Bund und Länder in einem gemeinsamen Gremium in den kommenden zwei Jahren Standards entwickeln, die für alle verbindlich sind.
Die Idee ist, dass der Bund das neue digitale Bürgerkonto „BundID“ für ganz Deutschland bereitstellt. Bundesweit sollen Bürgerinnen und Bürger sich damit identifizieren und Anträge stellen können. Zudem wird ein digitales Postfach bereitgestellt, über das kommuniziert und Bescheide zugestellt werden können.
Daten nur noch einmal an die Verwaltung senden
Konkret solle ferner das „Once-Only-Prinzip“ gesetzlich verankert werden. Dieses besagt, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen notwendige Angaben nur noch ein einziges Mal an die Verwaltung übermitteln müssen. Auch solle es ein Ende der „Zettelwirtschaft“ für Unternehmen geben. Spätestens nach Ablauf von fünf Jahren sollen unternehmensbezogene Verwaltungsleistungen des Bundes ausschließlich elektronisch angeboten werden – damit wäre das Papier-Zeitalter Geschichte.
Doch noch ist das Zukunftsmusik. „Statt die Verwaltung zukunftsfähig zu machen, zerstreitet man sich an Details und politischen Bruchlinien“, halten Knebel und die Mitunterzeichner Gregor Költzsch, Thomas Patzelt, Siegfried Klein und Stefan Eichenhofer fest. „Vertrauen in einen leistungsfähigen digitalen Staat bedeutet auch Vertrauen in die Zukunft der Demokratie.“ Der Stopp des OZG-Änderungsgesetzes sende nun ein fatales Signal.
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Kritik äußerte auch der Digital-Branchenverband Bitkom. „Das Scheitern des OZG-Änderungsgesetz ist vor allem eine schlechte Nachricht für alle, die sich eine digitalere Verwaltung in Deutschland wünschen“, erklärte Susanne Dehmel, Mitglied der Geschäftsleitung. „Künftig hätte der Bund dafür sorgen können, dass das digitale Rad auf kommunaler Ebene nicht immer wieder neu erfunden wird. Es ist bedauerlich, dass die Länder diesen Änderungen heute nicht zugestimmt haben.“
Forderungskatalog an Manuela Schwesig
Drei zentrale Forderungen senden publicplan-Chef Knebel und die anderen Mitunterzeichner an Manuela Schwesig. „Stärken Sie jetzt das Vertrauen in die Politik“, heißt es an erster Stelle. Die Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern solle auf „eine pragmatische Einigung zwischen Bund und Ländern“ hinwirken.
Zudem, so wird es an zweiter Stelle formuliert, solle ein „starkes Signal“ gesendet werden „für das Vertrauen in einen leistungsfähigen Staat“. Damit solle „unser demokratisches Staatswesen“ unterbaut werden. Christian Knebel und seine Mitstreiter schließen mit der Forderung: „Sorgen Sie jetzt für ein neues Deutschlandtempo bei der Digitalisierung der Verwaltung!“