Düsseldorf. Das Unternehmen Publicplan unterstützt Kommunen und Ministerien bei der Digitalisierung. So wirbt die Firma um dringend benötigte Fachkräfte.
Um Fachkräfte vom eigenen Unternehmen zu überzeugen, muss Christian Knebel schon etwas tiefer in die Trickkiste greifen. „Wir befinden uns in einem enormen Wettbewerb“, berichtet der Geschäftsführer des Düsseldorfer IT-Dienstleisters „publicplan GmbH“.
Was liegt also in einer der Hochburgen des rheinischen Frohsinns näher, als mit einem eigenen Karnevalswagen und mit dem Firmenlogo versehener Kamelle auf sich aufmerksam zu machen. „Das haben wir im vergangenen Jahr schon einmal gemacht und in diesem Jahr wieder“, ergänzt Firmensprecherin Dana Khosravi.
Wagenbauer Jacques Tilly legte Hand an
Niemand Geringeres als Wagenbaumeister Jacques Tilly höchstpersönlich übersah die Arbeiten, versah den Wagen für den Rosenmontagszug mit den passenden Botschaften: „Wir digitalisieren Behörden“ und „Antrag von der Couch!“ war dort zu lesen. Ein aufgemalter QR-Code führte Interessierte direkt zur Webseite des Unternehmens. „Rund 180 Anschreiben kamen dabei in der Folge in diesem Jahr herum“, so Khosravi.
Auch wenn dadurch keine offene Stelle besetzt werden konnte – „leider ist die Qualität vieler Bewerbungen eher überschaubar“, formuliert es Christian Knebel diplomatisch – zeigt er sich von dem Ansatz überzeugt, so Aufmerksamkeit für sein Unternehmen zu generieren. „Es funktioniert in jedem Fall als Werbeplattform.“ Zuletzt wurde so etwa der neue Chief Operating Officer André Dölker (COO, heißt auf Deutsch in etwa „operativer Geschäftsführer“) für Publicplan gefunden. „Das war eine Initiativbewerbung. Er hatte den Wagen gesehen und sich dann im Anschluss bei uns gemeldet.“
Online beim Straßenverkehrsamt vorstellig werden
„Digitalisierung“, „Anträge von der Couch“, was verbirgt sich dahinter? „Das können etwa Portale für die Straßenverkehrsämter für Kommunen sein, um die Beantragung eines neuen Kennzeichens online zu ermöglichen“, gibt Christian Knebel einen Einblick in das Tätigkeitsfeld. Taxiunternehmer kommen per Knopfdruck an ihren Taxischein. Publicplan sei auf Dienstleistungen für öffentliche Verwaltungen spezialisiert, entwickle Lösungen, um Städte oder Ministerien digitaler aufzustellen. Das sei der Markenkern des Unternehmens, berichtet der gelernte Wirtschaftswissenschaftler Knebel.
Einen Schwerpunkt legt das Unternehmen dabei auf Projekte in Nordrhein-Westfalen. „Aktuell dürften wir zwischen 70 und 80 Prozent unseres Umsatzes hier in NRW machen“, berichtet Knebel. Unter anderem entwickelte Publicplan das „Wirtschafts-Service-Portal.NRW“, auf dem Unternehmen digitale Behördengänge erledigen können, etwa Gewerbean- und -abmeldungen.
2010 gegründet, aktuell weiter auf Wachstumskurs
Rund 400 Beschäftigte zählt sein Unternehmen, das er 2010 gründete, derzeit. Die Firma ist auf Wachstumskurs. Noch zu Beginn des vergangenen Jahres lag die Mitarbeiterzahl bei rund 250. „Bei uns arbeiten Menschen aus über 30 Nationen zusammen“, betont der Geschäftsführer.
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Besonders stolz ist Knebel, der ursprünglich aus der Lutherstadt Wittenberg stammt und über ein Studium an der Ruhr-Universität in Bochum in die Region kam, auf den Frauenanteil. „Der liegt bei uns bei 30 bis 35 Prozent“, sagt Knebel. „Das ist für unsere Branche schon ungewöhnlich hoch“, fügt Dana Khosravi an.
Nähe zur Bundespolitik – Dependance in der Hauptstadt Berlin
Neben dem Büro in Düsseldorf ist Publicplan noch mit einer Dependance in der Hauptstadt Berlin vertreten – „natürlich suchen wir auch die Nähe zur Bundespolitik“, führt Knebel an – sowie im spanischen Malaga. „Die IT-Studiengänge an der dortigen Universität sind wirklich herausragend gut“, erklärt Christian Knebel diese auf den ersten Blick exotisch wirkende Wahl für einen Auslandsstandort.
Da die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien weiterhin sehr hoch ist – zuletzt lag diese nach Angaben von Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Union) bei 28 Prozent der Erwerbsbevölkerung im Alter von 15 bis 24 Jahren, ein Spitzenwert für die EU – orientieren sich Studienabgänger häufig in Richtung Ausland. „Wir bieten diesen jungen, motivierten und gut ausgebildeten Menschen die Möglichkeit, zu 100 Prozent von dort aus zu arbeiten.“
Knebel ist ein Verfechter von „Open-Source-Software“, also von frei verfügbaren Computerprogrammen, die sich meist ohne Lizenzkosten nutzen und auch ändern lassen. „Sich allein von den Lösungen eines Softwarehauses abhängig zu machen, ist in keinem Fall eine gute Idee.“ Sollten Anbieter, etwa der US-amerikanische Gigant Microsoft, auf die Idee kommen, an der Preisschraube für die Nutzung ihrer Programme und Dienstleistungen zu drehen, fehle dann die Möglichkeit, umzusteigen.
Gesetzgeber sollte digitale Umsetzung mitdenken
Durch die Umwälzungen der Coronapandemie sieht Firmenchef Knebel ein wachsendes Verständnis in den deutschen Behörden, welche Chancen und Möglichkeiten die Digitalisierung bietet. „Wünschenswert wäre es, wenn die Politik bei der Ausgestaltung von Verordnungen und Gesetzen schon frühzeitig mitdenken würde, wie eine digitale Umsetzung am Ende aussehen könnte.“
IHK Düsseldorf unterstützt bei Digitalisierung
„Wir beobachten eine große Dynamik bei der Digitalisierung. Auch zeigen aktuelle Studien, dass der Einsatz von KI und Software grundsätzlich für bestimmte Berufe Produktivitätssteigerungen mit sich bringen kann. Es gilt daher definitiv zu prüfen, inwiefern der Einsatz von KI und Software die akuten Fachkräfteengpässe in unserem IHK-Bezirk verringern kann“, erklärt Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf.
Laut einer Studie des IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) sind Berufe nicht vollständig automatisierbar, sondern nur einzelne Tätigkeiten. „Da sich die Qualifikationsanforderungen durch die digitale Transformation wandeln, sollten die Unternehmen in Weiterbildung und Qualifikation investieren“, rät Dr. Nikolaus Paffenholz, Geschäftsführer Unternehmensservice.
Die IHK setzt in diesem Jahr zahlreiche Angebote zur Know-how-Vermittlung um, zum Beispiel das Projekt der „Digiscouts“, bei dem Auszubildende eine Digitalisierungsidee für das eigene Unternehmen entwickeln und umsetzen. Damit können Unternehmen das Potenzial der jungen Menschen im Bereich Digitalisierung nutzen, sie tragen aber auch zu einer besseren Mitarbeiterbindung bei.
Oft begegnen Knebel und seinen Mitarbeitenden zwar noch Sollbruchstellen, Verwaltungssysteme in Kommunen oder Ministerien, die einfach nicht darauf ausgelegt sind, miteinander zu kommunizieren. „In NRW sind wir aber schon verhältnismäßig weit“, befindet der Experte. Sein Unternehmen sei darauf ausgelegt, kooperativ mit Verwaltungsbeschäftigten Lösungen zu finden. „Es gibt nicht das eine Internetportal, das für jede Kommune passt.“
Knebel verschließt nicht die Augen vor den Umwälzungen, die eine stärkere Nutzung Künstlicher Intelligenz bedeuten kann. „Wie bei jeder technischen Revolution wird es Veränderungen geben.“ Gerade im Bereich der mittleren Qualifikationen seien Arbeitsplätze durchaus gefährdet. „Dafür wird es an anderer Stelle neue Möglichkeiten geben.“
Bange ist Christian Knebel vor dieser Zukunft nicht. „Unsere Beschäftigten können daran mitwirken, den Staat digital zu modernisieren.“