Essen. 650 Polizeibeamte waren am Samstagabend landesweit im Einsatz. Der Verdacht: Kriminelle Clans haben eine weitere Einnahmequelle gefunden.
Etwas unschlüssig hält Herbert Reul den unterarmlangen schwarzen Metallstab in den Händen. Ein verbotener Teleskopschlagstock, klärt ihn der Polizist vor ihm auf. „Den haben wir in einem Mülleimer hinter der Bar gefunden.“ Im Hintergrund dröhnt Musik, im schwummrigen Licht sind nur wenig Gäste, aber um so mehr Polizisten, Zollbeamte und Mitarbeiter des Essener Ordnungsamtes zu sehen. Der Landesinnenminister begleitet eine Razzia in der Türsteherszene.
Es ist ein langer Samstag für Reul. Er war an diesem Abend schon in Dortmund und Düsseldorf, jetzt ist es kurz vor Mitternacht, der letzte Ortstermin. Vor dem Club nahe der Fußgängerzone stehen Polizeibusse, Beamte haben sich vor dem Eingang aufgebaut. Ein bulliger Türsteher muss seine Dokumente vorzeigen, er schaut etwas griesgrämig drein. Allgemeine Gewerbekontrolle nach Paragraf 34 Gewerbeordnung. Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes überprüfen, wer da an der Tür steht und ob die Leute zugelassen sind. Die Polizei sichert ab.
Reul bei Razzia gegen Clankriminalität in NRW
Hinweise dass Clans sich „stärker einmischen“
Insgesamt sind in dieser Nacht landesweit rund 650 Polizistinnen und Polizisten gemeinsam mit Zoll und städtischen Mitarbeitern in der Landeshauptstadt Düsseldorf, in Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Köln im Einsatz. Der Hintergrund: Der Sicherheitskooperation Ruhr liegen Erkenntnisse vor, dass sich kriminelle Clans ein neues Betätigungsfeld aufgetan haben und die Türsteherszene infiltrieren, früher das Metier des Rockermilieus. „Wir haben Hinweise, dass die Clans sich da möglicherweise stärker einmischen“, erklärt Reul. Man wolle wissen, ob sich ein neues Geschäftsmodell entwickele.
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Bekannte Clanfamilien infiltrieren Sicherheitsgewerbe
Laut Landesinnenministerium sind bekannte Clanfamilien mit Firmen aus dem Sicherheits- und Bewachungsgewerbe verbandelt. „Einige Geschäftsführer der Sicherheitsfirmen haben familiären Clanbezug und sind deutschlandweit vernetzt“, so ein Sprecher des Ministeriums. Diese Firmen verfügen demnach zum Teil über Subunternehmen, existieren manchmal nur als Briefkastenfirmen, wechseln häufig Gesellschafter und Firmensitze. „Es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Gewerbeordnung und andere einschlägige Vorschriften unterlaufen und missachtet werden und auf diese Weise Steuern oder Abgaben hinterzogen und in größerem Umfang Geld verdient wird.“
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Mit den Razzien soll das undurchsichtige Geflecht ausgeleuchtet werden. Sie sind Teil der Politik der Nadelstiche, mit denen Reul den kriminellen Clans das Leben schwer machen will. „Wir wollen wissen, ob die Geschäfte ordnungsgemäß ablaufen, ob die die Leute gemeldet sind, ob Schwarzarbeit gemacht wird oder Steuern hinterzogen werden“, sagt Reul.
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Zwei Türsteher machten sich aus dem Staub
In dieser Nacht ist in dem Essener Club wenig los. Die wenigen Gäste schauen neugierig und rätseln, wer der Mann ist, der da begleitet von Personenschützern durch den Club geht. Offensichtlich jemand, der wichtig ist. Früher am Abend ist Reul schon mit dem Bundespräsidenten verwechselt worden. Es sind mehrere Fotografen vor Ort, manche der Gäste halten sich Jacken vor das Gesicht.
Essens Polizeipräsident Andreas Stüve unterhält sich angeregt mit Reul. Er sagt, es sei sinnvoll, zu kontrollieren. In einem anderen Essener Club seien an diesem Abend bereits diverse Ordnungsverstöße festgestellt und ein verbotenes Einhandmesser gefunden worden. Auch in Düsseldorf gab es Auffälligkeiten, berichtet Reul. In einem Club hätten sich zwei Türsteher aus dem Staub gemacht. „Das spricht nicht dafür, dass da alles ordnungsgemäß zugegangen ist.“
Clubgänger: Reul? „Der ist korrekt“
Abgesehen von dem Teleskopschlagstock finden die Behörden an diesem Abend nichts. Alle Papiere sind in Ordnung. Für Reul trotzdem kein verlorener Abend. „Hochgradig interessant“ sei es gewesen, was ihm die Mitarbeiter des Ordnungsamtes erzählt hätten, sagt er. Und: Es sei für ihn Ausdruck der Wertschätzung dabei zu sein, wenn Polizisten ihre Arbeit machten.
Draußen hat sich mittlerweile eine kleine Schlange gebildet. „Hör mal, du bist doch der Herbert Reul“, ruft ein junger Mann, als der Innenminister mit seinen Personenschützern an ihm vorbeiläuft. „Kann ich ein Foto mit dir machen?“ Er raunt seinem Freund zu: „Der ist korrekt.“