Am Niederrhein/Essen. Die Bilanz zum Deutschlandticket ein Jahr seit Einführung fällt bei Nutzerinnen und Nutzern gemischt aus. Wir haben nach den Erfahrungen gefragt.

Vor einem Jahr war es so weit, eine Revolution im deutschen ÖPNV bahnte sich an. Nach den Versuchen mit dem 9-Euro-Ticket ist im Mai 2023 das Deutschlandticket an den Start gegangen. Für 49 Euro pro Monat mit Bussen und Bahnen des Nahverkehrs durch ganz Deutschland, kein kompliziertes Durcharbeiten durch den Tarifdschungel voller Waben und Zonen. Rund 11,2 Millionen Menschen nutzten das Abo seither im Schnitt pro Monat, wie der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) kürzlich mitteilte. Doch es bleiben Hürden: Denn was nützt das beste Ticket, wenn die Bahn nicht kommt? Zudem sind in den Ländern Zusatzangebote wie die Fahrradmitnahme unterschiedlich geregelt. Wir wollten von den Nutzerinnen und Nutzern des 49-Euro-Tickets wissen, welche Erfahrungen sie gemacht haben. Das sind ihre Berichte:

Ein Auto für den Notfall

Klaus Lauer aus Oberhausen nutzt den Fahrschein, sieht aber durchaus auch Schwierigkeiten. Er schreibt: „Die Erfahrung mit dem Deutschlandticket sind bei mir positiv, da ich schon vor dem Deutschlandticket seit Jahren ein VRR-Firmenabo hatte, spare ich jetzt zirka 30 Euro im Monat. Ich muss täglich von Oberhausen nach Düsseldorf und zurück.

Aber jetzt sind die Züge noch voller als früher, und die Verspätungen und Zugausfälle haben sich erhöht. Jetzt schaue ich jeden Morgen auf den Internetseiten der Deutschen Bahn, wie es mit der Lage der Verspätungen und Zugausfälle aussieht, und fahre dann gegebenenfalls mit dem Auto. Hier ist es aber auch so, spätestens nach einer Woche hat man so viel im Stau gestanden, und man versucht es wieder mit dem öffentlichen Nahverkehr.

Leider zeigen die DB-Internetseiten nicht immer den aktuellen Status an, sodass ich dann doch häufig wieder am Bahnhof stehe und auf Züge warte und so dann Fahrzeiten habe, die zum Teil eine Stunde dauern. Durch die Ersparnisse durch das Deutschlandticket ist die Entscheidung, einige Male mit dem Auto zu fahren, erleichtert worden. Verbesserungen im Autoverkehr und Nahverkehr hat es durch das Deutschlandticket für mich nicht gegeben.“

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Kompletter Umstieg auf ÖPNV

„Ich nutze das Deutschlandticket seit August letzten Jahres über meinen Arbeitgeber vergünstigt als Jobticket, und bin nahezu komplett auf den öffentlichen Nahverkehr umgestiegen, um zu meiner acht Kilometer entfernten Arbeitsstelle zu kommen“, schildert Holger Kricke aus Neukirchen-Vluyn im Kreis Wesel. „Zu meinem Glück habe ich drei Buslinien zur Auswahl und habe drei Bushaltestellen innerhalb von zehn Gehminuten im Umkreis meiner Wohnung. Am Ziel habe ich ebenfalls das Glück, dass ich innerhalb von fünf Minuten mein Büro erreichen kann, das Ganze ist quasi wie für mich gemacht. Zwar werde ich jetzt mit Beginn der Fahrradsaison wieder, so oft es geht, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, aber bei schlechtem Wetter bleibt der Bus erste Wahl.

Allerdings kenne ich auch die andere Seite: In meiner bevorzugten Urlaubsregion in der Eifel ist der Nutzen des Tickets suboptimal, da dort abseits der Hauptrouten die Busse eher selten unterwegs sind. Dort – und sicher auch in vielen anderen ländlichen Regionen – wären die Steuergelder besser verwendet, wenn sie zunächst in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gesteckt würden.“

Das Ticket kommt nicht infrage

Werner Malinka aus Langenfeld würde eigentlich öfter den ÖPNV nutzen, sieht aber zu viele Probleme: „Eigentlich bin ich ein Fan der öffentlichen Verkehrsmittel, besitze die BahnCard 50 seit ihrer Einführung. Trotzdem kommt das 49-Euro-Ticket für mich nicht infrage.

Nicht nur im ländlichen Raum, sondern auch in Langenfeld, 60.000 Einwohner, zwischen Köln und Düsseldorf gelegen, ist der ÖPNV einfach nur schlecht, ich würde als Schulnote eine 4 vergeben. In wesentlich kleineren Städten (z. B. Limburg) hält sogar der ICE. Langenfeld hat nur zwei S-Bahnhöfe, der eine am Stadtrand, der andere in einem Gewerbegebiet, sodass man fast zwangsläufig einen Bus-Zubringer braucht. Wenn Bus und S-Bahn pünktlich sind, klappen die Anschlüsse in Richtung Düsseldorf recht gut, in Richtung Köln wartet man abends oder am Wochenende 24 Minuten bei einem 30-Minuten-Takt. Die Linie S 68, immer schon für ihre Unzuverlässigkeit bekannt, stellte früher im Berufsverkehr in Richtung Düsseldorf einen Zehn-Minuten-Zugabstand her. Seit etwa zwei Jahren ist sie völlig eingestellt. Die Busse sind, besonders im Berufsverkehr, oft unpünktlich, so dass die Anschlüsse verpasst werden. Hinzu kommen die Bauarbeiten für den Rhein-Ruhr-Express, der für fast ein Jahr lang für einen Komplettausfall aller S-Bahnen zwischen Köln und Langenfeld sorgte. In Richtung Düsseldorf steht uns diesbezüglich in naher Zukunft noch einiges bevor. Die RRX-Strecke verläuft zwar durch Langenfeld, er wird hier aber nicht halten. Dabei gibt es eine weitere Strecke mitten durch das Stadtgebiet, die aber regulär nur noch vom Güterverkehr genutzt wird, das Empfangsgebäude des ehemaligen Bahnhofs steht sogar noch. Hinzu kommen die vielen Streiks, sowohl durch die Lokführer als auch bei den Bussen.

Was nützt ein preisgünstiges Ticket, wenn die Nutzung des ÖPNV zu zeitaufwendig und unzuverlässig ist?“

Seit 12 Jahren ohne Auto

„Wir versuchen, die Umwelt zu schützen und haben zirka zwölf Jahre schon kein Auto. Im ländlichen Raum ist dies für uns auch möglich“, meint hingen Monika Klein-Hitpaß aus Hamminkeln.