An Rhein und Ruhr. Jeder 20. Deutsche war noch nie im Internet, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Der Alltag wird ohne Internet jedoch immer schwieriger.
Jeder 20. Mensch in Deutschland zwischen 16 und 74 Jahren hat noch nie das Internet benutzt. Das teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit. Für die sechs Prozent der sogenannten „Offliner“ werde der Alltag jedoch zunehmend schwieriger hinsichtlich Überweisungen, Terminbuchungen oder auch das 49-Euro-Ticket, heißt es. Das betrifft rund 3,8 Millionen Menschen. Der Sozialverband VdK in NRW fordert daher, mehr Schulungen für digitale Kompetenzen, damit niemand ausgeschlossen wird.
„Offliner“: Viele Senioren sind nicht im Internet unterwegs
Die meisten „Offliner“ finden sich in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen. 17 Prozent haben noch nie das Internet benutzt. Gerade ältere Leute sehen sich in ihrem Alltag zunehmend mit Problemen konfrontiert, wenn sie digitale Angebote nicht nutzen können. „Es gibt eine zunehmende Ausschließung vom öffentlichen Leben, obwohl die Leute körperlich und geistig fit sind“, berichtet Horst Vöge, Vorsitzender des VdK NRW. Das zeige sich in der Mobilität, bei Finanzen und auch beim Einkaufen.
So soll das 49-Euro-Ticket vor allem ein digitales Ticket sein, eine Papierform soll es nur übergangsweise geben. „Bankfilialen schließen, und Unternehmen richten sich digital aus“, so Vöge weiter. Gerade im ländlichen Bereich seien die Menschen auf digitale Kompetenzen angewiesen, da die Mobilität eingeschränkt und die Wege zu Einzelhändlern weit seien.
VdK sieht Verbesserungen bei digitalen Kompetenzen seit Corona-Pandemie
Der Verband fordert daher mehr digitale Schulungen. „Digitalisierung ist nun mal die Zukunft“, so Vöge. Es brauche aber mehr Unterstützung und einen einfacheren Zugang zu Schulungen. Kurse gebe es bereits bei Stellen wie Volkshochschulen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und einigen Ortsverbänden des VdK. „Die Menschen vernetzen sich auch lokal untereinander und tauschen sich über das Digitale aus und helfen sich gegenseitig.“
Dabei sieht Vöge aber auch schon Verbesserungen. „Wir stellen fest, dass die digitale Kompetenz älterer Menschen während Corona bemerkenswert zugenommen hat.“ Das sei bis 2020 nicht der Fall gewesen.
Beim Zugang zum Internet komme es aber auch auf den Bildungs- und Einkommensstand an. „Ältere Leute, die mit weniger Geld auskommen müssen, haben öfter keinen Zugang zum Internet oder keine digitalen Kompetenzen.“
Senioren fühlen sich durch zunehmende Digitalisierung diskriminiert
Gerade ältere Menschen fühlen sich durch die Digitalisierung mittlerweile ausgegrenzt und diskriminiert. Das berichtet die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO). Für eine Umfrage unter dem Titel „Leben ohne Internet – geht’s noch?“ hat der Verband 2300 Menschen ab 60 Jahren befragt. „Besondere Schwierigkeiten bereitet demnach die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sowie der Banken“, teilt die BAGSO mit.
Die Digitalisierung und die damit verbundene Streichung nicht-digitaler Angebote werde auch im Gesundheits- und Pflegebereich als belastend erlebt. „Dies betrifft Arztpraxen, die zur Terminvergabe nur noch schwer telefonisch erreichbar sind, sowie den Zugang zum Impfen und Testen in der Pandemie. Im Freizeit- und Kulturbereich sind Ticketbuchungen ohne Internet kaum noch möglich, genau wie die Buchung von Fahrkarten sowie Fahrplanauskünfte“, fasst der Verband zusammen.
Klassische Zugangswege für Angebote gewünscht
Verträge können zudem häufig nur noch digital abgeschlossen werden oder der Abschluss auf dem Papierweg sei mit mehr Kosten verbunden. „Dringend gewünscht und benötigt werden weiterhin klassische Zugangswege: telefonisch, postalische und persönliche Erreichbarkeit und gedruckte Materialien und Formulare“, betont die BAGSO.
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„Für die, die keinen Internetzugang haben oder sich keinen leisten können ist es schon schwer geworden im Alltag“, sagt auch Karl-Josef Büscher, Vorsitzender der Landesseniorenvertretung NRW. „Das war auch bei Impfterminen für Corona-Impfungen ein Problem. Die gab es nur digital. Wir haben für viele ältere Leute Termine gemacht.“
Seniorenverband: Digitale Angebote müssen auch anwenderfreundlich sein
Die Seniorenvertreter fordern von der Landesregierung daher mehr Fortbildungen für digitale Angebote. „Wir müssen aufpassen, dass wir diese Menschen nicht verlieren“, betont Büscher. „Diese müssen über die öffentliche Hand geschaffen werden.“ In Schulungen sollte ein kleines Grundwissen vermittelt werden darüber, wie man digital mit seiner Bank kommuniziert oder wie man online ein Zug- oder Flugticket bucht.
„Die Systeme müssen aber auch anwenderfreundlich gestaltet werden“, ergänzt Büscher. Viele gute Programme seien hingegen anbieterfreundlich. „Man muss den Menschen aber die Handhabung einfach machen.“
Für die Altersgruppe der Über-75-Jährigen, die in der Statistik des Statistischen Bundesamtes gar nicht vorkommt, erwartet Büscher einen noch höheren Anteil an Menschen, die das Internet nicht benutzen. „Aber es gibt auch ältere Menschen, die da ganz affin sind.“
Noch mehr Menschen ohne Internet in anderen EU-Ländern und weltweit
Im EU-Durchschnitt habe der Anteil der „Offliner“ im vergangenen Jahr bei sieben Prozent gelegen, erklärte das Bundesamt unter Verweis auf die Statistikbehörde Eurostat. Dabei habe es deutliche Unterschiede zwischen den EU-Staaten gegeben. Demnach hatten unter anderem in den skandinavischen Staaten weniger als vier Prozent der 16- bis 74-Jährigen noch nie das Internet genutzt. Die höchsten Anteile an „Offlinern“ verzeichneten Griechenland und Portugal mit jeweils 14 Prozent.
Weltweit hatte etwa ein Drittel der Bevölkerung zuletzt keinen Zugang zum Internet, wie die Statistiker erklärten. So waren laut Schätzungen der Internationalen Fernmeldeunion der Vereinten Nationen (ITU) im vergangenen Jahr rund 34 Prozent der globalen Bevölkerung offline. Das entspreche etwa 2,7 Milliarden Menschen, hieß es. (mit DPA)